STEFAN STILETTO ist Filmpädagoge und Filmjournalist. Er schreibt Filmkritiken und filmpädagogische Begleitmaterialien, hält Seminare und Fortbildungen und kuratiert Filmreihen. Er ist Redakteur der Onlineplattform Externer Link: Kinder- und Jugend-Filmportal. Für die Arbeitsgruppe Interkulturelle Filmbildung hat er gemeinsam mit Laura Zimmermann eine Fortbildung für Multiplikator/innen und Autor/innen in Berlin durchgeführt.
Die Filme seiner Empfehlungsliste lassen sich den folgenden thematischen Schwerpunkten zuordnen: "Identitäten“, "Soziale Vielfalt“, "Migration“, "Kultur-Bricolage“ und "Menschen unterschiedlicher Herkunft lernen sich kennen“. Ihm war es wichtig, Filme für Kinder und Jugendliche verschiedener Altersgruppen anzubieten, mit denen er in seiner Arbeit als Filmpädagoge bereits gute Erfahrungen gemacht hat. Ihn beeindrucken Filme, die Vielfalt repräsentieren, ohne diese thematisch in den Vordergrund der Handlung zu stellen.
Almanya – Willkommen in Deutschland
(D 2011, R: Yasemin Şamdereli, 101 Min.) Niemand will den sechsjährigen Cenk in der Mannschaft haben. Die türkischen Kinder nicht – denn er ist ja deutsch. Und die deutschen Kinder nicht – denn er ist ja türkisch. Beides stimmt. Aber das hilft Cenk in dieser Lage auch nicht weiter. Seine Familie lebt seit den 1960er-Jahren in Deutschland. Als Gastarbeiter wollten sie nur kurze Zeit bleiben. Doch in die Türkei zurückgekehrt sind sie letztlich nicht. Erst jetzt, im Alter, will Cenks Opa noch einmal die Reise zurück in seine Heimat antreten, in der er spontan ein Haus gekauft hat. So macht sich die gesamte Familie auf den weiten Weg nach Anatolien. Und Cenk erfährt durch viele Geschichten, wie es seinen Eltern damals als Fremde in Deutschland ging – und wohin er wirklich gehört.
Quelle: Externer Link: https://www.migration-im-film.de/film/almanya_willkommen_in_deutschland
Themenschwerpunkt: Migration. Ein locker-leichtes Spiel mit Klischees, das die verschiedenen Generationen einer türkisch-deutschen Migrantenfamilie abbildet und durch seinen warmherzigen Humor zu Diskussionen einlädt.
Altersfreigabe: freigegeben ab 6 Jahren
Altersempfehlung: ab 12 Jahren
Originalsprachen: Deutsch, Türkisch
Billy Elliot – I Will Dance (Billy Elliot)
(GB 2000, R: Stephen Daldry, 106 Min.)
Wille zur Selbstbehauptung und Durchsetzungskraft sind die Eigenschaften, die nach Auffassung des Witwers Elliot in der rauen politischen Wirklichkeit der nordenglischen Bergarbeiterstreiks in den achtziger Jahren zum Erfolg verhelfen. Deshalb schickt er seinen 14-jährigen Sohn Billy trotz erheblicher finanzieller Schwierigkeiten in den Boxunterricht, während er und sein ältester Sohn Tony gegen die Schließung der örtlichen Kohleminen kämpfen. Billys offensichtliche musische Begabung unterdrückt er nach besten Kräften. Dieser gerät jedoch zufällig in eine Ballettstunde, fängt Feuer und arbeitet auch nachdem er vom Vater entdeckt und bestraft wird leise und beharrlich an seiner Tanztechnik und schafft es schließlich, seinen Vater zu überzeugen.
Quelle: Externer Link: https://www.schulkinowochen-hessen.de/filme/billy-elliot-i-will-dance/
Themenschwerpunkt: Identitäten. Die Erwartungen der Eltern und Klischees über Homosexualität treffen auf die zarte Suche nach dem eigenen Weg des jungen Protagonisten. Dabei geht es dem Film nicht um Zuweisungen zu einem Geschlechtsempfinden, sondern lediglich um das Erfühlen der eigenen Identität, das "sich wohl fühlen“ in sich selbst, ohne die Meinung der Anderen zu sehr zu beachten.
Altersfreigabe: freigegeben ab 6 Jahren
Altersempfehlung: ab 10 Jahren
Originalsprachen: Englisch
Childish Gambino: This is America
(USA 2018, R: Hiro Murai, 4 Min.)
Im Vordergrund wild tanzende Menschen, im Hintergrund Mord und Totschlag: Mit seinem gesellschaftskritischen Video zum Song THIS IS AMERICA begeistert US-Musiker Childish Gambino, hinter dem der Künstler Donald Glover steckt, das Internet. In dem 4-minütigen Clip, der in einer Lagerhalle gedreht wurde, prangert Glover die Oberflächlichkeit sozialer Medien, die Polizeigewalt in den USA, die lockeren US-Waffengesetze und den Rassismus gegenüber Afro-Amerikanern an.
Quelle: Externer Link: https://www.tagesspiegel.de/
Themenschwerpunkt: Identitäten. Eine bitterböse Abrechnung mit Rassismus, formuliert aus einer brachialen Gegenkultur heraus, unversöhnlich, schockierend. Ein Spiel mit Querverweisen, das bekannte Symbole aufgreift und in Frage stellt. Das schnelle, kurze Format des Musikvideos ist dabei für die Filmbildung ein zugängliches und oft unterschätztes Medium.
Altersfreigabe: nicht geprüft
Altersempfehlung: ab 16 Jahren
Originalsprachen: Englisch
Das Schloss im Himmel (天空の城ラピュタ)
(J 1986, R: Hayao Miyazaki, 124 Min.)
Das Mädchen Sheeta ist im Besitz eines magischen Kristalls, der den Weg nach Laputa weist, einem sagenumwobenen Schloss im Himmel. Dort soll es unvorstellbaren Reichtum und eine geheimnisvolle Technologie geben, mit der sich die Welt beherrschen lässt. Sowohl eine Bande von Himmelspiraten, als auch die Armee und der Regierungsagent Musca fahnden deshalb schon lange nach Laputa - und machen sich auf die Jagd nach Sheeta und dem Kristall. Auf der Flucht vor ihren Verfolgern trifft sie auf den Jungen Pazu, der auf den Spuren seines Vaters ebenfalls das Schloss im Himmel zu finden hofft. Gemeinsam begeben sie sich auf ihre abenteuerliche Reise, die zu einem Katz-und-Maus-Spiel wird, und auf der die beiden ihren Mut unter Beweis stellen müssen, fantastische Dinge sehen und unerwartete Freundschaften schließen werden. Quelle: Externer Link: https://www.cineimage.ch/film/laputacastleinthesky/
Themenschwerpunkt: Kultur-Bricolage. Ein Potpourri kultureller Einflüsse: Japanischer Anime trifft auf eine englisch anmutende Landschaft, in der eine Handlung stattfindet, in der sich Elemente aus "Gullivers Reisen“, aus Jules Vernes Romanen und aus japanischen Animes vermischen.
Altersfreigabe: freigegeben ab 6 Jahren
Altersempfehlung: ab 8 Jahren
Originalsprachen: Japanisch
Fightgirl Ayşe (Fighter)
(DK/SWE 2007, R: Natasha Arthy, 100 Min.)
Die Schule hat die türkischstämmige Dänin Ayse beinahe abgeschrieben. Ginge es nach ihrem Vater, dann müsste sie für die Abiturprüfungen büffeln und ein Medizinstudium antreten, so wie ihr erfolgreicher Bruder Ali. Doch Ayse denkt nicht im Traum daran, sondern trainiert Kung-Fu. Und das mit großem Erfolg. Meister Sifu erkennt ihr Talent. Er stellt Ayse einen seiner besten Schüler als Partner zur Seite. Das Ganze muss geheim bleiben, denn für Ayses konservativen Vater ist es unvorstellbar, dass sie zusammen mit jungen Männern Sport treibt. Irgendwann fliegt die Heimlichtuerei auf. Der Familien-Zoff ist gewaltig. Dennoch findet Ayse ihren Weg, nicht nur ihre sportlichen Ziele zu verwirklichen, sondern auch ihren Träumen und Gefühlen zu folgen, ohne dabei Schule und Familie links liegen zu lassen.
Quelle: Externer Link: https://www.migration-im-film.de/film/fightgirl
Themenschwerpunkt: Menschen unterschiedlicher Herkunft lernen sich kennen. Ein Mädchen blüht im männerdominierten Kung-Fu auf, während ihr türkischer Vater sich eine traditionellere Rolle für sie wünscht. Die Unsicherheiten des Trainingspartners werden gespeist von Vorurteilen und münden schließlich doch in einer geglückten Begegnung. Das dänisch-türkische Original wurde in der Synchronfassung leider sehr uninspiriert eingedeutscht.
Altersfreigabe: freigegeben ab 12 Jahren
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Originalsprachen: Dänisch, Türkisch, Englisch, Mandarin
Moonlight
(USA 2016, R: Barry Jenkins, 151 Min.)
In MOONLIGHT erzählt Regisseur Barry Jenkins die berührende Geschichte von Chirons Heranwachsen, aufgeteilt in drei Kapitel. Wir begegnen Chiron zuerst als schüchternem, in sich gekehrten Zehnjährigen, der von seinen Mitschülern gehänselt und verächtlich "Little“ genannt wird. Ausgerechnet der in der Nachbarschaft gefürchtete Drogendealer Juan avanciert zu seinem Ziehvater. Er schenkt dem Jungen die Aufmerksamkeit und Geborgenheit, die Chiron zu Hause schon lange nicht mehr bekommt, und zeigt ihm, was Vertrauen bedeutet: zu anderen und in sich selbst.
Quelle: Externer Link: https://www.fluter.de/moonlight-filmkritik
Themenschwerpunkt: Identitäten. Ein Gegenbild zu dem vorherrschenden weißen und fröhlichen Amerika der Gewinnertypen. Der Film gibt einen Einblick in das Aufwachsen in der afroamerikanischen Community von Miami mit einem warmherzigen Blick auf Charaktertypen. Einfühlsam wird die innere Zerrissenheit des Protagonisten zwischen harter Dealerfigur und sensiblem, homosexuellem Partner portraitiert.
Altersfreigabe: freigegeben ab 12 Jahren
Altersempfehlung: ab 16 Jahren
Originalsprachen: Englisch
Rhythmus im Kopf
(D 2004, R: Axel Ranisch, 3 Min.)
Körperkult verrecke! Mit Rhythmus im Kopf, Ravels Bolero und einem Taschentuch bewaffnet zeigt uns ein Dicker die neue Esthätik.
Quelle: Externer Link: https://www.deutscher-jugendfilmpreis.de/filme.html?id=906&j=2006
Themenschwerpunkt: Identitäten. Ein kurzer Film, der dazu herausfordert, sich mit Schönheitsidealen auseinanderzusetzen, mit seinen eigenen Vorurteilen, Erwartungen und Wertmaßstäben. Wie finde ich das, was ich dort sehe? Wer bestimmt eigentlich, was schön ist? Wie ehrlich bin ich mit mir selbst und meiner Wahrnehmung? Ein Film, der zu Selbstermächtigung und innerer Ehrlichkeit ermutigt.
Altersfreigabe: nicht geprüft
Altersempfehlung: ab 16 Jahren
Originalsprachen: keine gesprochene Sprache
Rico, Oskar und die Tieferschatten
(D 2014, R: Neele Vollmar, 96 Min.)
Auch wenn er sich allen als "tiefbegabt“ vorstellt: Dieser Rico ist absolut kein Dummkopf, ganz im Gegenteil. Da sein Gehirn halt öfter mal Bingo spielt, muss der Zehnjährige mit ganz besonderen Strategien auf die Herausforderungen reagieren. Was Rico aber wirklich fehlt, ist ein Freund. Doch dann trifft er den hochbegabten Oskar, und mit vereinten Talenten geht’s durch Berlin, um einem mysteriösen Kindesentführer das gemeine Handwerk zu legen. Einzigartig in ihrer Verschiedenheit, urkomisch und dabei absolut ernsthaft: Der mit dem Merk-Recorder ausgestattete Rico und der aus strengen Sicherheitsgründen stets Helm tragende Oskar sind ein Traumpaar.
Quelle: Externer Link: https://www.filmernst.de/Filme/Filmdetails.html?movie_id=309
Themenschwerpunkt: Soziale Vielfalt. In diesem Film wird die soziale Vielfalt der Bevölkerung abgebildet, ohne sie zu Problematisieren. Der junge Rico wohnt mitten auf dem Berliner Kiez, seine Mutter arbeitet im Rotlichtmilieu, sein Vater existiert nicht. Kindgerecht und ohne erhobenen Zeigefinger wird aus der uns umgebenden, nicht immer perfekten Realität berichtet.
Altersfreigabe: freigegeben ohne Altersbeschränkung
Altersempfehlung: ab 8 Jahren
Originalsprachen: Deutsch
Roads
(D/F 2019, R: Sebastian Schipper, 99 Min.)
Gyllen ist genervt. Von dem gemeinsamen Familienurlaub in Marokko, auf den er keine Lust hatte – aber vor allen Dingen von seinem Stiefvater, den er nicht akzeptieren kann. Und so entschließt sich der 18-jährige junge Mann eines Nachts, sich das Wohnmobil der Familie "auszuleihen“, um damit nach Frankreich zu seinem Vater zu fahren. Unterwegs trifft Gyllen auf William, der aus dem Kongo kommt und auch nach Europa will, um seinen Bruder zu suchen. Dieser hat es als Flüchtender nach Frankreich geschafft – aber nun fehlt jedes Lebenszeichen. Und obwohl Gyllen und William unterschiedliche Beweggründe haben, um an ihr Ziel zu gelangen, so stellen doch beide fest: Erreichen können sie es nur, wenn sie zusammenhalten.
Quelle: Externer Link: https://www.fbw-filmbewertung.com/film/roads
Themenschwerpunkt: Menschen unterschiedlicher Herkunft lernen sich kennen. Das Roadmovie, das das Kennenlernen eines Kongolesen und eines Briten schildert, betont die Ähnlichkeiten der beiden jungen Protagonisten auf ihrer gemeinsamen Reise von Afrika nach Europa. Beinahe nebenbei wird die gegenwärtige Situation von Flüchtlingen in Europa geschildert.
Altersfreigabe: freigegeben ab 6 Jahren
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Originalsprachen: Englisch, Spanisch, Französich, Deutsch, Lingala, Arabisch
Tomboy
(F 2011, R: Céline Sciamma, 84 Min.)
Ein Film über sexuelle Identität, gesellschaftliche Konvention, soziale Zuschreibung und Selbstbestimmung: Die zehnjährige Laure hat etwas sehr Jungenhaftes an sich. Vor kurzem ist sie mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester Jeanne in eine neue Umgebung gezogen. Nun ist es Sommer, und all die anderen Kinder aus der Nachbarschaft spielen zusammen im Freien – nur Laure ist allein, denn sie kennt hier niemanden unter den Gleichaltrigen. Doch dann begegnet sie eines Tages Lisa, einem Mädchen, das etwa ebenso alt ist wie sie selbst. Laure lässt ihre neue Bekanntschaft in dem Glauben, sie sei ein Junge. Aus Laure wird Mikaël, und nachdem diese "Verwandlung“ geglückt ist, fängt sie an, auch mit den anderen Kindern aus der Nachbarschaft zu spielen. Doch im Laufe der Zeit wird Laures Verhältnis zu Lisa immer enger, was die Zweideutigkeit ihrer Lage immer komplizierter macht.
Quelle: Externer Link: http://peripherfilm.de/fsk-kino/archiv/Tomboy.html
Themenschwerpunkt: Identitäten. Ein Kinderfilm, der die Suche nach der eigenen Identität als Spiel inszeniert. Ohne zu bewerten, ohne Begriffen wie "Transsexualität“ überhaupt eine Rolle zuzuweisen, wird dem Experiment des Identitätswechsels Raum gegeben, und dabei klug und unaufdringlich dazu angeregt, über Geschlechterrollen nachzudenken.
Altersfreigabe: freigegeben ab 6 Jahren
Altersempfehlung: ab 10 Jahren
Originalsprachen: Französisch