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"There is Nothing Finer than Bad Weather" | The Celluloid Curtain | bpb.de

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"There is Nothing Finer than Bad Weather"

Barbara Wurm

/ 6 Minuten zu lesen

Eine westeuropäische Großstadt, die Züge Berlins trägt: Unter einem Pseudonym heuert der bulgarische Superagent Emil Boev bei der Firma Zodiac an, die der Deckung eines Spionagerings dient. Boev ist ein Agent, wie er im Buche steht - smart, sexy und mit allen Waffen gewappnet. Rasch gewinnt er das Vertrauen seines Chefs Evans und versucht, den Spionagering auffliegen zu lassen. Seine Assistentin Edit treibt jedoch ein doppeltes Spiel?

Szenenfoto aus "There is Nothing Finer than Bad Weather". (© Bulgarska Nacionalna Filmoteka)

Der bulgarische Beitrag zu "The Celluloid Curtain" trägt den wunderbar lyrischen Titel Nyama nishto po-hubavo ot loshoto vreme / There is Nothing Finer than Bad Weather und ist zugleich einer der wunderbarsten und lyrischsten Filme der Reihe, bei dem die harten Zeichen des Kalten Krieges ebenso wie die genretypischen Ingredienzien des Agentenfilms deutlich in den Hintergrund rücken. Was dominiert, ist ein leichtes, cooles, an die Nouvelle Vague erinnerndes Schwarzweiß, das nur wenig scharfe Konturen, dafür aber umso subtilere Graustufen zu zeichnen weiß. Eine Stimmung, die nicht von in Gehirne zementierten Ideologiebausteinen, sondern von Lichteffekten, Liebesspielen und musikalischen Nuancierungen geprägt ist.

Der Film in DatenThere is Nothing Finer than Bad Weather

Originaltitel: Nyama nishto po-hubavo ot loshoto vreme
Bulgarien 1971, 129 Min., OmeU

Regie: Metodi Andonov
Darsteller: Georgi Georgiev-Getz, Elena Rainova, Kosta Tsonev u. a.

Die Geschichte wird bündig etabliert: Maurice Roland erhält eine Anstellung bei der Elektrofirma Zodiac, die – wie schnell klar wird – in Wirklichkeit die getarnte Operationsbasis eines Nachrichtendienstes ist. Im Gegenzug soll er Informationen über den Kommunismus liefern, denn wenn "dieser siegt, ist es mit unseren Anteilen und uns selbst zu Ende!". Maurice wiederum ist aber eigentlich der bulgarische Superagent Emil Boev und findet sich nicht nur in der westlichen Stadt, die Berlin doch sehr ähnlich sieht bzw. sehen soll, sondern auch bei Zodiac schnell zurecht. Obwohl er zusehen muss, wie Kundschafter-Kollege Lyubo mit seinem Leben bezahlt, weil er dem CIA-Netz auf die Spur gekommen ist, stellt Maurice bald wichtige Kontakte mit Firmenchef Evans, dessen Assistent Warner und dem Mitarbeiter Konrad Reimann her und entwendet am Ende wichtige Dokumente. Ein Happy End ist dies jedoch nicht, denn im Kern handelt die Geschichte von einer unbeschreiblich melancholischen Traurigkeit, vom (stets maskierten) Leben und der (verunmöglichten) Liebe in Zeiten wie diesen, Zeiten, in denen mit Schlechtwetter stets zu rechnen ist und man es sich nicht nehmen lassen sollte, wie Maurice räsoniert, vielleicht gerade darin sein Glück zu finden. Edith, die ihm zugeteilte Sekretärin – später wird klar, dass sie DDR-Agentin und demnach ohnehin auf seiner Seite ist –, sieht in dieser Haltung zwar eine "Philosophie der Resignation", findet aber den Song auch gut, dem die zum Lebensprinzip erhobene Devise "Es gibt nichts Schöneres als schlechtes Wetter" entnommen ist. So erleben die beiden ihre intimsten Minuten, als es in einer kargen Baumallee Schusterbuben regnet.

Dass dieser Regenliebesreigen an jene Freiheitsmomente im Sechziger-Jahre-Kino erinnert, auch und vor allem des osteuropäischen, an Boštjan Hladniks Ples v dežju / Tanz im Regen (YU 1961) etwa oder an Marlen Khucievs Jul´skij dozhd´ / Juliregen (UdSSR 1966), ist nicht von der Hand zu weisen und ganz bestimmt kein Zufall bei einem Regisseur, der bereits mit Byalata staya (BG 1968) auf sich aufmerksam machen konnte und auch in den Jahren nach Nyama nishto po-hubavo ot loshoto vreme – mit dem national und international gefeierten Koziyat rog / Das Ziegenhorn (BG 1972) sowie mit Golyamata skuka (BG 1973) – unter Beweis stellte, dass eine feine Autorenhandschrift nicht unbedingt ausschließen muss, vom Genrekino Ahnung zu haben. Metodi Georgiev Andonov (1932-1974) absolvierte Mitte der 1950er Jahre die Bulgarische Theaterhochschule (VITIZ "Kristo Sarafov") und war danach für die besten Jahre des Satirischen und später des Bulgarischen Theaters verantwortlich. Nach Koziyat rog galt er weltweit als der bulgarische Filmemacher. Seine Filme zeichnen sich durch einen besonderen Umgang mit großartigen Schauspielern aus. Besonders die Mimik des genialen Georgi Georgiev-Getz, der Emil Boev aka Maurice eine Menge Charme und auch eine Prise unterkühlter Sexyness verleiht, zeugt von der subtilen Souveränität, mit der hier das Agentengenre beherrscht und oft auch nur angetriggert und spielerisch kommentiert wird.

Nimmt sich der osteuropäische Spionagefilm ohnehin schon zurück, wenn es um Action geht – dies wäre sonst zu nah an der puren Unterhaltungsindustrie des Westens –, so gibt sich der 1971 entstandene Nyama nishto po-hubavo ot loshoto vreme auch im Verhältnis zu den meisten Produktionen aus dem "sozialistischen Lager" als weitgehend abgebrüht. An die Stelle unzähliger technischer Raffinessen tritt hier ein simples Binokel, das Maurice noch dazu verkehrt herum hält, um die aus der Dusche kommende Edith durch das Guckloch auf Distanz zu halten. Anders als im DDR-Klassiker For Eyes Only (1963, János Veiczi), der mit allen Mitteln, Akzenten und Voice-over versucht, den Sprachsalat der Spionage-Welten zu imitieren, wird hier ausschließlich Bulgarisch gesprochen. Statt auffälliger Unauffälligkeit, wie sie etwa in einem Dialog in For Eyes Only vorkommt – Hansen: "Darf ich Sie auf etwas aufmerksam machen?" / Frau: "Auf was?" / Hansen: "Auf mich!" –, dominieren hier nur zwischendurch verstreute Gesten des Selbstverständlichen: eine Waffe verschwindet im Portefeuille, Altnazis werden bestochen, Drähte durchgeschnitten oder Nachrichten in Zigarettenfiltern ausgetauscht. Galant, elegant, nebenbei. Nicht einmal seine Decouvrierung führt zu großem Aufruhr: Maurice lanciert da, dem moralischen Verfall bei Zodiac entsprechend ("Sie sind so korrupt, dass Sie für ihren eigenen Vorteil einen fremden Agenten hereingelassen haben"), seelenruhig eine perfekte Erpressungskampagne gegen Evans persönlich, der ihn leben lässt, während er interne 'Firmenmitarbeiter' als Mitwisser seiner doppelten Buchführung opfert.

Die Verve, mit der sämtliche Intrigen hier eingefädelt und fast schon als Hintergrundgeschichte der unmöglichen Liebe in Zeiten des Kalten Krieges erzählt werden, verdankt sich nicht nur dem gewitzten Schauspiel von Georgiev-Getz und der locker-lässigen, fast verspielten Kameraführung Dimo Kolarovs, sondern hat ganz offensichtlich auch viel mit der Drehbuchvorlage Bogomil Rainovs zu tun. Rainov (1919-2007), Lyriker, Schriftsteller, Kunsthistoriker, Parteimitglied ab 1944 und zwischen 1953 und 1960 Kulturattaché in Paris, galt trotz seiner berüchtigten Rolle als systemtreuer Hardliner bis zuletzt als überaus populärer Autor von Detektivgeschichten. Seine Emil-Boev-Serie war 'blockweit' Kult und mit seinem Schwarzen Roman (Chernyj roman) lieferte er sogar die literaturwissenschaftliche Analyse zu dem von ihm selbst forcierten Krimi-Genre. Als dem "Sozialistischen Realismus" verpflichteter Kulturpolitiker geächtet (unter anderem wurde er als "Unmensch" und "Menschenfresser" tituliert), als Ästhet prononciert wie umstritten (zwischen Theosophie, indischer Lebensethik und Humanismus-Auftrag stehend), konnte Rainov aufgrund seiner vergleichsweise großen Auslandserfahrung punkten, wenn es um präzise Beschreibung der Lebensweise in Städten wie Venedig, Genf, Lausanne, Paris, Kopenhagen oder London ging.

Mit Ausnahme einiger weniger Chronik-Szenen ist das 'Quasi-Berlin' in Nyama nishto po-hubavo ot loshoto vreme auf bulgarischem Boden gedreht. Es steht zwar den wunderbar altmodischen Lebenswelten in der Heimat gegenüber (dort machen Mädchen liebe Kreidezeichnungen, hinter Endlos-Lada-Reihen tauchen leicht verfallene Villen auf), wird aber nicht übertrieben karikiert, sondern mit viel Sympathie gezeichnet. Der Plüschteppich, auf dem sich Edith niederlässt, um Modejournale zu lesen oder Julie Driscoll auf den Plattenteller zu legen; die Hippieparty, bei der man mit Creedence Clearwater Revival "Down on the Corner, out in the Street" grölt; und auch die Bar, in der Edith und Maurice den traurigen Tunes von "Nyama nishto po-hubavo ot loshoto vreme" lauschen – hier wird immens viel 'Westluft' geatmet und das gar nicht sonderlich widerwillig. Kundschafterdasein mit Jazz-Flair und kongenialen Kompositionen von Boris Karadimchev. Das musikalisch stimulierte Philosophieren über ein Leben, in dem letztlich jeder zum Agenten wird, erfolgt so mit einem ernst-kritischen Auge in Richtung "Ende der Menschlichkeit". Dergestalt kommen Zeichen und Elemente in den Wahrnehmungskreis Osteuropas, die von Globalisierung, Internationalisierung und Universalismus künden.

Vergleicht man die Offenheit, Gelassenheit und Melancholie des Films mit anderen Ost-Agentenfilmen, so sticht hier schon ins Auge, dass es zu einem deutlichen Annäherungsversuch kommt, der nicht zuletzt zum Jahr 1971 passt, in dem die innerdeutschen Verhandlungen Fahrt aufnahmen, Truppenreduzierungen im Nordatlantikpakt festgelegt wurden und zwischen der BRD und der Sowjetunion ein Vertrag über den Gewaltverzicht und die Normalisierung der Beziehungen geschlossen wurde. Auch Bulgarien, der ansonsten vorbildlichste Bruderstaat, erfuhr damals eine kulturpolitische Öffnung, vor allem durch die Entdogmatisierung, die die Rainov-Freundin Lyudmila Zhivkova, Tochter des Staats- und Parteichefs Todor Zhivkov, erwirken konnte. Was "Kulturerneuerung unter nationalen wie kosmopolitischen Vorzeichen" bedeutete, zeigt Andonovs Film. Das Wort Kommunismus fällt ein einziges Mal, der Rest ist die künstlerisch bestechende Selbstverständlichkeit im Umgang mit den Topoi des Genres (und des Lebens bei Schlechtwetter). Kundschaften als kluges, trauriges Spazieren durch eine irgendwie vertraut-'feindliche' Landschaft. Von Bedrohung wenig zu sehen. Regnerische Blicke über die Mauer (zurück, Richtung Ostberlin): Ob Liebe dort so viel einfacher wäre?