In Dieter Schumanns dokumentarischem Externer Link: Roadmovie Flüstern & Schreien (DDR 1988) gibt es eine Externer Link: Szene, die einen verblüffenden Eindruck der DDR-Gesellschaft kurz vor dem Mauerfall vermittelt – und die zugleich exemplarisch dafür stehen mag, wofür sich die DEFA-Externer Link: Dokumentarfilmer/-innen jener Zeit interessierten: Abweichung und Alltag. Eine Konzertlocation in Ostberlin bildet das Externer Link: Setting. Junge Menschen drängen sich an der Kamera vorbei, in der Externer Link: Bildmitte zwei Punkerinnen in einem Türrahmen. Eine der beiden Frauen – Lederjacke, schwarz lackierte Fingernägel, pink gefärbte Haare und Undercut-Frisur – hat sich gerade im Berliner Dialekt als "Wirtschaftskaufmann" vorgestellt. "Ich möchte noch was sagen", mischt sich da ihre Freundin, eine Friseurin, ein: "Es ist nicht so, dass wir Punks grundsätzlich was gegen unsere Gesellschaft haben. Wir sind Linke – und der Sozialismus ist auch links. Trotzdem können wir nicht alles gutheißen, was in unserer Gesellschaft los ist."
Ein Land dokumentiert sich selbst
Dass Filmschaffende das Leben in einer Diktatur wie der DDR weitreichend dokumentieren konnten, zum Teil auch (wie hier) an den oppositionellen Rändern der Gesellschaft, ist kein Zufall. In der DEFA, dem staatlichen Filmunternehmen, nahm die Dokumentarfilmproduktion von Beginn an eine außergewöhnliche Rolle ein: Gut 10.000 kurze und lange Filme dieser Gattung entstanden zwischen 1946 und 1992, darunter Externer Link: Propagandafilme und Alltagsbeobachtungen ("Staatliche Filmdokumentation") im Auftrag der Regierung ebenso wie künstlerisch innovative und kritische Arbeiten. Die Filmschaffenden waren meist Angestellte des DEFA-Studios für Dokumentarfilme und erhielten unter der Devise, das Leben und Arbeiten im Sozialismus zu dokumentieren, Zugang zu etlichen Bereichen der Gesellschaft, zu staatlichen Institutionen und Betrieben. Eine besondere Bedeutung in der stilistischen Entwicklung des Externer Link: Genres kam der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg zu, wo viele bedeutende Dokumentarfilmer/-innen ausgebildet wurden – so auch vier Filmschaffende der letzten DEFA-Generation: Helke Misselwitz (Jahrgang 1947), Dieter Schumann (1953), Andreas Voigt (1953) und Thomas Heise (1955). (Heise brach das Studium allerdings ab.)
Unmittelbare Eindrücke vom Ende der DDR
Die oben zitierte, etwas diffuse Haltung, "nicht alles gutheißen" zu können oder "anders leben" zu wollen, versuchen die Dokumentarfilme dieser Regie-Generation wie