Herr Olsson, im Mittelpunkt von "Concerning Violence" stehen die afrikanischen Befreiungsbewegungen der 1960er- und 1970er-Jahre. Wie entstand die Idee, darüber einen Film zu drehen?
Nach meinem letzten Film "The Black Power Mixtape" erhielt ich einige Angebote, die mich aber nicht sehr interessierten. Dann drückte mir der Herausgeber Frantz Fanons Buch Die Verdammten dieser Erde in die Hand. Ich las es und war total beeindruckt von dem Text, speziell von dem Kapitel "Von der Gewalt". Er enthüllt darin so viel über die Dynamik der Gewalt. Und daraufhin habe ich beschlossen, einen Film über dieses Essay zu machen. Das war auch eine kinematografische Herausforderung.
Inwiefern?
Ich musste einen non-fiktionalen Text in die besondere Dynamik eines Films transferieren und dabei die Botschaft, den Geist und die Emotion der literarischen Vorlage beibehalten. Das war nicht einfach.
Ihr Film montiert schwedisches Archivmaterial mit Zitaten aus Fanons 1961 erschienenen Essay, die eindringlich von der HipHop-Sängerin und politischen Aktivistin Lauryn Hill intoniert werden. Warum haben Sie sich für diese dramaturgische Struktur entschieden?
An erster Stelle kam für mich immer Fanons Text. Die ersten sechs Monate haben wir ausschließlich damit gearbeitet und daraus auch die Filmstruktur entwickelt. Ursprünglich wollte ich kein Archivmaterial benutzen, sondern zeitgenössische Motive aus Gaza oder dem Sudan. Doch dann entschied ich mich für einen universelleren Zugang, der nicht sofort Verbindungen zu spezifischen aktuellen Problematiken herstellt. Ich habe auf historisches Material zurückgegriffen, um ein stärkeres Gefühl von Verallgemeinerung zu erzielen.
Sie erzählen in losen Episoden und verzichten darauf, das Archivmaterial zu kontextualisieren, beispielsweise zu erklären, in welchem Zusammenhang es ursprünglich gedreht wurde. Entsteht durch diese strukturelle Offenheit nicht auch die Gefahr, dass der Film missverstanden wird?
Ich glaube nicht, dass der Film deswegen missverstanden wird. Der Text ist das Wichtigste, die Archivbilder sind eher wie Animationen, sie sind nicht sehr spezifisch. Ich habe "Concerning Violence" weltweit in über 20 Ländern gezeigt – er hat funktioniert. In Tel Aviv beispielsweise hat er die Zuschauer wirklich sehr bewegt. Man muss kein Albert Einstein sein, um den Film zu verstehen. Um zu verstehen, dass er trotz des historischen Materials sehr aktuell ist. Er erzählt von der Dynamik der Gewalt, dass Gewalt Unterdrückung kreiert, die wiederum Gewalt erzeugt. Und so dreht sich diese Spirale immer weiter. Diese Beziehungen macht der Film sehr klar.
Ist "Concerning Violence" in Ihren Augen eher ein Film über Gewalt oder ein Film über Dekolonisation?
Er ist beides. Allerdings geht es mir weniger um Imperialismus und Eroberung, sondern vielmehr um Unterdrückungs- und Ausbeutungsmechanismen – auch im Zusammenhang mit dem kolonialen Thema. Kolonisation ist eine Gewaltstruktur und die gibt es auch heute noch, beispielsweise in Bezug auf natürliche Ressourcen. Wir sollten versuchen zu verstehen, auf welche Weise andere Menschen leiden, damit wir den materiellen Reichtum haben, der für uns selbstverständlich ist. Wenn wir ein T-Shirt für fünf Euro kaufen, dann sollten wir darüber nachdenken, wer dieses T-Shirt gemacht hat.
Welche Bedeutung kann Ihr Film für junge Menschen haben?
Fanons Text war eine Enthüllung für mich. Aber bevor ich den Film gedreht habe, habe ich nicht gewusst, dass sich so viele junge Leute ebenfalls mit diesen Themen beschäftigen. Mein Film bezieht eine klare Position und ist dennoch offen für Interpretationen. Und ich glaube das Publikum will das auch so – gerade auch die jungen Menschen. Sie erwarten keine überkonstruierte Geschichte. Sie sehen den Film und seine Thesen als eine Art Diskussionsvorlage, zu der man Stellung beziehen kann. Sie wollen inspiriert werden von dem Film und dann ihre eigenen Schlüsse ziehen. Insgesamt hat sich die Art, wie wir uns Dokumentarfilme anschauen, in den letzten zehn Jahren dramatisch verändert. Man braucht keinen Erzähler mehr oder einen Protagonisten, der einen durch den Film führt. Man ist offener, auch wegen des Internets: Man recherchiert, findet verschiedene Quellen, vergleicht sie und machst daraus seine eigene Geschichte.