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Unforgiven – Erbarmungslos | Klassiker sehen – Filme verstehen | bpb.de

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Unforgiven – Erbarmungslos

Dr. Martin Ganguly

/ 12 Minuten zu lesen

In Wyoming in den 1880er-Jahren lebt der frühere Auftragskiller William "Bill" Munny mit seinen beiden Kindern als Schweinefarmer. Sein altes Leben hat er für die Liebe zu seiner inzwischen verstorbenen Frau Claudia aufgegeben. Die Farm wirft kaum etwas ab und so lässt sich Munny vom jungen Revolverhelden "Schofield Kid" zu einem letzten Auftrag überreden. Er soll ihm helfen, zwei Cowboys zu erschießen, von denen einer der Prostituierten Delilah das Gesicht zerschnitten hat. Auftraggeberinnen sind die Prostituierten des Bordells der Kleinstadt Big Whiskey.

Plakat zum Film Unforgiven (© 1992 Warner Bros. Entertainment Inc. All rights reserved)

1992

Produktionsland: USA
Regie: Clint Eastwood
Laufzeit: 131 Minuten
Format: Farbe, Projektionsformat (2:35:1)
Altersfreigabe: FSK: 16

Darsteller/innen

William "Bill" Munny: Clint Eastwood
Little Bill Daggett: Gene Hackman
Ned Logan: Morgan Freeman
English Bob: Richard Harris
Schofield Kid: Jaimz Woolvett
W.W. Beauchamp: Saul Rubinek
Strawberry Alice: Frances Fisher
Delilah Fitzgerald: Anna Thomson

Inhalt

In Wyoming in den 1880er-Jahren lebt der frühere Auftragskiller William "Bill" Munny mit seinen beiden Kindern als Schweinefarmer. Sein altes Leben hat er für die Liebe zu seiner inzwischen verstorbenen Frau Claudia aufgegeben. Die Farm wirft kaum etwas ab und so lässt sich Munny vom jungen Revolverhelden "Schofield Kid" zu einem letzten Auftrag überreden. Er soll ihm helfen, zwei Cowboys zu erschießen, von denen einer der Prostituierten Delilah das Gesicht zerschnitten hat. Auftraggeberinnen sind die Prostituierten des Bordells der Kleinstadt Big Whiskey.

Zur Unterstützung nimmt Munny seinen alten Partner Ned Logan mit. Kaum sind die drei Männer in Big Whiskey angekommen, wird der durch eine Krankheit ohnehin geschwächte Munny vom Sheriff "Little Bill" Daggett, der aus eigennützigen Motiven heraus die Rachemorde verhindern will, zusammengeschlagen und aus der Stadt gejagt.

Es gelingt den Männern dennoch den Auftrag zu erfüllen. Ned Logan hat nach der Erschießung des ersten Cowboys erkannt, dass das Leben eines Revolverhelden für ihn endgültig vorbei ist.

Er verlässt Munny und "Schofield Kid" vorzeitig, wird aber auf dem Heimweg von Sheriff Daggetts Leuten geschnappt. Da er den Aufenthaltsort seiner Partner nicht verraten will, wird Logan vom Sheriff zu Tode gefoltert und zur Abschreckung in einem Sarg öffentlich ausgestellt.

Als Munny bei der Auszahlung der Belohnung davon erfährt, wird er wieder zu dem Trinker und Revolverhelden, der er einst war, und reitet als Rächer allein in die Kleinstadt zurück. Bei Nacht und Regen schießt er Daggett und seine Helfer nieder.

Im Abspann erfährt man, dass er zu seinen Kindern zurückgekehrt und nach Kalifornien gegangen ist, um dort ein neues, bürgerliches Leben zu beginnen.

Hintergrund / Drehbuch

Erbarmungslos basiert auf dem Skript "The William Munny Killings", das der Drehbuchautor David Webb Peoples (bekannt als Co-Autor des Science-Fiction-Klassikers Blade Runner, USA/HK/GB 1982, R: Ridley Scott) 1975 ursprünglich für den Regisseur und Produzenten Francis Ford Coppola schrieb. Eastwood kaufte das Drehbuch, wartete aber einige Jahre mit dem Drehbeginn, da er sich für die Hauptrolle noch nicht alt genug fühlte.

Der überraschend große künstlerische und kommerzielle Erfolg, den der Produzent, Hauptdarsteller und Regisseur Kevin Costner mit Dances with Wolves (Der mit dem Wolf tanzt, USA 1990) hatte, brachte Eastwood dazu, den Film schließlich zu realisieren. Der Film wurde in vier Monaten im Herbst 1991 in Kanada gedreht. Das Budget belief sich auf 14.400.000 US-Dollar und spielte bis Juli 1993 weltweit 159.157.447 US-Dollar ein. (Quelle: Patrick McGilligan: Clint – The Life and Legend. Harper Collins, London 1999, S. 476).

Genrebezug

Erbarmungslos ist ein Spätwestern, den Clint Eastwood seinen beiden Mentoren, den Regisseuren Sergio Leone (1929-1989) und Don Siegel (1912–1991) widmete. Er reduzierte darin das Spiel der Protagonisten/innen wie Leone in seinen Italo-Western auf ihre charakteristischen Hauptmerkmale.

Sein Protagonist William Munny ist fast ebenso wortkarg wie die von Eastwood verkörperten Figuren in den Filmen von Regisseur Leone. Zugleich zeigte Eastwood auch, wie Don Siegel in vielen seiner Filme, die Risse seiner Charakteren auf, die im Verlauf des Films immer deutlicher hervortreten.

Auf diese filmischen Erfahrungen Bezug nehmend schuf er einen Western, der kritisch hinter die Fassade der Western-Mythen schaut und zugleich trotzdem genretypische Elemente aufweist. Typische Motive wie Hass, Selbstüberschätzung, Brutalität, Korruption und Rache sind im Film durchgehend vorhanden.

So wollen die Prostituierten Rache für ihre entstellte Kollegin, Munny will dagegen zunächst nur das Geld, dann aber auch Vergeltung für seinen toten Partner und Freund Ned. Mit seinem genre-kritischen Ansatz zeigt Eastwood, dass von Gewalt und Töten keinerlei Faszination ausgeht, sondern, dass es sich hierbei um eine mühsame und grausame Verrichtung handelt, die keine edlen Helden hervorbringt.

Der shootout am Schluss ist nicht weniger nervenaufreibend als in den besten klassischen Western. Dieser wichtige Schlussmoment feiert, im Gegensatz zum übrigen Film in revisionistischer Form, die Gewalt.

In Erbarmungslos verbindet sich der US-amerikanische Spätwestern mit Elementen des Italo-Westerns, deren Star der junge Clint Eastwood in den 1960ern und 1970ern war, zu einem Abgesang des Westernfilms – ein Genre, das der Regisseur mit all seinen Möglichkeiten der Bild- und Tonsprache feiert, es zugleich aber als ein Genre mit überholten Idealen und teilweise lächerlichen Charakteren darstellt.

Die vordergründige Entromantisierung des Genres wird begleitet von kraftvollen, düsteren Bildern und Landschaftsaufnahmen von rot leuchtenden Sonnenuntergängen und wogenden Getreidefeldern, die inhaltlich, visuell und cineastisch auf fast klischeehafte Weise beeindrucken. Eastwood möchte so dem zeitgenössischen Publikum dieses Genre nahebringen, da für ihn auch in einer Hinwendung zur Bildsprache des klassischen Western viel Faszination enthalten sein kann.

Filmfiguren

Clint Eastwood als William Munny in Erbarmungslos (© 1992 Warner Bros. Entertainment Inc. All rights reserved)

Hauptfigur ist William Munny, ein alleinerziehender Vater ungefähr Ende 50. Der ehemals coole Auftragskiller und Trinker ist kein Revolver-Held mehr, sondern ein körperliches und seelisches Wrack. Sein anfängliches Auftreten ist erbärmlich ins Bild gesetzt: Er steckt buchstäblich im Dreck und schafft es kaum auf sein Pferd hinauf. Erst am Ende wächst der geschundene und müde Protagonist über sich hinaus und erledigt – nach einem ordentlichen Schluck aus der Whiskey-Flasche – mehrere Männer auf einmal.

Dass ihm der Sieg und die damit verbundene Gewalt keine zukünftige Lebensperspektive gibt, zeigt die Schlusstafel im Abspann. Gleichzeitig zeigt es auch, dass ihm dieser für das Genre wichtige shootout auch nicht schadet, da er später als erfolgreicher Geschäftsmann unbehelligt weiterleben kann. Damit gibt es auch keine wirkliche Kritik an dem finalen Gewaltexzess und die Legitimation von Selbstjustiz wird nicht in Frage gestellt.

Im Gegensatz zu den meisten Westernern ist er auch nicht alleinstehend, sondern hat zwei Kinder, um die er sich kümmern muss. Folgerichtig reitet er am Ende nicht alleine dem Horizont und einer ungewissen Zukunft entgegen, sondern mit einem klar definierten Ziel davon. Aber auch wenn Munny den Westernhelden in den ersten zwei Dritteln und im Abspann des Films konterkariert, zeigt er im Schlussduell und durch die Tatsache, dass er Neds Gewinnanteil an dessen Witwe schicken lässt, das er heldenhafte Ideale hat: Freundschaft geht ihm vor Profit – ein Merkmal, das auch die klassischen Westernhelden aufweisen. Sein Partner Ned erkennt dagegen erst als das erste Opfer grausam an einem Bauchschuss verendet, das er nicht mehr der kühle Kopfgeldjäger von einst ist.

Morgan Freeman (l.) und Richard Harris (r.) in Erbarmungslos (© 1992 Warner Bros. Entertainment Inc. All rights reserved)

Ned ist Afroamerikaner, eine ungewöhnliche Wahl für diese Rolle. Im klassischen Western kamen Schwarze nicht in tragenden Rollen vor. Die Hautfarbe wird in Erbarmungslos nie offen thematisiert, die Folterszenen durch den Sheriff verweisen aber indirekt auf die Schrecken der Sklaverei und auch auf aktuelle Misshandlungen und Diskriminierungen von Schwarzen. So wurde 1991, also zur Produktionszeit von Erbarmungslos, der Afroamerikaner Rodney King in Kalifornien von dem Polizeichef Darry Gates und vier weiteren Polizisten schwer misshandelt.

Dieser reale Fall diente Eastwood und Hackman als Vorlage für die Rolle des Sheriffs. Der dritte Auftragskiller, Schofield Kid, wirkt wie ein Zuschauer des Geschehens, der große Erwartungen in diese einstigen Helden hat, sich selbst als Killer anpreist, obwohl er, wegen seiner Kurzsichtigkeit, die symbolisch für die Blindheit prahlender Männer gesehen werden kann, noch nie jemand umgebracht hat.

In einer Nebenhandlung taucht ferner der alternde Revolverschütze und Kopfgeldjäger "English Bob" auf. Dieser hat einen Biografen im Schlepptau, der dessen "Heldengeschichte" aufschreiben möchte, dabei aber nur an der Legende und nicht an der Realität interessiert ist. Im Verlauf des Films wird diese Legende zerstört. Der Biograf wendet sich daraufhin von English Bob ab und bleibt in der Nähe des Sheriffs von dem er sich "wahrere" Geschichten erhofft.

Sheriff "Little Bill" Daggett, der Gegenspieler Munnys, wirkt nur nach außen hin resolut und moralisch gefestigt. Letztlich interessiert ihn das Opfer, das die Prostituierte Delilah verkörpert, nicht. Der ehemalige Revolverheld möchte einfach nur in Ruhe sein Häuschen fertig bauen. Allen Störungen, wie dem Eintreffen des Revolverhelden English Bob und der drei Kopfgeldjäger, begegnet er mit sadistischer Gewalt, die im Grunde nur seine Hilflosigkeit und den Wunsch nach äußerlichem Frieden und Ordnung ausdrückt.

Als Frauenfiguren gibt es – wie im Western üblich – zwei gegensätzliche Frauentypen, die sich zugespitzt als "Heilige" und "Hure" beschreiben lassen. Doch Eastwood bricht auch diese Konstellation auf. Für die reine, den umtriebigen Helden zähmende Frau steht in Erbarmungslos Munnys Ehefrau Claudia, die Munny von der Gewalt fort in ein anständiges Leben als sesshafter Familienvater geführt hat.

Sie tritt jedoch nie konkret in Erscheinung, da sie bereits vor Handlungsbeginn verstorben ist. Im Film bleibt sie allein durch ihr Grab und das musikalische Motiv präsent. Auf der anderen Seite stehen die Prostituierten, die im Western normalerweise die dunkle und verführerische Seite der Weiblichkeit verkörpern. Bei Eastwood sind sie jedoch alles andere als verführerische Saloon-Damen. Als Auftraggeberinnen, die sich solidarisch verbünden, sind sie nun keine dramaturgisch unwichtigen Nebenfiguren mehr, wie in vielen klassischen Western, sondern rücken ins Zentrum des Geschehens. Eastwood zeigt sie als hart arbeitende Frauen mit unterschiedlichen Charakteren, die in der von Männern dominierten Gesellschaft ganz unten stehen und fortwährend um ihre Würde kämpfen müssen. Sie fordern das archaische Recht der Vergeltung ein, das in klassischen Western den Männern vorenthalten blieb.

Die Motivationen der Figuren sind für das Publikum immer nachvollziehbar, in ihrer Vielschichtigkeit weichen die Grenzen zwischen Gut und Böse, Recht und Unrecht jedoch auf. An Munnys Händen klebt genauso viel Blut von Unschuldigen wie an denen seines Widersachers Daggett. Die moralisch zu Recht empörten Frauen haben am Ende ungewollt auch mindestens zwei Unschuldige auf ihrem Gewissen.

Besetzung

Produzent und Regisseur Clint Eastwood besetzte sich selbst in der Hauptrolle, für die er eine Oscar®-Nominierung erhielt. Als Produzent des Films wurde er mit dem Oscar® für den besten Film sowie für die beste Regie ausgezeichnet. Die wichtigsten männlichen Nebenrollen sind ebenfalls mit zwei populären Schauspielern besetzt. Munnys alter Freund Ned wird von Morgan Freeman gespielt, der spätestens mit seiner für einen Oscar® nominierten Darstellung des Hoke Colburn in Driving Miss Daisy (Miss Daisy und ihr Chauffeur, USA 1989, R: Bruce Beresford) einem großen Publikum bekannt war.

Sheriff Daggett wird von Gene Hackman verkörpert, der sich unter anderem als Drogenermittler "Popeye" Doyle in The French Connection (Brennpunkt Brooklyn, USA 1971, R: William Friedkin) einen Namen gemacht hatte und der für seine Leistung in Erbarmungslos einen Oscar® als bester Nebendarsteller erhielt.

Eine weitere Nebenrolle, die des "scheinbar legendären" Westernhelden English Bob wurde von dem englischen Charakterdarsteller Richard Harris gespielt, der dem jüngeren Publikum aus den beiden ersten Harry-Potter-Filmen als Dumbledore in Erinnerung sein wird. Die Rolle der Prostituierten Strawberry Alice wurde von Eastwoods damaliger Lebensgefährtin Frances Fisher gespielt.

Drehorte / Bildmotive

Erbarmungslos wurde nicht in einem Hollywood-Studio, sondern größtenteils in der Landschaft der kanadischen Provinz Alberta gedreht. Dort ließ der Produktionsdesigner Henry Bumstead, der schon zuvor für Eastwood gearbeitet hatte, die Kleinstadt Big Whiskey aufbauen. Big Whiskey wirkt besonders "unzivilisiert" und gottverlassen durch die schmucklosen, zusammengezimmerten Häuser, die keinerlei Behaglichkeit ausstrahlen.

Die Zugsequenzen wurden – laut Angaben der Internet Movie Database (IMDb) – in Sonora, Kalifornien, gefilmt, wo es ein funktionierendes, originales Schienennetz aus dem 19. Jahrhundert gibt. Bumstead achtete bei seiner Motivwahl darauf, dass bei den Landschaftsaufnahmen ein ausgetrockneter, frühwinterlicher Look bildmotivisch im Vordergrund steht.

Die Panoramasonnenuntergänge am Anfang und Ende des Films wie auch der strahlend blaue Himmel, die wogenden Kornfelder, die rissige Erde, das romantisch wirkende Lagerfeuer und die schneebedeckten Gipfel im Hintergrund sind bewusst – für den Western typische – farblich schöne Naturaufnahmen, die im Kontrast zu den teilweise harten Dialogen, den unmoralischen Handlungen, den gebrochenen Charakteren und den zum Teil widrigen Lebensumständen stehen.

Lichtsetzung

Die Kleinstadt Big Whiskey wird meist bei strömendem Regen und in der Nacht gezeigt. Im Gegensatz zu den schattenfreien und gut ausgeleuchteten Naturaufnahmen (s.o.) herrscht bei den Innenaufnahmen von Saloon, Bordell oder Gefängnis eine harte Schattenführung vor, wie im Film noir, einem Subgenre des Kriminalfilms, dessen Protagonisten/innen stetiger Bedrohung ausgesetzt sind. Die Figuren sind nur von stellenweise gelbstichigem Lampenlicht oder vom fahlem, nebligen Himmel erleuchtet, was der Szenerie, inhaltlich stimmig eine farblich entsättigte, düstere und bedrohliche Atmosphäre gibt.

Einstellungsgrößen, Kamera und Montage

Die Einstellungsgrößen wechseln meist, je nach Anzahl der gezeigten Personen zwischen Halbtotalen und Halbnahen, je nachdem ob das Handlungsarrangement (Halbtotale) oder die Gefühlsregungen der handelnden Personen (Halbnahe) im Vordergrund stehen.

Typische Westerneinstellungen wie Panorama- oder Amerikanische Einstellungen (siehe dazu die entsprechenden Abschnitte bei Zwölf Uhr mittags), werden auch von Eastwood genutzt.

Panoramaeinstellungen kommen beim Ritt durch die Landschaft zum Einsatz. Hier erscheint der Mensch inmitten der weiten Natur klein und schutzlos. Gezeigt wird eine Landschaft voller Schönheit, die mitunter aber auch rau und unwirtlich erscheint. Eingebunden wird die Handlung zu Beginn und zum Schluss des Films durch weite Aufnahmen von Munnys Farm – einführend im Morgenlicht und abschließend in einem künstlich überhöht wirkenden Abendrot.

Amerikanische Einstellungen sind gleichfalls in Kameraschwenks oder in Schuss-Gegenschuss eingebaut. Eastwood zeigt, dass er die bildsprachlichen Elemente des Westerngenres also ausgesprochen gut kennt.

Großaufnahmen gibt es nahezu keine. Nur in der Sequenz, in der "Schofield Kid" seinen ersten tödlichen Schuss abgibt und danach darüber aufgebracht reflektiert, kommt die Kamera näher, um den emotional besonderen Moment dieser Figur einzufangen.

Ansonsten bleibt die Kamera meist in Augenhöhe der Zuschauer/innen und suggeriert in einer gewissen Distanz ein objektives Bild. Wie tief William Munny gesunken ist, wird zweimal durch die Kamerahöhe reflektiert. Zu Beginn des Films ist sie mit ihm am Boden als er im Dreck liegend versucht ein Schwein einzufangen. Dieselbe Perspektive nimmt die Kamera dann noch einmal ein, als Munny von Little Bill Daggett und seinen Männer brutal zusammengeschlagen wird und zusammenbricht.

Nur während des Showdowns, als Munny Little Bill Daggett erschießt, steht er in triumphierender Untersicht über ihm und der Sheriff liegt im Gegenschnitt in einer entwürdig wirkenden Aufsicht unter ihm.

Montage

Die Montage zeigt interagierende Figuren selten im konventionellen Schuss-Gegenschuss-Verfahren sondern häufig gemeinsam in einer Halbnahen oder Halbtotalen. Dadurch wirkt die Handlung wirklichkeitsnäher und suggeriert dem Publikum eine reale Beobachtungsperspektive. Im Gegensatz zu Zwölf Uhr mittags gibt es keine spannungssteigernde Parallelmontage. Eastwood geht chronologisch vor und bevorzugt zunächst eine für die Zeit des Entstehungsjahres relativ langsame Schnittgeschwindigkeit.

Die Handlung wirkt dadurch getragener, was die Gebrochenheit der Figuren unaufdringlich aber wirkungsvoll verstärkt. Diese Zurückgenommenheit passt atmosphärisch zum Film, besonders zum Schauspiel und der Ausstattung, deren Armut und Kargheit dadurch noch unterstrichen werden.

Lediglich im Schlussduell werden die Schnitte schneller und die Agierenden werden nur im Schuss-Gegenschuss-Verfahren gezeigt, wie das auch bei klassischen Western oder auch im modernen Actionfilm üblich war und ist. Dieses shootout ist so angelegt, damit es dem Zuschauenden am Ende als besonderer Höhepunkt in Erinnerung bleibt. Joel Cox gewann den Oscar® für den besten Schnitt.

Filmmusik

Die symphonische Filmmusik von Lennie Niehaus unterstreicht das Düstere des Films und rhythmisiert an verschiedenen Stellen den Spannungsverlauf. Im Ohr klingt jedoch vor allem eine Melodie nach: die zarte, balladenhafte Komposition "Claudia’s Theme", die Eastwood selbst komponiert hat.

Achtmal erklingt sie in unterschiedlichen Variationen (mit wenigen Saiteninstrumenten und Klavier oder in orchestraler Form). Sie beschwört leitmotivisch die Sehnsuchtsmomente Munnys und seine Erinnerung an das harmonische Leben mit seiner verstorbenen Frau Claudia herauf und reflektiert zudem die seelische Befindlichkeit des Protagonisten.

Rezeption / Intermedialität

Die Nebenfigur "English Bob" wird von dem Journalisten Beauchamp begleitet, der die legendären Handlungen des Revolverhelden aufzeichnen will. Beauchamp erinnert an den Journalisten aus dem Westernklassiker The Man Who Shot Liberty Valance (Der Mann, der Liberty Valance erschoß, USA 1962, R: John Ford), der den Mythos des Helden trotz gegenteiligem Wissen aufrechterhält, um die allgemeine Moral zu stärken.

In Erbarmungslos bricht Eastwood bewusst den in vielen Westernfilmen heraufbeschworenen Mythos und entlarvt ihn als eitle, historische Konstruktion. Gerade in dieser intermedialen Betrachtung lässt sich der Unterschied zwischen der zwar teilweise kritischen, aber doch letztlich akzeptierten Heroisierung im klassischen Western und der schonungslosen Aufdeckung der brüchigen Heldenkonstruktion des Spätwesterns gut erkennen.

Erbarmungslos wurde von der Kritik und Publikum, aber auch von Filmschaffenden geschätzt und mehrfach zitiert. So gibt zum Beispiel Regisseur Quentin Tarantino in Pulp Fiction (USA 1994) dem von Paul Calderon gespielten Charakter in Anspielung auf die Figur in Erbarmungslos den Namen "English Bob". In seinem Actionfilm Kill Bill: Vol. 1 (USA 2003) ahmt die Protagonistin Beatrix Kiddo, gespielt von Uma Thurman, Clint Eastwood als William Munny nach, als sie einem kleinen Mädchen erklärt, warum sie deren Mutter umgebracht hat.

2013 entstand unter der Regie von Sang-il Lee ein japanisches Remake, dass die Zeit der Handlung in die historische Meji Periode verlegt. Der von Ken Watanabe in Yurusarezaru Mono (in den USA unter dem Titel Unforgiven gezeigt,) gespielte Protagonist ist nun ein Samurai. Intertextuell ist dieses eine Umkehrung in der Reihenfolge der Geschichte des ersten Italo-Westerns mit Clint Eastwood.

So ist Für eine Handvoll Dollar, eine Neuverfilmung des japanischen Samuraihistoriendramas Yojimbo (Yojimbo – Der Leibwächter, J 1961, R: Akira Kurosawa).

Fussnoten

Weitere Inhalte

Arbeitsblatt / Arbeitsheft

ERBARMUNGSLOS Arbeitsblatt

Anhand des Filmes werden die Genre "Spätwestern" und Italo-Western" erschlossen und voneinander abgegrenzt. Abschließend wird eine Filmkritik auf Basis der Arbeitsergebnisse verfasst.

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Der Begriff des Anti-Western wird erarbeitet, das gezeichnete Bild der indigenen Bevölkerung reflektiert und eine Interpretation des Films als ein kritischer Kommentar zum Vietnamkrieg angestoßen.

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In John Fords Film wird ein Siedlermädchen von Comanchen verschleppt und in der Ferne aufgezogen. Der abgebrühte Westerner verkörpert von John Wayne ist jahrelang auf der Suche nach seiner Nichte.

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ZWÖLF UHR MITTAGS Arbeitsblatt

Zunächst werden die filmästhetischen Mittel und Drehorte des Westerngenres herausgearbeitet. Danach werden die wichtigsten Figuren in Kleingruppen charakterisiert und Präsentationen erstellt.

Artikel

Clint Eastwood

Mit einer erfolgreichen Karriere als Filmschauspieler, Regisseur, Produzent und Komponist ist Clint Eastwood einer der angesehensten Vertreter des US-amerikanischen Filmgeschäfts.

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BROKEBACK MOUNTAIN Arbeitsblatt

Ang Lees vielfach ausgezeichnetes Drama erzählt eine Liebesgeschichte zwischen zwei Cowboys. Die Lerngruppe reaktiviert ihr Wissen zum Western und diskutiert den Mythos vom einsamen Cowboy.