Angriff der Aliens
Mond, Sterne und fremde Planeten sind für den Menschen sichtbar und doch unerreichbar. Gibt es "da draußen" ("out there") Leben, vergleichbar dem unseren? Von Beginn an richtete sich die Fantasie der Science-Fiction auf das Weltall. In den 1950er-Jahren allerdings drohte von dort vor allem Gefahr. Der Durchbruch der Science-Fiction zur Massenkultur in den USA verdankt sich nicht zuletzt den sogenannten Invasionsfilmen der Nachkriegszeit. H.G. Wells’ bereits 1898 veröffentlichter Roman "The War of the Worlds", 1938 vom Regisseur Orson Welles zu einem aufsehenerregenden Hörspiel verarbeitet und 1953 als THE WAR OF THE WORLDS (KAMPF DER WELTEN, USA 1953, R: Byron Haskin) verfilmt, lieferte das Grundmuster: Technisch hoch entwickelte Außerirdische vom Mars landen auf der Erde und drohen der Menschheit mit Vernichtung. In Klassikern wie INVADERS FROM MARS (INVASION VOM MARS, USA 1953, R: William Cameron Menzies), IT CAME FROM OUTER SPACE (GEFAHR AUS DEM WELTALL, USA 1953, R: Jack Arnold) und INVASION OF THE BODY SNATCHERS (DIE DÄMONISCHEN, USA 1956, R: Don Siegel) gelingt es der fremden Macht außerdem, die Menschen ihres freien Willens zu berauben. Die körperliche Hülle, innerlich seelenlos und vom Denken der Aliens bereits besetzt, dient nur noch zur Tarnung. Aus Nachbarn werden Fremde, eine besonders paranoide Form der Konfrontation mit dem Anderen.
Entstanden zu Zeit des Kalten Krieges, werden die Invasionsfilme oft als antikommunistische Propaganda interpretiert – immerhin kommt die Gefahr vom "roten Planeten" Mars! Die Warnung zur Wachsamkeit ("Keep watching the skies!") ist jedoch meist ambivalent. Der Antikommunismus der McCarthy-Ära, der die "Infiltrierung" der US-Bevölkerung durch sowjetische Ideen fürchtete und in der staatlichen Bekämpfung "unamerikanischer" Aktivitäten paranoide Züge entwickelte, ist als zusätzliches, innenpolitisches Ziel der Kritik selten ganz auszuschließen. Auch der drohende Atomkrieg ist ein wichtiges Motiv. In THE DAY THE EARTH STOOD STILL (DER TAG, AN DEM DIE ERDE STILLSTAND, USA 1951, R: Robert Wise) erscheinen die Marsianer sogar als moralisch überlegene Art, die die zerstrittene Menschheit zum Frieden auffordert. Optisch gleichen sie Menschen. In Erinnerung bleibt die Ära jedoch vor allem durch die noch einfachen Spezialeffekte, Marsmenschen in grünen Gummianzügen und ein eher schlichtes Weltbild – Zutaten der klassischen Science-Fiction, die in neueren Filmen wie MARS ATTACKS! (USA 1996, R: Tim Burton) und INDEPENDENCE DAY (USA 1996, R: Roland Emmerich) lustvoll parodiert werden.
Wie sich das Bild der Außerirdischen über die Zeit wandelte, zeigt exemplarisch das Werk Steven Spielbergs. In CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND (UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART, USA 1977) kommen die Besucher als Freunde, von der Menschheit sehnsüchtig erwartet; E.T. – DER AUSSERIRDISCHE (E.T. THE EXTRATERRESTRIAL, USA 1982) zeigt die Freundschaft zwischen einem verängstigten Alien und einem kleine Jungen. Beide Filme spiegeln den Idealismus der 1970er-Jahre. In Spielbergs düsterer Neuverfilmung KRIEG DER WELTEN (WAR OF THE WORLDS, 2005) ist davon nichts mehr übrig. Der Angriff der Marsianer wird zur deutlichen Metapher auf die Anschläge auf das World Trade Center vom 11. September 2001. Wie stets in der Science-Fiction zeigen sich im unheimlichen Anderen die Ängste des Menschen vor sich selbst.
Faszination Weltraum
Einen rational-wissenschaftlichen Zugang zum Weltraum suchte in den 1950er-Jahren zunächst eine Reihe von Mondfahrtfilmen wie DESTINATION MOON (ENDSTATION MOND, USA 1950, R: Irving Pichel) und ROCKETSHIP X M (RAKETE MOND STARTET, USA 1950, R: Kurt Neumann). Doch die zunehmende Realisierung ihrer Visionen – 1957 startete mit dem sowjetischen Sputnik der erste Satellit, 1961 reiste Juri Gagarin als erster Mensch ins All – zwang die Science-Fiction zur Neuorientierung. In seinem Meisterwerk 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM aus dem Jahr 1968 verband Stanley Kubrick die durchaus realistisch anmutende Darstellung des Lebens auf einer Raumstation mit einer Fülle philosophischer Menschheitsfragen. Auch SOLARIS (UdSSR 1972) von Andrei Tarkowski sucht im riesigen Weltraum nach dem Kern menschlicher Existenz. Beide Filme begründeten eine Tradition des poetischen Weltraumfilms mit betont langsamen Bildern, die mit Filmen wie MOON (GB 2009, R: Duncan Jones) und GRAVITY (USA 2013, R: Alfonso Cuarón) bis heute fortgesetzt wird.
Allgemein machte sich nach der Mondlandung 1969 Ernüchterung breit. In SILENT RUNNING (LAUTLOS IM WELTRAUM, USA 1972, R: Douglas Trumbull) bewacht ein einzelner Astronaut, nachdem er seine drei Kollegen umgebracht hat, die letzten Reste irdischer Flora und Fauna auf einem Raumschiff – die Geburt der Öko-Science-Fiction. In BLADE RUNNER (1982) und TOTAL RECALL (TOTAL RECALL – DIE TOTALE ERINNERUNG, USA 1990, R: Paul Verhoeven) sind die Besiedelung des Mars und interplanetarische Flüge bereits Alltag. Doch der Export menschengemachter Probleme ins All hat diese nicht gelöst.
Dass im Weltall auch der Schrecken lauern kann, zeigte ALIEN (ALIEN – DAS UNHEIMLICHE WESEN AUS EINER FREMDEN WELT, USA 1979, R: Ridley Scott). Die Mischung aus Science-Fiction und Horror bot blutige Effekte und mit der Heldin Ellen Ripley, die sich dem Monster entgegenstellt, eine Umkehrung der im Genre üblichen Geschlechterrollen. Genau genommen hatte Regisseur Ridley Scott seine Drehbuchautoren instruiert, jede Rolle müsse von einem Mann oder einer Frau gespielt werden können.
Der utopische Charakter der Science-Fiction wurde vor allem in einer Fernsehserie buchstäblich fortgesetzt: In STAR TREK (RAUMSCHIFF ENTERPRISE, USA 1966-69), geschaffen von Gene Roddenberry, werden die Reise in ferne Galaxien ("unendliche Weiten") und die Kommunikation mit fremden Lebensformen zur großen Mission. In allen Ecken des Alls löst die multikulturelle Crew der Enterprise Probleme – ein idealistisches Abbild der USA und ihrer Rolle in der Welt. Für George Lucas’ Weltraumoper KRIEG DER STERNE, Beginn einer neuen Ära der Science-Fiction, war die Serie zugleich Vorbild und größte Konkurrenz.
GlossarScience-Fiction im Sozialismus
Im Sozialismus der Sowjetunion und der Ostblockstaaten galt die Utopie als verwirklicht. Daher konzentrierte sich die sozialistische Science-Fiction – der Begriff "Science-Fiction" selbst war verpönt – zunächst auf technische Meisterleistungen in der Zukunft und propagierte damit die technologische und moralische Überlegenheit gegenüber den USA. So rettet in NEBO SOWJOT (DER HIMMEL RUFT, UdSSR 1959, R: Alexander Kosyr, Michail Karjikow) ein sowjetisches Raumschiff eine US-amerikanische Marsmission aus höchster Not. Später gab es aber auch Kinderfilme wie OTROKI WO WSELENNOI (ROBOTER IM STERNBILD KASSIOPEIA, UdSSR 1974, R: Richard Wiktorow) mit seiner jugendlichen Raumschiffcrew oder die stille Öko-Kritik THSCHERES TERNII SWESDAM (DIE FRAU AUS DEM ALL, UdSSR 1981, R: Richard Wiktorow). Filmgeschichtlich bedeutsam wurden vor allem die existenziell pessimistischen Filme von Andrei Tarkowski. Sein Raumfahrtdrama SOLARIS (UdSSR 1972) konnte nur gegen den Widerstand der Behörden veröffentlicht werden. Dasselbe gilt für STALKER (UdSSR 1978), eine an realen Orten gedrehte Endzeitversion, die zum modernen Klassiker wurde.