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Proteste gegen den Bau der A 49 in Hessen | Die Autobahn – Kampf um die A 49 | bpb.de

Die Autobahn – Kampf um die A 49 Hintergrund: Proteste gegen den Bau der A 49 "Ich bin sicher nicht objektiv. Ich versuche es." Arbeitsblätter Arbeitsblatt 1: Personen und Standpunkte Arbeitsblatt 2: Autobahnbau als Konfliktthema Arbeitsblatt 3: Protest und Widerstand Filmausschnitte Arbeitsblatt 4: Objektiv oder parteiisch? Hinweise für Lehrende Hinweise zu AB 1: Personen und Standpunkte Hinweise zu AB 2: Autobahnbau als Konfliktthema Hinweise zu AB 3: Protest und Widerstand Hinweise zu AB 4: Autobahnbau als Konfliktthema in der Politik Redaktion

Proteste gegen den Bau der A 49 in Hessen

/ 8 Minuten zu lesen

Der Ausbau der A49 in Hessen sorgt für Kontroversen: Während Befürworter auf wirtschaftliche Vorteile und Verkehrsentlastung hoffen, warnen Umweltschützer vor irreparablen Schäden. Der Fall zeigt exemplarisch die Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Infrastrukturprojekten und Klimaschutzzielen.

Der Dannenröder Forst wurde im Herbst 2019 aus Protest gegen geplante Rodungen von Umweltaktivisten besetzt. Im Dezember 2020 wurde die Besetzung durch einen Polizeieinsatz beendet. Szene aus dem Dokumentarfilm "Die Autobahn". (© stern film)

Die Autobahn 49 – Straßenbau mit Hindernissen

Der Bau der Bundesautobahn 49 (A 49) und deren Streckenführung sind seit den 1960er-Jahren umstritten. Ursprünglich sollte die A 49 von Kassel über Fritzlar nach Gießen führen und dann weiter über Bad Nauheim und Friedberg nach Frankfurt am Main. Die Pläne für die A 49 und für Bundesstraßen in der Region wurden jedoch immer wieder geändert, die ersten Abschnitte in den 1970er- und 1980er-Jahren gebaut. Nach der Fertigstellung eines Teilabschnittes bis Neuental kam der Weiterbau im Jahr 1994 zunächst völlig zum Erliegen. Besonders der Weiterbau der etwa 61 km langen Autobahnstrecke von Neuental nach Süden bis zum Anschluss an die A 5, die Kassel und Gießen auf kürzestem Weg verbinden soll, war jahrzehntelang stark umkämpft.

Die Interner Link: Planfeststellungsverfahren für diesen Streckenabschnitt, der sich in drei Bauabschnitte gliedert, zogen sich aufgrund von Klagen unter anderem von Naturschutzorganisationen und wegen fehlender Finanzierungszusagen des Bundes lange hin. Der Beschluss erfolgte 2012 durch das Land Hessen . Im Oktober 2015 wurde schließlich am bisherigen Autobahnende in Neuental mit dem ersten der drei Bauabschnitte begonnen, im Juni 2022 konnte er fertiggestellt und für den Verkehr freigegeben werden. Die damalige Große Koalition aus CDU/CSU und SPD hat den Bau der verbleibenden zwei Streckenabschnitte zum Anschluss an die A 5 im Dezember 2016 auf Grundlage des von ihr gefassten Bundesverkehrswegeplans 2030 gesetzlich beschlossen.

An diese Sach- und Rechtslage ist das Land Hessen gebunden. Der Koalitionsvertrag zwischen Bündnis 90/Die Grünen und der CDU in Hessen hielt sowohl 2013 als auch 2018 fest, dass die A 49 fertiggestellt wird. Die höchsten Gerichte haben abschließend entschieden, dass die Planungen für die A 49 rechtmäßig sind. Die letzten Klagen gegen den Weiterbau der Autobahn wurden im Sommer 2020 vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen, somit war der Planfeststellungsbeschluss von 2012 bestätigt und der Weg für den Baubeginn der letzten beiden Abschnitte frei. Bauherr und Eigentümer der Autobahn ist der Bund. Das Land Hessen führte die baulichen Maßnahmen bis Ende 2020 im Auftrag des Bundes (in sogenannter Auftragsverwaltung ) durch. Seit 1. Januar 2021 ist die Autobahn GmbH des Bundes zuständig für Planung, Bau und Betrieb.

Im Juli 2020 hat der Bund die Vergabe für den Bau und Betrieb der beiden letzten neuen Autobahnabschnitte als Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP) abgeschlossen. Der ÖPP-Vertrag, der mit dem Unternehmen STRABAG Infrastrukturprojekt GmbH abgeschlossen wurde, beinhaltet neben der Bauleistung auch Planung, Betrieb, Erhaltung und anteilige Finanzierung. Dafür erhält das Unternehmen später während des Betriebs Einnahmen aus der Lkw-Maut. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 30 Jahren . Öffentlich-Private Partnerschaften beim Autobahnbau sind in der Öffentlichkeit umstritten, da nicht klar ist, ob sie wirklich günstiger für die öffentliche Hand sind als ein Bau in staatlicher Hand. Diesen Punkt hatte auch der Bundesrechnungshof 2018 kritisiert.

Ein weiteres Konfliktthema ist auch der Grund- und Trinkwasserschutz während der Bauarbeiten. Das Verwaltungsgericht stellte in seinem Urteil 2020 Mängel in Bezug auf die wasserrechtliche Prüfung fest. Inzwischen wurden verschiedene Gutachten und Gegengutachten erstellt. Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen machen immer wieder auf Mängel und auf die Bedeutung des Grundwassers aufmerksam . Sie kritisieren unter anderem den hohen Wasserverbrauch für die Baustelle angesichts ausgeprägter Trockenheit und Dürreperioden sowie Schadstoffe, die durch die Bauarbeiten ins Trinkwasser gelangten.

Erforderliche Waldrodungen sorgen für Protest und Widerstand

Die geplante Autobahntrasse der A 49 führt durch drei Wälder: den Herrenwald, den Maulbacher Wald und den Dannenröder Forst. 85 Hektar Waldfläche sollen für den Autobahnbau gerodet werden, etwas mehr als ein Drittel davon im Dannenröder Forst. Es wird eine Versiegelung von insgesamt 123 Hektar Fläche mit Asphalt erwartet. Der Dannenröder Forst ist ein circa 1000 Hektar großer, etwa 250 Jahre alter und relativ gesunder Mischwald. Mit seinem hohen Anteil an Buchen und Eichen und einer großen Artenvielfalt gilt er als ökologisch sehr wertvoll. Der Wald ist in Besitz der Familie Schenck zu Schweinsberg.

Im Oktober 2019 wurde der Dannenröder Forst aus Protest gegen die geplanten Rodungen von Umweltaktivistinnen und -aktivisten besetzt. Sie errichteten Plattformen und Hütten in den Bäumen, Barrikaden auf dem Boden und ein Zeltlager und lebten über mehrere Monate vor Ort. Immer wieder kam es zu – auch gewalttätigen – Auseinandersetzungen mit der Polizei, wiederholt wurden Ausbaugegnerinnen und -gegner von der Polizei in Gewahrsam genommen. Es gab mehrere schwere Zwischenfälle im Zusammenhang mit den Protesten: Im Oktober 2020 seilten Aktivistinnen und Aktivisten sich von Autobahnbrücken in der Region Frankfurt und Wiesbaden ab und entrollten Transparente. Sie lösten mit den Aktionen Vollsperrungen und Staus aus, in deren Folge es zu zwei Unfällen mit Verletzten kam. Am 15. November 2020 stürzte eine Waldbesetzerin von einem meterhohen Gestell aus Baumstämmen, nachdem ein Polizeibeamter ein Sicherungsseil zu dem Baumgestell zerschnitten hatte.

Am 1. Oktober 2020 begannen Rodungsarbeiten zur Vorbereitung der Bauarbeiten, zunächst im Herrenwald und im Maulbacher Wald , später dann im Dannenröder Forst. Die Rodungsarbeiten wurden begleitet von einem der größten Polizeieinsätze in der Geschichte des Landes Hessen, mit 69 Einsatztagen und täglich bis zu 2000 Einsatzkräften. Die Waldbesetzung wurde im Dezember 2020 durch den Polizeieinsatz beendet. Alle Plattformen und Baumhäuser wurden entfernt, die Bäume gefällt. Mehrere Personen wurden bei dem Einsatz verletzt. Die Bauarbeiten für den letzten Bauabschnitt der A 49 zum Anschluss an die A5 bei Gemünden sollen im Herbst 2024 abgeschlossen werden.

Regionalkarte zum Konflikt um den Ausbau der A 49 in Hessen. (© dpa, dpa-infografik GmbH)

Für und Wider des Weiterbaus der A 49

Die A 49 stelle einen wichtigen Lückenschluss im deutschen und europäischen Fernstraßennetz dar, sagte der damalige hessische Verkehrsminister Posch 2012 bei Verkündung des Planfeststellungsbeschlusses . Befürworterinnen und Befürworter des Autobahnausbaus hoffen darauf, dass die Bundesstraßen in der Region entlastet werden. Dies betrifft insbesondere die Bundesstraße 3, die stark vom Lkw-Verkehr genutzt wird. Die Bundesstraßen führen zum Teil mitten durch die Orte, die Anwohnerinnen und Anwohner werden durch Lärm und Schadstoffe belastet. Vertretungen der Wirtschaft wie die Industrie- und Handelskammer Marburg sehen in dem Weiterbau der A 49 zudem Vorteile für die Unternehmen in der Region, weil sich die logistischen Voraussetzungen durch die bessere Verkehrsanbindung verbessern.

Der Bundestag hat sich 2016 mehrheitlich für den Weiterbau der A 49 ausgesprochen. In der Begründung der Bundesregierung heißt es unter anderem, das Projekt diene der Erschließung eines strukturschwachen Raums und führe zu einer Entlastung der wichtigen Durchgangsautobahnen A 5 und A 7. Aufgrund der günstigeren Steigungsverhältnisse und der kürzeren Streckenlänge gehe man von einer Verringerung der Abgas- und Umweltbelastungen aus. Die einzelnen Parteien vertreten jedoch sehr unterschiedliche Positionen in Bezug auf den Neu- oder Ausbau von Autobahnen und anderen Straßen.

Viele Bürgerinnen und Bürger, Klima- und Umweltschutzorganisationen wie NABU, BUND oder Greenpeace sind gegen den Weiterbau der A 49. Es entstand zudem das Aktionsbündnis „Keine A 49“, in dem sich verschiedene Umweltschutz-, Naturschutz- und Bürgerinitiativen in Mittelhessen zusammenschlossen. Die Initiative setzt sich dafür ein, dass das Arten- Natur- und Trinkwasserschutzgebiet erhalten bleibt und lehnt die Rodung des Waldes für den Autobahnbau ab. Die Initiative warnt auch vor der Lärmbelastung durch die Autobahn. Viele Gegnerinnen und Gegner betonen zudem die wichtige Rolle von Waldgebieten im Klimaschutz, da sie CO2 speichern. Wiederaufforstungsmaßnahmen können erst nach Jahrzehnten die volle Wirkung als CO2-Speicher entfalten.

Die Autobahngegnerinnen und -gegner rechnen nicht mit einer Entlastung der Verkehrswege in der Region Mittelhessen durch den Weiterbau der A 49, da vor allem der Güterverkehr mit Lastkraftwagen stetig zunimmt. Sie befürworten die Entwicklung und Umsetzung alternativer Verkehrskonzepte, die zum Beispiel auf mehr Gütertransport auf der Schiene setzen.

Proteste von Klimaschützern gegen große Infrastrukturprojekte

Seit die schwedische Schülerin Greta Thunberg 2018 mit ihrem „Schulstreik für das Klima“ großes Aufsehen erregte und in der Folge Millionen von Menschen im Rahmen von „Fridays for Future“-Demonstrationen auf der ganzen Welt auf die Straße gingen, hat die Klima- und Umweltschutzbewegung einen enormen Zuwachs erfahren. Verschiedene Gruppierungen setzen sich mit unterschiedlichen Mitteln zum Beispiel für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes, für ein Ende der Nutzung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas und gegen den Ausbau von Straßen und die Rodung von Wäldern ein.

Den Demonstrationen und Informations- und Kommunikationskampagnen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Fridays-for-Future-Bewegung haben sich auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Eltern, Umweltschutzorganisationen etc. angeschlossen. Es gibt zudem Gruppierungen wie „Ende Gelände“, „Extinction Rebellion“ oder „Interner Link: Aufstand der letzten Generation“, die in ihren Protestformen weiter gehen und etwa mit Straßen-, Gebäude-, Gelände- oder Waldbesetzungen und Blockaden zivilen Ungehorsam leisten und auch gegen Gesetze verstoßen. Auch Sabotageakte oder Gewalt gegen Dinge und Menschen kommen vor. Die Gruppierungen protestieren etwa gegen Energiekonzerne wie RWE und die Fortsetzung des Braunkohleabbaus, die mit der Räumung und Zerstörung des Ortes Lützerath in Nordrhein-Westfalen einhergingen. Extinction Rebellion und die „Letzte Generation“ wollen mit ihren Aktionen eine Verschärfung der Klimaschutzmaßnahmen erreichen und die Regierungen zu entschiedenerem Handeln bewegen.

Orte wie der Hambacher Forst und Lützerath in Nordrhein-Westfalen oder der Dannenröder Forst wurden zu Symbolen der Klimaschutzbewegung. Dort entstanden Camps, Hüttendörfer und Baumhaussiedlungen, in denen Aktivistinnen und Aktivisten über Monate und Jahre lebten. Häufig wurden sie unterstützt von Menschen aus der Region, von Bürgerinitiativen, Umweltorganisationen und auch von Politikerinnen und Politikern verschiedener Parteien. Zu Events und Demonstrationen kamen tausende Menschen aus der ganzen Bundesrepublik und auch aus dem Ausland, um gegen klimaschädliche Projekte zu protestieren und um sich für nachhaltige Energiegewinnung und Mobilität und die Reduzierung des CO2-Ausstoßes einzusetzen.

Bauprojekte und Verkehrsplanung als Konfliktthema in der Politik

Seit Dezember 2021 bilden SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam die Regierungskoalition auf Bundesebene. Bei den Themen Infrastrukturausbau und Verkehrspolitik gibt es immer wieder Auseinandersetzungen. Vor allem die Ziele von FDP und Bündnis 90/Die Grünen liegen in dem Themenfeld weit auseinander. Während die FDP dem Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen eine höhere Priorität einräumen möchte und beschleunigte Planungsverfahren befürwortet, lehnten die Grünen dies lange ab. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und seine Partei halten den Ausbau von Autobahnen für notwendig, um Deutschland als attraktiven Wirtschaftsstandort zu erhalten und Arbeitsplätze zu sichern. Wissing möchte, dass der Ausbau von Autobahnen künftig von „überragendem öffentlichen Interesse“ eingestuft wird, so wie bei erneuerbaren Energien geschehen, um Genehmigungsverfahren und die Umsetzung zu beschleunigen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und ihre Partei sehen einen schnelleren Ausbau von Autobahnen als kontraproduktiv, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will. Die Grünen wollen bevorzugt das Schienennetz ausbauen. Bezüglich der Autobahnen sprechen sie sich für eine Sanierung bestehender Abschnitte, inklusive Brücken, aus.

Im Koalitionsvertrag von Dezember 2021 heißt es: „Die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur müssen weiter erhöht und langfristig abgesichert werden. Dabei wollen wir erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren, um prioritär Projekte eines Deutschlandtaktes umzusetzen. Bei den Bundesfernstraßen wollen wir einen stärkeren Fokus auf Erhalt und Sanierung legen, mit besonderem Schwerpunkt auf Ingenieurbauwerke.“

Nach zähem Ringen zu Beginn des Jahres 2023 einigten die Koalitionspartner sich Anfang Mai 2023 dennoch darauf, dass es beschleunigte Genehmigungsverfahren für bestimmte Autobahnsanierungs- und -ausbauprojekte geben solle, um Engpässe zu beseitigen. Ihnen soll gesetzlich ein „überragendes öffentliches Interesse“ bescheinigt werden. Die Projekte wurden auf einer Liste zusammengestellt und Bundesverkehrsminister Wissing bat die Bundesländer um Zustimmung zu den Bauprojekten. Dies führte wiederum zu zahlreichen Diskussionen und stieß auch auf Ablehnung seitens der Länder.

Die politische und gesellschaftliche Debatte zum Thema Interner Link: Verkehr und Infrastruktur wird in den kommenden Jahren sicherlich intensiv fortgeführt. Sie hat eine hohe Brisanz, da der Bereich ein Interner Link: wichtiger Teil von Klimaschutzpolitik ist.

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