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Pentiment | Games zur politischen Bildung | bpb.de

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Pentiment Rezension

Lutz Schröder

/ 6 Minuten zu lesen

In Pentiment erleben wir die Umwälzungen der Reformation im 16. Jhd. in einem bayrischen Dorf und einem Kloster. Dabei spielen wir einen Künstler, der Mordermittlungen durchführt und eine Druckerin, die die Geschichte des Ortes untersucht.

Aufgebrachte Bürger stecken eine Klosterbibliothek in Brand. Die Soldaten des Herzogs von Bayern greifen ein. (© Pentiment / Xbox Games Studios / eigener Screenshot)

Zusammenfassung

Pentiment gelingt ein sehr guter Spagat zwischen spannender Unterhaltung auf der einen und lehrreicher Geschichtsstunde auf der anderen Seite. Die Abwägungen der Protagonisten zwischen Recht und Unrecht besitzen zudem auch 500 Jahre später noch große Relevanz.

Pentiment spielt im frühen 16. Jhd. und damit zur Zeit der Reformation, als viele politische, religiöse und gesellschaftliche Umbrüche stattfanden. Der Protagonist des Spiels ist zunächst der junge Künstler Andreas Maler, der zum Ende seiner Wanderjahre das fiktive Dorf Tassing in den bayrischen Alpen besucht. Dort arbeitet er als Buchmaler im Skriptorium des dortigen Klosters, wo die Mönche in aufwändiger Handarbeit Bücher vervielfältigen. Im dritten Akt des Spiels wechselt der Protagonist zu Magdalena Druckeryn, die mit ihrem Vater Bücher und andere Schriftstücke anfertigt und damit in Konkurrenz zum Skriptorium steht.

Das Gameplay ist typisch für Adventures: Spielende interagieren mit der Welt, indem sie Charaktere ansprechen, Dinge betrachten, mitnehmen oder benutzen. Dabei fehlt jedoch das sonst oft verbreitete Inventar, sodass Andreas und Magdalena die wenigen Gegenstände, die sie mitnehmen können, automatisch verwenden, sobald dies notwendig wird.

Eine zweite Besonderheit von Pentiment ist der Grafikstil, der an gotische Gemälde angelehnt ist. Zusammen mit der Musik ergänzt er die Erzählung sehr gut, in dem er nicht nur dabei hilft, die Immersion in das 16. Jhd. zu vertiefen, sondern auch die Personen zu charakterisieren, auf die die beiden Protagonisten treffen. Obwohl Mimik und Gestik nur gering vorhanden sind, können Figuren und ihre Stimmung durch ihre Darstellung leicht unterschieden werden.

Der Baron (2.v.h.l.) möchte Luthers Ansichten beim Abendessen mit den Mönchen diskutieren. Diese reagieren verärgert. (© Pentiment / Xbox Games Studios / eigener Screenshot)

Die dritte Besonderheit ist die verzweigte Erzählung. Wo andere Adventures ihre Spielenden oft linear durch eine feste Folge von Ereignissen führen, bietet Pentiment eine Vielzahl an möglichen Abläufen. Die Beziehung zu Dorfbewohnern, Mönchen und Nonnen hängt davon ab, wie sich Andreas und Magdalena ihnen gegenüber verhalten und welchen Werdegang man zu Beginn für sie gewählt hat. Dies erhöht den Wiederspielwert und macht das Gameplay herausfordernd, weil der Eindruck entsteht, dass der Verlauf durch das eigene Verhalten beeinflusst werden kann.

Zu Spielbeginn müssen der Werdegang sowie Eigenschaften der Protagonisten ausgewählt werden. (© Pentiment / Xbox Games Studios / eigener Screenshot)

Die Handlung des Spiels ist in drei Akte unterteilt, die zu unterschiedlichen Zeiten spielen. Im ersten Akt wird ein Adliger während seines Besuchs in Tassing ermordet. Im zweiten Akt führt der Mord an einem Bauern zu einem Aufstand. Im dritten Akt hat Magdalena die Aufgabe übernommen, ein Wandgemälde fertig zu stellen, das die Geschichte Tassings zeigen soll, die der Spielende über die Ereignisse in den ersten beiden Akten mitgeprägt hat. Begleitende Nebenaufgaben tragen dazu bei, die vielen Figuren besser kennenzulernen. Über eine vertrauensvolle Beziehung zu den Dorfbewohnern, Mönchen und Nonnen, können diese überzeugt werden, möglicherweise relevante Details zu erzählen, die für den Abschluss des jeweiligen Aktes nützlich sein können.

Der Baron wurde im Kapitelsaal des Klosters ermordet. Andreas Maler muss den Fall aufklären. (© Pentiment / Xbox Games Studios / eigener Screenshot)

Trotz der Unterschiede ist den drei Akten gemein, dass die Lösung der Aufgaben ähnlich abläuft. Für die Aufklärung der Morde und die Auswahl der Motive für das Gemälde müssen sich die Spielenden also keine neuen Fertigkeiten aneignen. Durch die verzweigte Erzählung gestaltet sich dies anspruchsvoll, weil es meist nicht den einen richtigen Weg gibt. Stattdessen lassen sich viele verschiedene Sichtweisen erfahren, die einander oft widersprechen und nur teilweise mit Fakten untermauert werden können. Die Spielenden müssen also selbst entscheiden, welche Aussagen plausibel sind und ob sie bereit sind, mögliche Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu tragen. Für besonders wichtige Informationen, zum Beispiel ein Hinweis der einen Hauptverdächtigen entlastet, nutzt Pentiment so genannte Checks. Nur dann, wenn Andreas und Magdalena früher die richtigen Antworten ausgewählt haben, sind ihre Gesprächspartner bereit, ihre Information preiszugeben.

Über die 'Checks' berücksichtigt das Spiel frühere Dialoge und die Beziehung zwischen den Gesprächspartnern. (© Pentiment / Xbox Games Studios / eigener Screenshot)

Dieses System wird leider nicht näher erklärt, so dass zumindest am Anfang wahrscheinlich einige Checks fehlschlagen. Die Verbindung zwischen der Einblendung, dass sich eine Person etwas gemerkt habe, und dem späteren Check, wird jedoch deutlich, sobald die Einflüsse auf die Beziehung zur jeweiligen Figur aufgelistet werden. Jemanden zu beleidigen oder dessen Fachwissen anzuzweifeln wirkt sich beispielsweise negativ aus, während Lob und gemeinsame Ansichten zu einem Thema positiv wirken.

Obwohl Pentiment ein Tutorial fehlt und manche Details umfangreicher erklärt werden könnten, ist Einstieg einfach. Gerade zu Beginn gibt es nur wenige Herausforderungen, so dass Spielende Tassing und das Kloster in Ruhe erkunden und ihre Rolle in der Geschichte begreifen können. Auch geben die beiden Protagonisten oft kurze Kommentare dazu ab, was sie als Nächstes tun sollten. Eine Liste mit den Aufgaben und eine Karte der Spielwelt können jederzeit aufgerufen werden. Dies gilt auch für die hilfreichen Glossare zu allen Figuren, die man bereits getroffen hat und zu wichtigen Stichworten, die bei dem weit in der Vergangenheit liegenden Szenario helfen, wichtige Kontexte zu verstehen.

In Dialogen sind wichtige Begriffe und Personen unterstrichen. Ein Klick auf diese öffnet kurze Erklärungen. (© Pentiment / Xbox Games Studios / eigener Screenshot)

KurzinfosPentiment

  • Genre: Adventure

  • Herausgeber: Xbox Games Studios

  • Plattform: PC, Xbox One, Xbox Series X/S

  • Erscheinungsdatum: 15. November 2022

  • USK: ab 12 Jahren

  • bpb-Empfehlung: ab 15 Jahren

Pädagogische Einschätzung

Pentiment besitzt große Potentiale für die historische Bildung, weil es seinen Fokus auf Alltagsgeschichte legt und damit einen anschaulicheren Zugang bietet, als dies beispielsweise über Politik- oder Kirchengeschichte möglich wäre. Über die Dialoge und Glossare werden für die Spielenden Standeskonflikte ebenso verständlich präsentiert wie die sozioökonomischen Folgen des Lehnswesens und der unterschiedlichen Lebensweisen von Bauern, Handwerkern und vielen weiteren Gruppen. Auch die Rollenverteilung von Männern und Frauen im 16. Jhd. zeigt das Spiel anschaulich und lässt die Spielenden über die Protagonisten daran teilhaben.

Durch die Unterteilung der drei Akte in Unterkapitel, die zwischen 0,5 und 3 Stunden lang sind, lässt sich das Spiel zeitlich gut im Unterricht einsetzen. Zwar ist es nicht möglich, manuell zu speichern und so zu einem bestimmten Zeitpunkt zu beginnen, jedoch ließen sich Spielstände übertragen, um eine Szene vorzubereiten.

Die Gestaltung von Pentiment macht das Spiel zudem nicht nur für geschichtsinteressierte Menschen interessant, sondern auch für solche, die Krimis und Rätsel mögen. Über die Erzählung werden sie Teil einer dörflichen Gemeinschaft und müssen Entscheidungen treffen, die diese verändern werden. Dabei muss das eigene Urteil regelmäßig hinterfragt werden, wenn neue Indizien auftauchen. Nicht nur logisches Denken wird dadurch gestärkt, sondern durch die fehlende Vertonung der Dialoge auch die Lesekompetenz.

Gleichwohl sollten bei der Nutzung von Pentiment im Schulunterricht aber auch einige Punkte beachtet werden. So fallen etwa oft Schimpfworte, insbesondere wenn Andreas unfreundlich auftritt oder wenn sich Figuren hassen. Auch wenn Gewaltdarstellungen durch die Grafik abstrakt wirken, kommt es unter anderem zur Enthauptung eines Mordverdächtigen und es wird angedeutet wie Figuren lebendig verbrennen.

Daneben verlangen die anspruchsvollen moralischen Dilemmata differenzierte Abwägungen, die jüngere Kinder eventuell noch nicht leisten können. Insbesondere bei den Mordermittlungen durch Andreas muss dieser Verdächtige benennen, was deren Hinrichtung zur Folge haben kann. Aufgrund des Verhaltens des ermordeten Barons bei seinem letzten Besuch in Tassing gibt es beispielsweise eine Vielzahl an Figuren, die ein Motiv hätten. Die Spielenden müssen im Rahmen der von der Kirche durchgeführten Ermittlung genau abwägen, wem sie einen Mord zutrauen und wer es ihrer Meinung nach wahrscheinlich getan hat. Hierbei wird auch thematisiert, welche Folgen die Hinrichtung für die Angehörigen der verschiedenen Verdächtigen hätte. Die Spielenden verurteilen durch ihre Entscheidung womöglich auch die Familie des Verdächtigen zu Armut, wenn das Familienoberhaupt und ihr Ernährer nach der Aussage des Protagonisten hingerichtet wird.

Weniger dramatisch, dafür jedoch aus historischer Sicht sehr interessant, sind die Untersuchungen zur Geschichte Tassings und des Klosters, die Magdalena für ihr Wandgemälde durchführt. Die dabei aufgedeckten Details zeigen anschaulich, wie die Erinnerung der Vergangenheit nicht nur von gesicherten Fakten geprägt ist, sondern auch von mündlichen Überlieferungen und Entscheidungen bezüglich der Zumutbarkeit von Darstellungen für Dorfbewohner und Kirche, wenn neue Erkenntnisse etablierte Wahrheiten infrage stellen.

So besagt die offizielle Darstellung der (fiktiven) Kirche im Spiel, dass Tassing von Christen gegründet wurde und unter dem Schutz von Heiligen stehe. Dies widerspricht jedoch sowohl der Folklore, als auch archäologischen Funden in den römischen Ruinen, die Magdalena erkunden kann. Die Spielenden können frei entscheiden, wie sie die Vergangenheit im Wandgemälde präsentieren wollen, müssen jedoch ähnlich wie bei den Mordermittlungen die Konsequenzen beachten. So würde der Bruch mit christlichen Mythen beispielsweise die Einnahmen durch Pilgerreisende gefährden, auf die Dorf und Kloster angewiesen sind.

Fussnoten

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Dr. Lutz Schröder hat Geschichts- und Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt mediale Geschichte studiert. Sowohl in seiner Masterarbeit als auch seiner in seiner 2020 veröffentlichten Doktorarbeit beschäftigte er sich intensiv mit der Inszenierung von Geschichte in Computerspielen. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt er darin, wie Gamedesign mit historischen Inhalten kombiniert und von Gamern wie Wissenschaft gleichermaßen wahrgenommen wird. Besonders reizen ihn die Fragen, wie Spiele Interesse an Geschichtsthemen wecken und die Erinnerungskultur prägen können.