Frau Keppler, Ihre Arbeit als Kuratorin im Deutschen Filmmuseum kann man im weitesten Sinne ja als filmvermittelnd begreifen. Wie gehen Sie ganz grundsätzlich an die Konzeption einer Ausstellung heran? Welche Elemente, Artefakte und Präsentationsmöglichkeiten spielen dabei eine zentrale Rolle, um das Werk eines Filmemachers, die geschichtliche Entwicklung der Filmtechnik oder einen ästhetischen/thematischen Schwerpunkt von Filmen zu vermitteln?
Maja Keppler: Grundsätzlich trifft die Charakterisierung "filmvermittelnd" auf unsere Ausstellungen sicherlich zu. Man bewegt sich bei der Konzeption einer Ausstellung ja im Grunde auf einer Metaebene, in der man etwas zum Film, über Film, über das Kino veranschaulichen möchte. Abgesehen von der Vermittlungsfunktion thematisiert sich eine Ausstellung aber immer auch selbst als eigenständiges Medium. Bei der Konzeption arbeiten wir meistens auf verschiedenen Ebenen: Wir nutzen Originalgegenstände aus den Sammlungen, inszenieren Räume, initiieren interaktive Formen wie z.B. Spiele und stellen natürlich auch das bewegte Bild selbst aus. Die Vermittlung durch das Medium Ausstellung ist aus meiner Sicht dann gelungen, wenn ein spannendes Zusammenspiel von unterschiedlichen Ebenen entsteht, von didaktischen, inszenatorischen und interaktiven Elementen.
Uns interessieren besonders die audiovisuellen Filmvermittlungsformate im Bereich der Museumspädagogik, d.h. Filme oder ähnliche audiovisuelle Formen, die den Film, seine Geschichte oder seine Ästhetik vermitteln. In welchen Ausstellungen haben Sie mit solchen Formaten gearbeitet und in welcher Form haben Sie diese eingesetzt?
Maja Keppler: Hier muss man unterscheiden zwischen dem Einsatz in den Programmen der Museumspädagogik und dem Einsatz in Ausstellungen. Das sind unterschiedliche Bereiche, auch wenn es selbstverständlich Verbindungen gibt. Hauptsächlich arbeiten wir in den Ausstellungen mit den sogenannten Kompilationen, also der Zusammenstellung von Filmausschnitten. Dies kann zum Beispiel zu einzelnen Filmen - wie z.B. Stanley Kubricks "2001: A Space Odyssey"/ 2001: Odyssee im Weltraum - gemacht werden oder es werden thematische Kompilationen aus verschiedenen Filmen erstellt. Die Filmausschnitte sind ihrer Funktion nach Zitate und die werden bewusst ausgewählt. Sie dienen nicht der bloßen Vergegenwärtigung der Filme, sondern dazu, auf den Stil des Regisseurs, die Bildgestaltung, wiederkehrende Motive oder filmsprachliche Mittel hinzuweisen. Bei den Kompilationen der Maria Schell-Ausstellung haben uns beispielsweise die Arbeiten des Experimentalfilmers Matthias Müller dazu inspiriert, ihre Filme motivisch zu durchleuchten, also nach wiederkehrenden Momenten zu suchen, wie Tränen, Reisen oder Krankheiten. Über die Motivebene hinaus sollte dadurch auch der zeithistorische Kontext der 1950er-Jahre anklingen. Oft arbeiten wir auch mit Interviewsequenzen, wobei wir darauf achten, dass diese mehr Informationsgehalt als das durchschnittliche Making-Of einer DVD haben. Wenn möglich, beauftragen wir selbst ein Team, das die Interviews führt, so dass sie genau auf das Konzept der Ausstellung abgestimmt sind.
Und wird der Betrachter bei den Kompilationen an irgend einer Stelle darauf hingewiesen, mit welcher Intention das Material zusammengestellt wurde oder soll das anhand der Kompilation erkannt werden?
Maja Keppler: Da gibt es keinerlei Hinweise. In der Kombination mit den anderen Dingen in diesem Bereich der Ausstellung sollte sich die Intention hinter der Kompilation von selbst erschließen. Der Gedanke, den man sich zu der Kompilation gemacht hat, wird dem Besucher nicht mehr explizit erläutert, das soll offen bleiben.
Und haben Sie die Erfahrung gemacht, dass die Besucher dies zumeist verstehen, dass sie das Konzept hinter einer Kompilation erkennen und so etwas über Filme vermittelt bekommen oder nehmen sie es oft nur als audiovisuelle Bebilderung innerhalb der Ausstellung wahr?
Maja Keppler: Natürlich versuchen wir, die Kompilationen so zu gestalten, dass der Betrachter ihr Anliegen erkennen kann. Eine Blicklenkung ist von unserer Seite also durchaus erwünscht. Letztendlich haben die Filmausschnitte immer auch ein Eigenleben und die Besucher deuten diese vermutlich sehr unterschiedlich, ihnen fallen Sachen auf, die wir nicht unbedingt intendiert haben. Ich betrachte dies als einen schönen Nebeneffekt.
Und welche Erfahrungen haben Sie mit dem Einsatz von audiovisueller Filmvermittlung im Rahmen von Ausstellungen im Deutschen Filmmuseum gemacht?
Maja Keppler: Die audiovisuellen Formate sind gerade das Besondere an Filmausstellungen und es wird von den Besuchern absolut erwartet, Film in der Ausstellung vorzufinden. Generell zeigt die Erfahrung, dass das bewegte Bild eine starke Anziehungskraft hat, die Besucher werden innerhalb des Ausstellungsraumes sehr stark darauf gelenkt. Manche setzen sich gerne, andere bleiben stehen, manche gucken es sich komplett an, andere nur teilweise. Die Länge der Formate spielt eine entscheidende Rolle. Eine Station mit Kopfhörern, an der ein 45-minütiger Film läuft, ist wohl eher verschwendet. Es geht darum, auch eine räumliche Situation zu schaffen, die der audiovisuellen Filmvermittlung zuträglich ist. Mir fällt immer wieder auf, dass Großprojektionen im Raum die Leute darin unterstützen, über ihre Seherfahrungen zu reden und sich auszutauschen. Interaktive Stationen, so mein Eindruck, lösen bei älteren Besuchern eher Berührungsängste aus, das junge Publikum dagegen stürzt sich darauf.
Worin sehen Sie die Vor- oder Nachteile dieser Form der Filmvermittlung im Filmmuseum?
Maja Keppler: Prinzipiell ist es immer gut, wenn man eine weitere Ebene hat, über die man etwas vermitteln kann – wir arbeiten ja mit dem Text, dem Bild, manchmal auch rein auditiv. Film über Film und Filmsprache über das eigene Medium zu vermitteln, scheint adäquat. Ein weiteres Ziel des Einsatzes von Ausschnitten ist es, Lust auf eine Wiederbegegnung mit dem Film zu machen. Oftmals zeigen wir die kompletten Filme dann auch in einer ausstellungsbegleitenden Filmreihe im Kino. Wir verstehen unsere Ausstellungen also durchaus auch als Mittel, die Besucher für das Kino zu begeistern. Nachteilig ist bei der audiovisuellen Filmvermittlung primär immer der hohe Kosten- und Zeitaufwand.
Lassen Sie audiovisuelle Formate für Ihre Ausstellungen herstellen oder greifen Sie auf vorhandene Formen der audiovisuellen Filmvermittlung – wie z.B. die von Ihnen bereits erwähnten DVD Extras in Form von Making-Ofs oder analytischen Formaten – zurück? Gibt es hier einen Austausch der Filmmuseen untereinander?
Maja Keppler: Wenn wir es uns leisten können, kuratieren wir das Material gerne selbst. Dann konzipieren und führen wir die Gespräche, beauftragen ein Filmteam, einen Cutter etc.. Dadurch entsteht ein sehr passgenaues Zusammenwirken der verschiedenen Ebenen innerhalb der Ausstellung. Wenn aber Zeit und Geld eine Rolle spielen, arbeiten wir auch mit vorhandenem Material, von dem es auch durchaus sehr gutes, brauchbares gibt. Natürlich gibt es zwischen den Filmmuseen einen kollegialen Austausch in praktischen Belangen, z.B. darüber, wo die Rechte liegen und wer die Ansprechpartner sind. Bei Ausstellungsübernahmen können die bestehenden Kompilationen verwendet oder leicht adaptiert werden. Grundsätzlich arbeitet bei der Konzeption einer Ausstellung aber jedes Museum zunächst einmal an einem eigenen Ansatz.
Für welche Themen und inhaltlichen Aspekte eignen sich Ihrer Meinung nach audiovisuelle Formate besonders gut? Welche Aspekte lassen sich darüber besonders gut vermitteln und für welche Aspekte des Films sind andere Vermittlungsformen vielleicht zuträglicher?
Maja Keppler: Sehr gut vermitteln lassen sich die filmsprachlichen Elemente, wie z.B. Rauminszenierung, der Einsatz von Ton, Musik und Geräuschen oder Schnitt- und Montageformen. Aber auch Motive, Genres, Stil und Atmosphäre lassen sich anhand von Kompilationen gut darstellen. Weniger gut vermitteln lässt sich dagegen die Vor- und Frühgeschichte des Films. Wir folgen da dem Prinzip, dass wir Themen, die mit der Erfindung des Films zu tun haben, also mit einer Zeit bevor es Film gab, nicht durch Film vermitteln wollen.
Eine Möglichkeit der audiovisuellen Filmvermittlung im Museum könnte ja in der Zusammenstellung bestimmter Filmausschnitte zur Veranschaulichung der Handschrift eines Regisseurs oder den ästhetischen Merkmalen einer filmischen Epoche – wie z.B. der Nouvelle Vague, dem Neorealismus, dem New Hollywood – liegen. Gibt es da Probleme mit dem Copyright?
Maja Keppler: Man muss für jeden Ausschnitt, den man zeigen möchte, die Rechte recherchieren und das Nutzungsrecht erwerben. Es ist ein hoher Zeit- und Arbeitsaufwand und das, obwohl das Deutsche Filminstitut über ein breites Netzwerk verfügt und viele Rechteinhaber uns mit guten Konditionen entgegenkommen. Als Museum betonen wir unseren Bildungsauftrag und den kulturellen, nicht-kommerziellen Kontext, was manchmal hilfreich ist. Bei Sonderausstellungen handelt es sich zudem um eine zeitlich beschränkte Nutzung und ist dadurch kostengünstiger. Bei DVD-Rechten bieten wir den Firmen an, dass wir die Produkte an der Museumskasse bewerben oder zum Verkauf anbieten. Im Prinzip ist es dem Verkauf ja zuträglich, wenn wir Ausschnitte in der Ausstellung präsentieren.
Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, um den Einsatz audiovisueller Filmvermittlung im Rahmen von Museumsausstellungen einfacher zu gestalten?
Maja Keppler: Ideal wäre es natürlich, wenn das Bewegtbildmaterial für die nichtkommerzielle Nutzung frei wäre. Dies würde nicht nur Zeit und Geld sparen, sondern man würde auch bei der Konzeption viel freier und spielerischer mit den audiovisuellen Formaten umgehen.
Alain Bergala hebt in seinem Buch "Kino als Kunst" die DVD als Medium, das eine neue Art der Filmvermittlung ermöglicht, hervor. Inwieweit hat sich Ihre Arbeit durch dieses Medium verändert und haben sich Ihre Möglichkeiten in der kuratorischen Arbeit dadurch erweitert?
Maja Keppler: Mit der DVD hat sich so ziemlich alles verändert. Im Grunde ist mit der Verfügbarkeit der DVD im Ausstellungswesen ja sogar ein neues, wenn auch sehr kleines Berufsbild entstanden, jenes des Medienkurators. Unsere jetzige Dauerausstellung wurde vor dem Erscheinen der DVD gestaltet. Damals war es schlichtweg unmöglich, in dem Ausmaß wie heute mit Filmausschnitten zu arbeiten. Jetzt, da es vorhanden ist, gibt es keinen Grund mehr, das Bewegtbild außen vor zu lassen. Vielmehr bildet die Tatsache, dass das bewegte Bild allgegenwärtig ist, den zentralen Ausgangspunkt für unsere Überlegungen zur Dauerausstellung.
Ich möchte mich für das sehr interessante Gespräch bei Ihnen bedanken. Weiterhin viel Erfolg für Ihre filmvermittelnde Arbeit!
Das Gespräch führte Alejandro Bachmann.