RABIH EL-KHOURY ist Kurator arabischer Filmprogramme für Festivals und Förderprogramme in Europa und der arabischen Welt, darunter die Beirut Cinema Days und das Arabische Filmfestival Berlin Alfilm. Er ist Jury-Mitglied des Film Prize der Robert-Bosch-Stiftung, Mitarbeiter des Kulturvereins Beirut DC zur Förderung des arabischen Films und Programm-Manager des Talents Beirut. Er ist Mitglied des Verwaltungsrates des Metropolis Art Cinema in Beirut, des einzigen Art-House Kino im Libanon. Seit 2019 ist er Diversity-Manager beim DFF-Deutsches Filminstitut & Filmmuseum. Er lebt seit fünf Jahren in Deutschland.
Rabihs Filmliste gibt einen aktuellen Überblick über zeitgenössische Filmemacher/-innen aus der "arabischen Welt“, die weder als uniformer Kulturkreis betrachtet werden, noch auf die stereotypen Themen des Krieges oder der "Islamisierung“ beschränkt werden sollte. Dabei handelt es sich nicht um die nach cineastischen Gesichtspunkten "besten Filme“ des arabischen Kinos, sondern um die für den Kontext der Diversität am relevantesten. Mehr als die Hälfte der Titel sind Debutfilme und sie vereint ihre thematische Verortung in den Begegnungen und Konflikten des "Dazwischen“: interkulturell, intergenerationell, interpersonell. Alle Filme liegen mit deutschen oder englischen Untertiteln vor.
Coma
(SYR/LBN 2015, R: Sara Fattahi, 96 Min.)
Großmutter, Mutter und die filmende Enkelin in einer äußerlich noch heilen Wohnung in Damaskus, wo sich der Krieg längst tief in die Seelen der Bewohnerinnen eingesenkt hat. Kaffeetrinken, Rauchen, Beten, endlose Soaps und Lageberichte im TV: Dem inneren Belagerungszustand begegnet die Kamera mit einer delikaten, intimen Poetik der Ermattung, jäh unterbrochen von heftigen, wie aus dem Unbewussten heraufdrängenden Schnittfolgen – ein ästhetisches Aufbegehren der Jüngeren gegen den sie umgebenden Dämmerzustand. Das Gesicht der Mutter wie versteinert, und doch glaubt man ihr, wenn sie sagt, in ihrem eigenen Haus, dem zerbombten, habe sie sich wie eine Königin gefühlt.
Quelle: Externer Link: https://www.viennale.at/de/film/coma
Ein sehr ehrlicher, mutiger und persönlicher Film, der seinem Publikum einiges abverlangt und kein "Einstiegsfilm“ zum arabischen Kino sein sollte. Drei Frauen, drei Generationen, eingeschlossen in ein Haus in Damaskus. Durch den Lockdown der Corona-Krise ist dieses Setting fast nachvollziehbar – man füge hier jedoch Krieg, Bombenhagel und völlige Abgeschlossenheit von der Außenwelt hinzu.
Altersfreigabe: nicht geprüft
Altersempfehlung: keine Angabe
Originalsprachen: Arabisch
Last Visit (Akher Ziyarah)
(SA 2019, R: Abdulmohsen Aldhabaan, 76 Min.)
Nasser befindet sich gerade auf dem Weg zu einer Hochzeit, als er erfährt, dass sein Vater im Sterben liegt. Kurzerhand ändert er seine Pläne und macht sich mit seinem pubertären Sohn Waleed auf in das Dorf, wo sein Vater lebt. Auf ihrem Weg begegnen sie vielen Menschen und im Verlauf der Reise verändert sich auch ihr Verhältnis zueinander.
Quelle: Externer Link: https://www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/last-visit-2019
Ein junger Filmemacher aus Saudi-Arabien berichtet in seinem ausschließlich mit männlichen Darstellern besetzten Debutfilm von Patriarchat und Tradition, und von den Herausforderungen der neuen Generation.
Altersfreigabe: nicht geprüft
Altersempfehlung: keine Angabe
Originalsprachen: Arabisch
My English Cousin
(CH/QAT/ALG 2019, R: Karim Sayad, 82 Min.)
2001 erreicht Fahed das Vereinigte Königreich, den Kopf voller Träume. 2018, angesichts einer Midlife-Krise, muss er nun eine Entscheidung treffen. Wird er sich weiterhin beugen, und 50 Stunden lang zwischen dem Dönerladen und der Fabrik arbeiten, oder wird er nach Algerien zurückkehren, einem Land, aus dem er in der Hoffnung geflohen ist, sich ein besseres Leben zu ermöglichen?
Quelle: Externer Link: https://www.swissfilms.ch/de/film_search/filmdetails/-/id_film/D9EB9CD85AAA4C3997C762B4B5D218A2
Was ist Heimat? Wo gehöre ich hin? Wer bin ich? Als nach England emigrierter Algerier fühlt sich der Protagonist nicht als Brite, aber zurück in Algerien auch nicht mehr algerisch. Ein sensibler Dokumentarfilm, der es schafft, ohne Schuldzuweisungen auszukommen.
Altersfreigabe: nicht geprüft
Altersempfehlung: keine Angabe
Originalsprachen: Arabisch, Englisch
Omar Gatlato
(ALG 1976, R: Merzak Allouce, 90 Min.)
Omar ist ein junger, lebhafter Algerier mit einem guten Job, der in einer überfüllten Wohnung mit seinen Schwestern, seiner Mutter und den Großeltern lebt. Er liebt es arabische und indische Musik zu hören, mit seinen Freunden zu feiern und von Frauen zu träumen. Ein Freund von ihm gibt ihm eine Kassette; als er sie anhört, ist er von der Stimme der Frau fasziniert. Derselbe Freund arrangiert für ihn ein Treffen mit dieser Frau, die völlig anders ist als er sich vorgestellt hat, als er ihre Stimme gehört hat.
Quelle: Externer Link: https://www.film.at/omar-gatlato
Ein Klassiker des arabischen Kinos, dessen Titel wortwörtlich übersetzt bedeutet "Omar wurde von seiner Männlichkeit getötet“. Ein Film, der große Konzepte hinterfragt, und dabei ein erstaunlich offenes Algerien der 70er Jahre vorstellt. Die Welt hat sich verändert, doch die Leute darin sind die Gleichen geblieben.
Altersfreigabe: nicht geprüft
Altersempfehlung: keine Angabe
Originalsprachen: Französisch, Arabisch
Room for a Man
(LBN/USA 2017, R: Anthony Chidiac, 77 Min.)
Ein junger libanesischer Filmemacher, der in Beirut eine Wohnung mit Mutter und Hund teilt, lotet die eigene Identität neu aus, indem er sein Schlafzimmer renovieren lässt. Während die Bauarbeiter kommen und gehen, muss sich die konfliktträchtige Wohngemeinschaft neuen Fragen und alten Streitigkeiten stellen – und dabei kommt es zu unerwarteten Gefühlsausbrüchen.
Quelle: Externer Link: https://www.boell.de/sites/default/files/web_181115_18_arab_film_week_v100.pdf
Männlichkeit, Vaterlosigkeit, Generationenkonflikte und Homosexualität – in diesem Film geht es um Widersprüche. Er ist ein Beispiel dafür, wie sich junge, arabische Filmemacher/innen über das Medium Film ihren Gefühlen öffnen.
Altersfreigabe: nicht geprüft
Altersempfehlung: keine Angabe
Originalsprachen: Arabisch, Französisch, Spanisch
Talking about Trees
(SD/F/D/QAT/TD 2019, R: Suhaib Gasmelbari, 93 Min.)
Suliman und drei weitere Mitglieder des 'Sudanesischen Filmclubs' haben sich vorgenommen, ein altes Kino wiederzubeleben. Sie eint nicht nur ihre Liebe zum Kino und der leidenschaftliche Wunsch, alte Filmbestände zu restaurieren und der sudanesischen Filmgeschichte neue Aufmerksamkeit zu verschaffen, sondern auch die Tatsache, dass sie alle im Exil eine Filmausbildung genossen haben. Unermüdlich versuchen sie, die Kinobesitzer auf ihre Seite zu bekommen und das Kino bespielbar zu machen, kämpfen dabei aber immer wieder gegen Widerstände. Zwischendurch sitzen sie zusammen und reden über die Vergangenheit, über Verfolgung als oppositionelle Künstler und über Folter, lesen sich alte Briefe aus dem Exil vor und träumen von einem Sudan, in dem die Kunst und das Denken frei sein können.
Quelle: Externer Link: https://www.filmportal.de/film/talking-about-trees_746892e438c24a51a3a3b304cd605fd5
Ein warmherziges Porträt des Sudan. In einem Land, in dem die meisten jungen Leute kein Kino mehr kennen, feiert dieser Dokumentarfilm dessen Wiedergeburt. Durch den 2019 errungenen "Panorama Audience Award“ der Berlinale wird deutlich, dass auch arabische Filme in Deutschland ihr Publikum finden.
Altersfreigabe: nicht geprüft
Altersempfehlung: keine Angabe
Originalsprachen: Arabisch, Englisch, Russisch
Wajib
(PAL/F/D/QAT/AE/KOL/NOR 2017, R: Annemarie Jacir, 96 Min.)
Architekt Shadi ist nicht gerade begeistert, dass er nach Jahren in Rom wieder in seine Heimatstadt Nazareth zurückkehren muss – die palästinensische Tradition jedoch zwingt ihn dazu. Seine Schwester Amal wird heiraten und Shadi muss mit seinem Vater die Einladungen persönlich übergeben. Abu Shadi, ein geschiedener Lehrer Mitte sechzig, wird nach der Hochzeit allein leben. Gemeinsam fahren die beiden Männer durch die Straßen Nazareths und stellen fest: Ihre grundverschiedenen Lebensweisen sorgen für größere Spannungen als gedacht.
Quelle: Externer Link: https://www.programmkino.de/filme/wajib/
Ein Film über einen Generationenkonflikt: ein Film, der gleichzeitig hoch politisch und zutiefst menschlich ist, gespielt von einem palästinensischen Vater-Sohn-Schauspieler-Gespann.
Altersfreigabe: nicht geprüft
Altersempfehlung: keine Angabe
Originalsprachen: Arabisch
We are from there
(LBN/F 2020, R: Wissam Tanios, 82 Min.)
Jamil und Milad sind Brüder mit sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten. Jamil ist ein zupackender Zimmermann, der in die Fußstapfen seines Vaters tritt. Milad ist ein feinsinniger Trompeter und Träumer. Da ihr Heimatland Syrien weiter im Krieg versinkt, emigriert Jamil zunächst nach Beirut und macht dann eine illegale Reise nach Schweden. Milad bleibt in Damaskus, hält es aber irgendwann nicht mehr aus und beschließt, nach Berlin auszureisen. Ihr Cousin Wissam hält ihre Reise über fünf Jahre lang fest, weckt Kindheitserinnerungen und hinterfragt die wahre Bedeutung von Heimat.
Quelle: Externer Link: https://iffr.com/en/2020/films/we-are-from-there (Übersetzung durch das DFF)
Ein Film darüber, was es bedeutet, sein Land und die geliebten Menschen zu verlassen, unter fremden Menschen ein neues Leben zu beginnen und sich in einer unbekannten Sprache eine Karriere aufzubauen. Dabei zeigt sich ein in den Medien stark vernachlässigter Typ Mensch: der beruflich erfolgreiche Flüchtling.
Altersfreigabe: nicht geprüft
Altersempfehlung: keine Angabe
Originalsprachen: Arabisch
Yomeddine
(EGY/Ö/USA 2018, R: A.B. Shawky, 97 Min.)
Auch wenn Beshkay mittlerweile geheilt ist: Gesicht und Hände sind deutlich von der Lepra gezeichnet, an der er als Kind erkrankte. Das macht ihn in Ägypten zum stigmatisierten Aussätzigen, weshalb er schon seit drei Jahrzehnten in einer abgelegenen Leprakolonie lebt. Doch als seine Frau stirbt, beschließt er herauszufinden, wo er eigentlich herkommt. Gemeinsam mit dem Waisenjungen Obama macht er sich auf die Suche nach seiner Herkunft – eine Reise, die die beiden Außenseiter vor große Herausforderungen stellt.
Quelle: Externer Link: http://afrikafilmfestivalkoeln.de/programm-2019/yomeddine/
Eine Metapher für den Umgang mit allem, was der Mehrheitsgesellschaft fremd ist: Minderheiten, Fremde, Behinderung, Krankheit. Ein leichter, warmherziger und bewegender Film, der ermutigt, den ersten Schritt zu tun und Unsicherheiten auszusprechen. Durch den jugendlichen Hauptdarsteller für ein junges Publikum ab 12 Jahren geeignet.
Altersfreigabe: nicht geprüft
Altersempfehlung: ab 12 Jahren
Originalsprachen: Arabisch
Zaineb hates the Snow
(F/LBN/QAT/TUN/AE 2016, R: Kaouther Ben Hania, 94 Min.)
Zaineb wächst in Tunesien ohne ihren Vater auf. Als ihre Mutter einen Mann aus Kanada kennenlernt, ziehen sie gemeinsam auf den fremden Kontinent. Hier sieht Zaineb mit neun Jahren zum ersten Mal den Schnee. Doch sie möchte nichts mit dieser neuen Welt, weit entfernt von der nordafrikanischen Heimat, zu tun haben. Und so beschließt Zaineb, den Schnee zu hassen. Der Dokumentarfilm begleitet das tunesische Mädchen sechs Jahre lang dabei, wie sie sich mit ihrem neuen Zuhause arrangiert.
Quelle: Externer Link: https://www.filmfesthamburg.de/de/programm/Film/29563/Zaineb_Takrahou_Ethelj
Ein Film zwischen Tunesien und Kanada, zwischen Kindheit und Erwachsenwerden, zwischen konservativer Erziehung und offener Gesellschaft, zwischen Integration und Rebellion – erzählt aus der Sicht der jungen Protagonistin. Ein Einblick in Zainebs Leben auf zwei Kontinenten für Kinder ab 10 Jahren.
Altersfreigabe: nicht geprüft
Altersempfehlung: ab 10 Jahren
Gesprochene Sprachen: Arabisch, Französisch