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Jugend in den 1950er-Jahren | Klassiker sehen – Filme verstehen | bpb.de

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Jugend in den 1950er-Jahren

Dr. Martin Ganguly

/ 7 Minuten zu lesen

Nach einem vom Zweiten Weltkrieg geprägten Jahrzehnt waren die 1950er-Jahre die Dekade des Neubeginns. Jugendliche, die die Kriegsjahre höchstens als junge Kinder miterlebt hatten, stellten sich ihr Leben in der Regel anders vor als die Erwachsenengeneration, die noch durch die Kriegserlebnisse und deren unmittelbare Folgen traumatisiert war. Sie wollten eine eigene Jugendkultur, möglichst unbelastet von deutschen Traditionsvorstellungen. Anregungen hierfür holten sie sich in der Kultur der US-amerikanischen Besatzer, die von der älteren Generation als fremd und "undeutsch" betrachtet wurde.

Filmstill aus Berlin – Ecke Schönhauser (© PROGRESS Film)

Leben in den 1950ern in beiden deutschen Staaten und die Einflüsse aus den USA

Deutschland war in den 1950er-Jahren ein geteiltes Land: Der Westsektor, die Bundesrepublik Deutschland, stand unter der Besatzung der US-Amerikaner, Engländer und Franzosen. Die 1949 gegründete Deutsche Demokratische Republik (DDR) war von der Sowjetunion besetzt.

Mit dem Wiederaufbauprogramm von 1947, dem sogenannten Marshall-Plan, und der Währungsreform von 1948 begann in der Bundesrepublik der ökonomische Aufschwung, der ab Mitte der 1950er-Jahre als Wirtschaftswunder bekannt wurde. (Vgl. hierzu: Gerd Schneider / Christiane Toyka- Seid: Das junge Politik- Lexikon von Externer Link: www.hanisauland.de, bpb, Bonn 2013)

Aufgrund der gestärkten westdeutschen Kaufkraft − es herrschte nahezu Vollbeschäftigung − konnten sich die Deutschen zunehmend amerikanische Konsumgüter leisten, was wiederum die US-Wirtschaft ankurbelte. Mit der sukzessiv steigenden Kaufkraft wurde der Konsum zu einem wichtigen Lebensinhalt vieler Erwachsener, die sich nach der Zerstörung und den damit verbundenen Entbehrungen wieder nach eigenem Besitz sehnten.

    "Modewellen gaben den Ton an – etwa bei der Einrichtung des Heimes: Nieren-und Mosaiktisch, Cocktailsessel, Snap-Couch (die sich zum Bett ausbauen ließ), Schränkchen mit Messingfuß oder Dackelpfote (Gelsenkirchener Barock), Steh- und Tütenlampen zierten die Wohnzimmer und wurden unverzichtbare Statussymbole im Zeichen des wachsenden Wohlstandes. Schwungvolle Formen prägten die Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände bis hin zur Küchenuhr, Vase, zum Kofferradio oder zur (Schmetterlings-)Brille – und spiegelten so die dynamische Wirtschaftsentwicklung jener Jahre wider."

(aus: Sträter, Winfried: "Das konnte ein Erwachsener nicht mit ruhigen Augen beobachten." Die Halbstarken, in: Berliner Geschichtswerkstatt e.V., Berlin 1985, S. 138, zitiert aus: Interner Link: http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/ jugendkulturen-indeutschland/36155/einfuehrung)

Auch die DDR profitierte Anfang der 1950er-Jahre zunächst vom Wirtschaftswachstum, bekam aber ab 1952 zunehmend ökonomische Probleme, die vor allem von der Ausrichtung ihrer Wirtschaft nach sowjetischem Vorbild und den hohen Reparationsleistungen an die Sowjetunion zwischen 1945 und 1953 verursacht worden waren. (Quelle: Interner Link: http://www.bpb.de/izpb/10132/wirtschaft-in-beiden-deutschen-staatenteil-2?p=all)

Auf Sekundärtugenden wie Fleiß, Ordnung, Pünktlichkeit und Sauberkeit wurde in den 1950er-Jahren sowohl in den beiden deutschen Staaten als auch in den USA viel Wert gelegt. Das Rollenverhalten war klar definiert: Der Mann galt als Oberhaupt und zumindest im Westen auch als Ernährer der Familie. Frauen hatten sich um Haushalt und Kinder zu kümmern. Die Kleidung war dementsprechend geschlechtsspezifisch: Hemd, Anzug und Krawatte beziehungsweise Bluse und Rock oder Kleid. Mädchen durften in der Schule zudem keine Hosen tragen, Make-Up, Schmuck oder weite Ausschnitte waren verboten, um, so die offizielle Lesart, nicht vom Lernen abzulenken.

Sexualität außerhalb der Ehe (dort war sie hingegen Pflicht) galt als unmoralisch und war gesellschaftlich geächtet. Viele Jugendliche fügten sich in das konservativ-bürgerliche Wertebild; Kleinfamilie, Eigenheim und ein eigener PKW waren die Inbegriffe des gesellschaftlich anerkannten, guten Lebens. Parallel zum Klima des unbedingten Fortschrittsglaubens und dem Wunsch nach den Annehmlichkeiten, die das Konsumverhalten des Mainstreams mit sich brachte, prägte jedoch die Angst vor einem Atomkrieg dieses Jahrzehnt. Sie wurde durch die Spannungen zwischen den USA und der stalinistischen Sowjetunion geschürt, deren Ost-West-Konflikt bereits Ende der 1940er-Jahre in den Kalten Krieg mündete.

GlossarKalter Krieg

Der Begriff bezeichnet die politischen Auseinandersetzungen zwischen den West-Alliierten USA, Frankreich und Großbritannien auf der einen und der Sowjetunion auf der anderen Seite, später auch die Konflikte zwischen den beiden deutschen Staaten. Von "Kaltem Krieg" spricht man, weil auf beiden Seiten des sogenannten "Eisernen Vorhangs" aus Furcht vor einem Dritten Weltkrieg auf den Einsatz von Kriegswaffen weitgehend verzichtet wurde.

In diesem Konflikt, der bis in die 1980er-Jahre andauerte, lieferten sich die feindlich gegenüberstehenden Blöcke über Jahrzehnte ein beispielloses Wettrüsten. Zu direkten militärischen Konfrontationen kam es glücklicherweise nie. Stattdessen versuchte man, mit technischer und wirtschaftlicher Dominanz den politischen Einfluss des anderen Lagers möglichst gering zu halten oder gar zurückzudrängen.

Die DDR war nicht marktwirtschaftlich ausgerichtet, sondern die Einheitspartei SED organisierte eine Planwirtschaft nach sowjetischem Vorbild. Frauen wurden, anders als in Westdeutschland, gleichwertig in den Produktionsprozess eingebunden; der Mann als Ernährer spielte somit eine untergeordnete Rolle. Luxusgüter gab es in der DDR kaum und sie waren, im Gegensatz zum Westen, auch kein offiziell erstrebenswerter Besitz. Ziel der Regierung war es, einen realsozialistischen Staat aufzubauen, in dem das Volk und die Gemeinschaft, nicht das individuelle Wohlergehen an erster Stelle standen.

Um die Macht ihrer Partei zu sichern, hatte es sich die SED zum Ziel gesetzt, die Menschen zu treuen Staatsbürgern und einer "sozialistischen Persönlichkeit" zu erziehen. Gemäß des neuen Menschenbilds, das auf der marxistisch-leninistischen Gesellschaftstheorie basierte, sollte der Mensch über vielseitiges Wissen und Können verfügen sowie fleißig, diszipliniert und dabei sozialistisch, kulturell und sportlich interessiert sein. (Quelle: Interner Link: http://www.bpb.de/izpb/10136/kultur-im-wiederaufbau-teil-2)

Doch auch die Jugendlichen in Ostdeutschland sehnten sich nach einer eigenen Jugendkultur, die sie in den Jugendeinrichtungen der FDJ, der einzigen, staatlich geförderten Jugendorganisation, nicht fanden.

Die Halbstarken

Dem Rückzug in den privaten Wohlstand im Westen und der vom Staat organisierten Jugendkultur im Osten stand in beiden deutschen Staaten eine eher unpolitische Jugendbewegung gegenüber, die unser heutiges Bild der 1950er-Jahre besonders prägt: Die Kultur der Teenager, die im Deutschen "Halbstarke" genannt wurden. Diese Halbstarken bekannten sich zu den Einflüssen der US-Kultur, die die konservative Mehrheit nicht zu den erstrebenswerten zählte: Dazu zählten u.a. Comics, Kaugummi, "Buschmusik" – so nannte die Elterngeneration den Rock ‘n’ Roll oder Swing –, eine andere Mode und ein verändertes Rollenverhalten.

Dieser rebellische "American Way of Life" der auch in den USA kritisch beäugten Teenager opponierte gegen die restriktive Erziehung des Gehorsams. Autoritäten wurden nicht mehr bedingungslos akzeptiert, Disziplin und die vorherrschenden Werte der "Alten" in Frage gestellt. Jugendliche forderten ein, was in den Jahrzehnten zuvor nicht möglich gewesen war: ihren eigenen Platz in der Gesellschaft mit einer individuellen Kultur.

Die Halbstarken stammten häufig aus der Arbeiterklasse. Sie trafen sich, mangels anderer räumlicher Alternativen, auf öffentlichen Plätzen und provozierten bereits durch ihr Aussehen. Statt des militärisch geprägten Kurzhaarschnitts trugen die jungen Männer eine mit Pomade frisierte Haartolle, die Mädchen statt Zöpfen Pony und Pferdeschwanz.

Anstelle von Hemden und Anzugshosen kleideten sie sich in T-Shirts, Lederjacken und Nietenhosen (die damalige Bezeichnung für Jeans), statt in Faltenröcken nun in Petticoats. Die Halbstarken identifizierten sich zwar ebenfalls mit einer männlich geprägten Kultur, ihr Rollenbild war jedoch nicht preußisch-militärisch besetzt, sondern zivilistisch-lässig idealisiert: Hand in der Hose, Zigarette im Mundwinkel, coole Blicke und Sprüche. Die bevorzugten Bewegungen waren eher weich, nicht zackig oder kernig wie noch die Körpersprache der Vätergeneration.

Diese Väter taugten ihnen ohnehin wenig als Vorbild. Entweder waren sie kriegsbedingt abwesend oder aufgrund ihrer Kriegserlebnisse innerlich gebrochen und nur nach außen stark, was den Jugendlichen natürlich nicht verborgen blieb.

Entwicklung neuer Formen von Kunst und Kultur in den 1950er-Jahren

Diese Formen der Aufsässigkeit brauchten neue Vorbilder, die die Jugendlichen bei Filmidolen, Rockstars und in der Literatur suchten − und fanden. Marlon Brando und besonders James Dean verkörperten in ihren Filmen die jugendlichen Rebellen, die aus den engen Vorstädten mit den dort verwurzelten kleinbürgerlichen Ansichten auszubrechen suchten. Viele ihrer Filme richteten sich speziell an Jugendliche.

The Wild One (Der Wilde, USA 1953, R: László Benedek, mit Marlon Brando) und Rebel Without a Cause – Denn sie wissen nicht, was sie tun (mit James Dean) bildeten die neue Jugendkultur ab und gestalteten sie gleichzeitig mit.

Rock ‘n’ Roll Musiker wie Elvis Presley und Bill Haley zeigten mit ihren Hüftschwüngen und ihrem rhythmischen Gesang, dass Musik wild und aufreizend sein konnte und nicht nur aus konservativ gesitteten Schlagern bestehen musste.

Die Schriftsteller der Beat-Generation, die Beatniks Jack Kerouac und Allen Ginsberg, verspotteten die konformistische Konsumkultur als geistlos und verdummend. Ihre Schriften sprachen, neben den philosophischen Werken des französischen Existenzialismus, geprägt durch Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Albert Camus, vor allem die intellektuellen Jugendlichen an. Diese kulturellen Strömungen bestärkten die Jugendlichen in ihrem Wunsch, als Individuen wahrgenommen zu werden und nicht als Teil einer grauen, gleichförmigen Gesellschaft.

In der DDR gab es aufbegehrende Lieder, Filme und Schriften offiziell nicht. Vor dem Mauerbau 1961 war es jedoch möglich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Ost- nach West-Berlin zu gelangen. Die Jugendlichen der DDR, vor allem in Ost-Berlin, fanden Gefallen an der "westlichen Dekadenz", so die abschätzige Bewertung durch die SED. Jugendliche, die es sich leisten konnten, gingen ins Kino oder zu Konzerten in den Westteil der Stadt. Ihre Freunde erhielten Informationen über die westliche Jugendkultur dann aus zweiter Hand. Ein Zeitzeuge berichtet:

    "Wir haben im Rahmen unserer Möglichkeiten schon sehr genau verfolgt, was sich da (im Westen) tat. Zu den großen Konzerten konnten wir ja nicht. Der Eintritt für solch ein einmaliges Erlebnis war viel zu teuer für uns Jugendliche aus dem Osten. Aber wenn wir daran schon nicht teilhaben konnten, dann wollten wir wenigstens so aussehen wie die Halbstarken im Westen. Ich habe mein ganzes Lehrlingsgeld gespart, am Wochenende noch was dazu verdient, um mir nach und nach Lederjacke, Hawaii-Hemd, Röhrenhosen, Ringelsocken und Schuhe mit dicken Kreppsohlen aus West-Berlin holen zu können. Dann noch die Haare wie Elvis gegelt und ich war hier der King beim Treff am Kino oder auf dem Tanzsaal."

(aus: Bernd Lindner: DDR Rock & Pop, Köln 2008, S. 24, zitiert aus: Interner Link: http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/53890/jugendkultur -in-der-ddr?p=all)

Die bemühten Versuche der Staatsmacht, eigene Varianten der Jugendkultur zu gestalten, wie zum Beispiel die Einführung des Lipsi als Gegenprogramm zum Rock ‘n’ Roll, wurden von der jungen Generation mehrheitlich nicht angenommen. Filme wie Berlin – Ecke Schönhauser übernahmen Inhalte wie Generationskonflikte oder Kriminalhandlungen aus US-amerikanischen und westdeutschen Filmen, versahen sie aber zumindest ansatzweise mit einer eigenen staatskonformen Moral.

Die heutige Jugendkultur ist im Vergleich zur Jugendkultur der 1950er-Jahre wesentlich vielfältiger und vielschichtiger. Das Gegensatzpaar Junge gegen Alte existiert in dieser Form nicht mehr. Statt der einen Gegenkultur des Rebellentums gibt es eine Vielzahl von Jugendkulturen und auch die Mode der 1950er- Jahre, die die damals angepassten, braven Teenager trugen, ist mittlerweile ein Trend. Dazu gehören Collegejacken, Loafers und vor allem das Markenzeichen der Nerds – die schwarze Hornbrille.

Fussnoten