Die Klimakatastrophe aufhalten – das ist unsere Mission in Beecarbonize. Das kurzweilige digitale Kartenspiel punktet mit Informationen und Diskussionsimpulsen und verschiedenen Wegen, ans Ziel zu kommen.
Zusammenfassung
Beecarbonize ist eine gute Möglichkeit, sich selbst die verschiedenen Standpunkte in der Klimadebatte zu erarbeiten und die Komplexität des Phänomens nachzuvollziehen. Das englischsprachige Strategiespiel ist kurzweilig und voller Wissen, das ergänzend vertieft werden kann.
Mit welchen Strategien können wir den Planeten noch retten? Im Umweltkartenspiel Beecarbonize suchen die Spielenden nach Lösungen für eine der größten Herausforderungen unserer Zeit: Die Klimakatastrophe. Die Mission ist, durch kluges Kombinieren eines der fünf als goldene Karten dargestellten Ziele zu erreichen: “Industry 22th Century”, “A global oasis,” “Eco symbiosis,” “Planet B colonized,” und “No tech civilization”. Der Weg dorthin gelingt zunächst durch die Reduktion von Emissionen und die anschließende Erarbeitung eines Gesamtsystems, in dem nur so viel Emissionen produziert werden, wie durch Technologien oder intakte Ökosysteme wieder aufgenommen und abgebaut werden können.
Zentrales Element sind die vier Bereiche „Industry“, „Ecosystems“, „People“ und „Science“, in denen die ausgespielten Karten abgelegt werden. Im Industriebereich geht es darum, Geld zu produzieren. Die Inhalte der Karten in diesem Feld drehen sich vor allem um die Energieerzeugung; wir beeinflussen, wie nachhaltig diese ist und wie viele Emissionen entsprechend erzeugt werden. Der Bereich des Ökosystems zeigt uns, wie gut es der Natur geht – und wie viel Kapazitäten sie zur Regeneration hat. Im People-Bereich geht es um die Gesellschaft: Wie organisiert sie sich? Welchen Lebensstil verfolgen sie? Im Wissenschaftsbereich wird durch entsprechende Karten entschieden, in welche Forschungsfelder investiert werden soll.
Die vier Bereiche des Spiels symbolisieren Stellschrauben, die die Entwicklung der Klimakrise beeinflussen und entsprechende Hebelwirkung haben. Denn jeder Bereich hat seine Vor- und Nachteile. Während der Industriebereich beispielsweise direkten Einfluss auf den Ausstoß der Emissionen hat, wird hier das Geld erzeugt, welches den People-Bereich am Laufen hält.
Neue Spielkarten oder deren Aufwertung können durch eine Kombination der drei Währungen erworben werden: Geld, Menschen, Wissen. Durch den Ausbau des Forschungssektors werden beispielsweise mehr Wissens-Einheiten generiert, die wiederum für den Kauf weiterer Karten nötig sind.
Jede einzelne Karte hat Potentiale und Risiken: Die Pfeile in der linken unteren Ecke der Karte symbolisieren die Stärke und Richtung des Einflusses der Karte auf den jeweiligen Bereich, während die Zahl den Ausstoß oder im Idealfall die Einsparung von Emissionen angibt. Denn darum geht es in diesem Spiel: die klimaschädlichen Stoffe in der Atmosphäre verringern. Der Balken über den Kartenfeldern zeigt das Ausmaß der Schadstoffe an. Die Auswirkungen des geplanten Spielzuges sowie die Anzahl und Kombination der benötigten Tauschmittel – Geld, Menschen bzw. Wissen – ist in der sogenannten Enzyklopädie ersichtlich. Darüber hinaus liefern zusätzliche Texte wertvolle Informationen über die Ausgestaltung der Maßnahmen in der Realität.
Wir müssen überlegen, ob die nächste Aktion uns die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellt, aber auch, ob das vorhandene Emissionskapital diesen Schritt noch zulassen kann. Dafür bringen wir die jeweiligen Sektoren miteinander in Balance und berücksichtigen auch die Dauer, die es braucht, um eine Währungseinheit zu produzieren. Tun wir dies nicht und erzeugen ein Ungleichgewicht, kann dies dazu führen, dass einer der Sektoren nicht hinterherkommt und immer mehr Emissionen freigesetzt werden.
Die gelben Dreiecke auf der Emissionsskala markieren die nächsten Kipppunkte, deren Überschreitung verschiedene Katastrophen wie Hitzewellen oder steigende Meeresspiegel auslösen. Entsprechende Ereigniskarten erscheinen dann auf dem Bildschirm. Nun heißt es schnell sein, denn: Eine ablaufende Sekundenzahl zeigt an, wie viel Zeit uns noch bleibt, um die Herausforderung zu lösen. Dafür gibt uns die Ereigniskarte vor, welche Ressourcen wir aufbringen und in welcher Reihenfolge sie kombiniert werden müssen. Gelingt dies aufgrund eines Ressourcenmangels nicht, kann dies schwerwiegende Folgen haben, zum Beispiel weitere Ressourcenverluste oder zusätzliche Emissionen. In einigen Fällen hat unser Scheitern besonders dramatische Folgen: Schaffen wir es nicht, eine Karte mit Totenkopfsymbol zu lösen, ist das Spiel beendet – der Planet wurde nicht gerettet.
Während zu Spielbeginn die Optionen unendlich scheinen, müssen wir uns relativ schnell für eine Strategie entscheiden. Das bedeutet: Den entsprechenden Bereich auf dem Spielfeld durch neue Karten und Upgrades ausbauen und die anderen zur benötigten Ressourcenbereitstellung optimieren. Wenn wir uns zum Beispiel entscheiden, das Wirtschaftssystem zu verändern, reduzieren wir zunächst den Ausstoß neuer Emissionen, indem wir erneuerbare Energien ausbauen und entsprechende Technologien erforschen. Das bringt uns Geld- und Wissenseinheiten. Um nun auch mehr gesellschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu haben, müssen wir als nächstes mehr Karten im People-Bereich sammeln. Unser Zwischenziel ist es, uns von der Wirtschaftsweise des 20. Jahrhunderts zu verabschieden. Haben wir die anderen Bereiche und Ressourcenflüsse in Einklang gebracht, können wir die dazugehörige Karte „Industrie des 20. Jahrhunderts“, die viel Geld und Emissionen produziert, aus dem entsprechenden Bereich herausziehen, sodass sie zerstört wird.
Je weiter wir mit unserer Strategie vorankommen, desto stabiler wird das globale System. Die Ereignisse werden seltener – was sich darin zeigt, dass weniger Karten im Bereich rechts oben aufgedeckt werden –, auch wenn vermeintlich zufällige Ereignisse wie Greenwashing, Desinformation oder Nischenforschung uns auf Trapp halten. Aber immer mehr Karten mit einem Stern-Symbol zeigen: Wir sind auf dem richtigen Weg!
Das Spielziel und damit eine der goldenen Karten – in unserem Beispiel die Ökosymbiose – erreichen wir schließlich durch eine Etablierung dezentraler Wirtschaftssysteme und gesellschaftliche Entwicklungen wie die Externer Link: Degrowth-Bewegung oder die Externer Link: Donut-Ökonomie.
Welche Kartenkombination führt zu einem alternativen Lösungsszenario? Bei jedem Durchgang können neue Erkenntnisse in verschiedenen Bereichen gewonnen werden. Dadurch hat das Spiel einen hohen Wiederspielwert. Beecarbonize ist auf Englisch und Tschechisch Externer Link: kostenfrei auf der Website von Charles Games verfügbar und kann nach dem Download offline gespielt werden. Bis zum Erreichen eines erfolgreichen Spieldurchlaufs sind ein bis zwei Stunden nötig.
KurzinfosBeecarbonize
Genre: Kartenspiel, Strategie
Herausgeber: Charles Games
Plattform: PC, iOS, Android
Erscheinungsdatum: März 2023
USK: nicht geprüft
bpb-Empfehlung: ab 14 Jahren
Pädagogische Einschätzung
Die Herausforderung Klimakatastrophe ist vielschichtig. Beecarbonize schafft es, diese Komplexität und die bestehenden Interdependenzen anschaulich darzustellen ohne dabei die Spielenden zu überfordern oder emotional zu belasten. Die Integration der Kipppunkte macht dies deutlich: Ist das globale System zu lange im Ungleichgewicht und die Emissionsskala entsprechend strapaziert, werden Warnhinweise ausgesprochen. Der erste ist beispielsweise: „The world has warmed by 0,5-1 degrees Celsius, compared to the pre-industrial levels. You can expect natural disasters of a historically unprecedented extent.“ Das Konzept der Kipppunkte im Klimasystem wird greif- und sichtbar.
Der Fokus des Spiels liegt auf der Wissensvermittlung und der Strategiefindung für den Umgang mit klimaschädlichen Emissionen. Ein wichtiger Faktor dafür sind die insgesamt 120 Spielkarten, die wir in Beecarbonize kombinieren können. Durch sie wird die Lösungsorientierung der Spielenden gestärkt, denn hier lernen sie Erfindungen, Gesetze, gesellschaftliche Fortschritte oder alternative Wirtschaftsmodelle kennen. Das Spiel liefert eine Menge an Wissen, das in Zusammenarbeit mit führenden Klimaexpertinnen und -experten der NGO „People in Need“ im Rahmen des von der Europäischen Union finanzierten Projekts „1Planet4All“ gesammelt und zusammengefasst wurde. Weitere Informationen dazu finden sich auf der Homepage des Publishers Externer Link: Charles Games.
Analog zur aktuellen Klimadebatte stehen vor allem Kohlenstoffausschüttungen im Mittelpunkt des Spiels. Der Klimawandel ist jedoch nur eine von neun planetaren Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, um eine lebenswerte Zukunft für alle zu ermöglichen (Externer Link: BMUV, 2021). Auch der Verlust der Biodiversität oder die Gefährdung der biogeochemischen Flüsse stellen heute reale Bedrohungen dar - sie sollten daher einleitend und ergänzend im Unterricht bzw. dem Bildungsvorhaben thematisiert werden.
Wie treffen wir die richtigen Entscheidungen? Im Spiel Beecarbonize wird deutlich, dass Lösungen, die kurzfristig richtig erscheinen, langfristig katastrophale Folgen haben können. So spart eine Investition in Atomenergie zwar zunächst Kohlenstoffemissionen ein, erhöht aber das Risiko einer nuklearen Katastrophe. Das ist nur einer der Wege, auf die das Spiel das strategische Denken der Spielenden fördert. Zudem werden die Spielenden selbst mit Entscheidungsdilemmata konfrontiert und können sich dadurch besser in die Rolle von Entscheidungstragenden in Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft hineinversetzten. Daher bietet sich der Einsatz im Politik- oder Wirtschaftsunterricht an. In Kleingruppen können die Schülerinnen und Schüler einen Lösungsweg erarbeiten und anschließend ihre Abwägungen und letztendliche Strategie präsentieren. Zudem bietet sich eine moderierte Diskussion im Rahmen eines mehrtägigen Projektes an, in der einzelne Schüler/-innen als Vertreter/-innen der fünf goldenen Lösungen in den Austausch gehen. So kann zusätzlich die Argumentationskompetenz der Spielenden gefördert werden. In Referaten können die im Spiel angesprochenen Themen vertieft werden.
Das Spiel spiegelt sehr gut den aktuellen Stand der Klimadebatte wider. Verschiedene Lösungsansätze werden dabei oftmals als die einzig richtige Alternative verkauft. Doch der Klimawandel und andere globale Herausforderungen erfordern eine gegenseitige Befruchtung verschiedener Perspektiven. Im Unterricht sollten daher ebenjene verschiedenen Perspektiven sowie die damit einhergehenden Spannungen thematisiert werden. Das Spiel liefert dazu einen weiteren konkreten Diskussionsanlass. Wird der Entwicklungsweg der „No-Tech-Zivilisation“ gewählt, so wird man mit der Etablierung „indigenen Wissens“ konfrontiert. Dieses stellt das Spiel als Gegensatz zur modernen Technologie dar. Hier kann es sinnvoll sein, diese beiden Konzepte nicht als kompetitiv, sondern als komplementär zu diskutieren.
Die Herangehensweise an die Thematik ist durch die Präsentation und die Spielweise von Beecarbonize stark kognitiv geprägt. Ein ergänzender Raum für die psychologischen Folgen der Klimakatastrophe sowie den Umgang und das Erleben von Krisen wäre wünschenswert. Aufgrund der Komplexität des Themas und des erforderlichen Sprachniveaus in Englisch ist das Spiel für Jugendliche ab 14 Jahren spielbar.
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Lena M. Kaufmann studiert nachhaltige Wirtschaft im Master und war zuvor als Strategie- und PR-Beraterin tätig. Ihre Mission ist es, Menschen zu ermutigen, ihre eigene Stärke zu erkennen und Verantwortung für eine bessere Welt zu übernehmen.
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