Mit "Hamburger Lektionen" haben Sie eine filmische Lesung, also eine Form gewählt, die im Filmbereich vor allem auch in dieser Länge und zu diesem Thema als Herausforderung gesehen werden muss. Wie glauben Sie, wird dieses Stilmittel vom Publikum angenommen?
Ich habe vor sieben Jahren einen ähnlichen Film gemacht, "Das Himmler-Projekt", in dem derselbe Schauspieler, Manfred Zapatka, eine dreieinhalbstündige Rede Heinrich Himmlers wortgetreu abliest, in einem quasi neutralen Dekor. Das hat ziemlich gut funktioniert, weil man durch diesen Film einerseits freier ist, den Inhalt wahrzunehmen bzw. zu rezipieren, andererseits genauer auf den Inhalt des Textes eingehen kann. Man wird nicht von einem Bild der Ablehnung oder einer Ikonografie des Bildes beeinflusst. Man hat einen Schauspieler vor sich, der uns mit seiner Kunst den Text näher bringt. Aber natürlich ist das eine Herausforderung. Alles, was bedrohlich ist, ist immer eine Herausforderung und wir müssen uns überlegen, wie wir mit dieser Herausforderung, die uns bedrohen kann, umgehen. (...) Dieses Lesen darf man nicht unterschätzen, es ist sehr, sehr schwer. Ich habe zwar versucht, diese Rolle auch mit jüngeren Schauspielern zu besetzen, aber das hat sich als problematisch erwiesen. Der Text hat eine innere Autorität und somit ist es auch sehr schwer, diese Autorität glaubhaft zu inszenieren. Da wir nicht viel Zeit hatten bei diesem Film, den ich an zwei Tagen gedreht habe, muss man ein fast blindes Verständnis mit dem Partner haben.
(Auszug aus einem Interview mit Gisela Gerst, August 2007)