1. Einführung: : Effekthascherei oder Filmwunder?
Einfach das Wetter verändern, ein paar Dinosaurier herbeizaubern oder eine Stadt in Flammen aufgehen lassen? Mit Spezialeffekten ist das kein Problem. Doch hinter der Filmbearbeitung verbirgt sich längst viel mehr als die erste Assoziation mit vorzeitlichen Wesen, Rauch, explodierenden Autos und Lärm vermuten lässt.
Ein Effects-Supervisor beginnt seine Arbeit – unabhängig davon, ob er klassische Spezialeffekte (SFX) oder visuelle Effekte (VFX) verantwortet – mit der genauen Drehbuchlektüre und einer akribischen Auflistung aller benötigten Effekte. Er plant ihre Umsetzung, organisiert erforderliche Technik und entsprechende Spezialfirmen, trifft Absprachen mit dem Stunt-Team und stimmt die Effekte auf den anvisierten 'Look' des Films ab. Gemeinsam mit Regisseur und Kameramann entwickelt er ihre dramaturgische Auflösung und veranschaulicht sie im Storyboard und den 'Animatics'.
Er ist wie der Regisseur an allen Phasen einer Filmproduktion beteiligt und die Grenze zur Arbeit der anderen Filmschaffenden ist oft fließend. Vom Szenenbild und Kostümbild über die Maske und Kamera bis hin zu Schnitt und Ton kommt der 'Supervisor' mit den verschiedenen kreativen Bereichen in Berührung. Obwohl er derart kontinuierlich und breit gefächert am Entstehungsprozess beteiligt ist, arbeitet er eher an den verborgenen Dingen. Wenn sein Beitrag auf der Leinwand – abgesehen vielleicht von Action-Kino, Science-Fiction- oder Horrorfilmen – nicht bewusst wahrgenommen wird, sondern sich stimmig in den Film einpasst, ist das die größte Anerkennung für die meisten Effektspezialisten.
2. Wissen: Entlang der Grenze von Fiktion und Realität
2.1 Historische Stationen der Effekttechnik
Um Spezialeffekte verstehen zu können, ist eine Beschäftigung mit der Entwicklung der Filmtechnik unabdingbar. Auch wenn Film seine Ursprünge in der Camera Obscura oder der Fotografie hat, laufen lernten die Bilder erst durch Projektion. Die Anfänge der Filmgeschichte, ausgehend von der Projektionskunst der Laterna Magica, zeigen deshalb zugleich die Anfänge der SFX.
2.2 Kleine Systematik der Spezialeffekte
Als Spezialeffekt bezeichnet man alle mechanischen und physikalischen Techniken, die es ermöglichen, reale Ereignisse filmisch zu simulieren, und die sich mit konventionellen Aufnahmen oder durch die Montage nicht realisieren lassen. Häufig werden unter SFX auch die visuellen Effekte gefasst. Genau genommen, besteht zwischen beiden jedoch ein wesentlicher Unterschied: Während SFX direkt am Set vor der Kamera erzeugt werden, erweitern VFX die filmische Realität erst in der Postproduktion, wenn das gedrehte Filmmaterial nachträglich noch einmal bearbeitet bzw. Effekte überhaupt erst digital hergestellt werden.
Zu den Spezialeffekten (SFX) zählen...
Häuserbrand, © 2005, teamWorx
Häuserbrand, © 2005, teamWorx
... sämtliche Pyrotechniken wie z.B. Brände oder Explosionen
Regenmaschine, © 2004, teamWorx
Regenmaschine, © 2004, teamWorx
... alle Wettererscheinungen wie Schnee, Regen, Wind usw.
VFX-Unit, © 2006, teamWorx
VFX-Unit, © 2006, teamWorx
zum Beispiel SFX-Bauten, um einen Sturm zu simulieren
Visuelle Effekte (VFX) unterteilt man in zweidimensionale VFX... (2D)
... Szenen, die mittels Blue-Screen- oder Green-Screen-Verfahren gedreht und anschließend durch Digital Compositing in den Film eingefügt werden.
© 2005, teamWorx
© 2005, teamWorx
Drehort mit 'Blue Screen'
© 2005, teamWorx
© 2005, teamWorx
'Blue Screen' ersetzt durch digitales 'Matte Painting'
...und dreidimensionale VFX (3D)
... digital generierte Miniaturbauten
© 1998, VFX-Unit
© 1998, VFX-Unit
Klassischer SFX-Trickeffekt (2D) mit dem Miniaturnachbau eines Flugzeugs
© 2005, teamWorx
© 2005, teamWorx
3D-Miniaturproduktion eines Flugzeugs
... unterschiedliche SFX-Sachtricks, die, um sie sowohl realitätsnäher, aber auch vielfältiger gestalten zu können, vielfach ebenfalls computeranimiert werden.
InfoWas ist "Digital Compositing"?
Das sog. 'Digital Compositing', eine Form der digitalen Bildbearbeitung am Computer, entwickelte sich allmählich aus der Arbeit der Effektspezialisten, die zuvor Projektionen und mechanischen Kopiertechniken verwendet hatten. Es beruht auf dem Zerlegen eines Filmbildes in seine einzelnen Bestandteile und wird in der Postproduktion angewandt, um getrennt voneinander aufgenommene oder erstellte filmische Elemente zu einem Bild zusammenzufügen. Das daraus entstehende, neue Filmbild gilt als visueller Effekt – obwohl auch die bereits am Set gedrehten Spezialeffekte nachträglich bearbeitet und mit anderen Elementen kombiniert werden können.
2.3 Arbeitsphasen eines 'VFX-Supervisors'
Da die Herstellung visueller Effekte den Anteil der am Set gedrehten Spezialeffekte deutlich übersteigt und aus den meisten Filmproduktionen kaum mehr wegzudenken ist, erfüllt ein VFX-Supervisor gleichermaßen beratende, organisatorische, aber auch künstlerische Aufgaben.
Drehbuchlektüre
Als Arbeits- und Diskussionsgrundlage
Wenn sich ein Produzent unsicher über die technische Realisierung einer Drehbuchpassage ist, tritt er in den meisten Fällen an einen VFX-Supervisor heran. Dieser liest zunächst das Drehbuch und entwickelt vor dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel seine künstlerische Vision.
Vorüberlegung
In Zusammenarbeit mit dem Regisseur und den kreativen Gewerken
Sofern die benötigten Effekte in der vorgegebenen Zeit realisierbar sind, trifft er gemeinsam mit der Regie und fast allen kreativen Gewerken in einem nächsten Schritt bereits erste Absprachen. Kommt beispielsweise ein Blue-Screen - Verfahren zum Einsatz, dürfen Kostümbildner und Ausstatter für die betreffende Szene natürlich keine blaue Kleidung oder Einrichtung vorsehen.
Auflösung
In Zusammenarbeit mit Regisseur und Kameramann
Um die Effekte stimmig an den 'Look' des Films anzupassen, legt der 'VFX- Supervisor' ihre szenische Auflösung und die Einstellungen fest, mit denen sie am Set gedreht werden sollen.
Prävisualisierung
Zur Kostenkalkulation und -kontrolle sowie für die exakte Planung der Drehabläufe am Set
'VFX-Storyboard', Zeichnung: © 2008, VFX Unit
'VFX-Storyboard', Zeichnung: © 2008, VFX Unit
Bereits in dieser frühen Phase wird die illustrierte Szenenbeschreibung "Das Flugzeug setzt hart auf dem mit einzelnen Dornbüschen bewachsenen Sandstreifen auf... – Kamerabewegung" um VFX-Beschreibungen für die Effektspezialisten der Postproduktion ergänzt: "3D: computergeneriertes/r Flugzeug und Staub – 2D:BG Plate: Sandpiste (bewegte Kamera mittels Motion Control) – GF Plate: Mann hinter Autotür (vor Green-Screen)"
Flugzeug-'Animatic', © 2008, teamWorx
Flugzeug-'Animatic', © 2008, teamWorx
Sogenannte Animatics, die das 'Storyboard' in groben Zügen digital umsetzen, vermitteln sowohl dem Regisseur, insbesondere aber auch dem Cutter bereits ein Gefühl für die Länge und die Verwendung des späteren Effekts.
Dreharbeiten
Als 'teilnehmender Beobachter'
Auch wenn notwendige Effekte am Set vom SFX-Supervisor und ggf. dem Stunt-Team verantwortet werden, ist der 'VFX-Supervisor' täglich vor Ort, um den Einsatz der Technik zu betreuen. Dabei achtet er darauf, dass Szenen, die er für Effekte benötigt, qualitativ hochwertig gedreht werden; er dokumentiert ihre Umsetzung und wählt bereits aus, welches Material sich später vermutlich verwenden lässt.
Postproduktion
Die Arbeitsphase der einzelnen VFX-Spezialisten:
Modelling Artist
Technical Director
Animation Artist
Lightning Artist
Compositing Artist
Während der Postproduktion, der zentralen Arbeitsphase der VFX-Artists, ist neben dem Regisseur vor allem die Zusammenarbeit mit dem Cutter sehr eng. Jetzt werden die vorab geplanten Effekte am Computer zunächst digital als Skelett modelliert, dann texturiert, d.h. mit einer Oberflächenstruktur versehen, und schließlich bewegt.
Flugzeug-'Modelling', Foto: © 2008, teamWorx
- Als JPG herunterladen (44.8kB)
Flugzeug-'Modelling', Foto: © 2008, teamWorx
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Spezialisten beleuchten das Objekt und setzen es im Digital Compositing wie ein Puzzle aus einzelnen Elementen zusammen, bis das vollkommen künstlich geschaffene Objekt perfekt als Realillusion erschaffen ist.
Abnahme
Durch 'VFX-Supervisor' und Regisseur
An den Effekten muss solange gefeilt werden, bis der VFX-Supervisor – der in erster Linie die Hochwertigkeit der Effekte garantiert – die Umsetzung freigibt und dem Regisseur zur endgültigen Abnahme vorlegt.
3. Unterrichtsmaterialien
- Interner Link: Anwendung Spezialeffekte/Animation
(PDF-Version: 452 KB) - Interner Link: Arbeitsblatt Spezialeffekte/Animation
(PDF-Version: 550 KB)
4. Weiterführende Literatur und Weblinks
vierundzwanzig.de: Externer Link: Interview mit Visual Effects Supervisor Alex Lemke
vierundzwanzig.de: Externer Link: Special Effects/Visual Effects/Animation (Link zum Gewerk auf 24 mit Interviewclips, Filmausschnitten und Hintergrundinformationen)
vierundzwanzig.de: Externer Link: Glossar (Von A wie Abspann bis Z wie Zwischentitel - Erklärungen zu allen Fachbegriffen des Dossiers)
movie college: Externer Link: Filmschule Filmtrick (Anschaulich aufbereitete Informationen zur kreativen Erzeugung von Tricks und Effekten mit alltäglichen Mitteln)
Flückiger, Barbara: Visual Effects. Filmbilder aus dem Computer, Marburg 2008 (Ein fundiertes und anschaulich geschriebenes Buch, das die Entstehung und Umsetzung visueller Filmeffekte beschreibt)