Hinter der Entscheidung für diese spezifische Form steckt im Grunde ein pragmatischer Umgang mit der Ausgangssituation. Michael Berger, den ich persönlich aus gemeinsamen Schulzeiten kenne, saß noch in Untersuchungshaft, während ich an der Projektentwicklung arbeitete. Es wäre unmöglich gewesen, eine Drehgenehmigung für Interviews mit ihm zu erhalten. Aus dieser "Not" entsprang die Idee, seine Biografie ausschließlich über Orte zu erzählen, an denen er sich aufgehalten hat - ohne den Porträtierten zu sehen oder zu hören. Michael Berger ist nur auf der Tonebene anwesend, allerdings spricht er nicht selbst, es wird über ihn gesprochen. Der Porträtierte ist gesichtslos, er existiert nur als Eigenname, den er mit sehr vielen anderen teilt, was ja tatsächlich zu Verwechslungen geführt hat. Die Abwesenheit von Bild- und Tonaufnahmen des Porträtierten wird kontrastiert mit einer Überpräsenz, einer Hysterie seines Namens.
"Michael Berger: Eine Hysterie"
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Der österreichische Regisseur Thomas Führhapter zeichnet in seinem Dokumentarfilm "Michael Berger: Eine Hysterie" die Biographie eines Finanzbetrügers nach - ohne dabei seinen Protagonisten zu Wort kommen zu lassen und ohne ein einziges Bild von ihm zu zeigen. Dennoch gelingt ihm ein interessantes und facettenreiches Porträt. In dem folgenden Text legt Regisseur Thomas Führhapter seine Entscheidungen für den gewählten Inszenierungsstil dar.
Performing Documentary: Interview mit Thomas Führhapter
Vielleicht kann man sagen, dass es zwei gleichzeitige gegenläufige Bewegungen gibt: eine nähert sich der Person an, die andere führt von ihr weg. Die sprachliche Form der Voice-Over-Stimme ist inspiriert von den ersten Seiten aus Michel Foucaults Buch "Überwachen und Strafen". Foucault beschreibt hier präzise und distanziert die grausame Bestrafung eines Verurteilten, ohne zu urteilen. Diese nicht wertende, distanzierte Beschreibung war in "Michael Berger. Eine Hysterie" einerseits notwendig, weil der Fall juristisch noch nicht abgeschlossen ist, andererseits ist jede Biografie eine intime Angelegenheit, die ohnehin nach einer Distanzierung verlangt.
Biografien werden oft entlang von Etappen wie Geburt, Ausbildung, Erfolge usw. erzählt, das Alltägliche, die Routinen bleiben ausgeblendet. Ich habe versucht, diesen Aspekt zu berücksichtigen und bewusst Banalitäten wie z. B. Essgewohnheiten erzählt. Jede Biografie besteht ja zu einem Großteil aus Banalem, aus Zeiten zwischen den markanten Einschnitten. Dieser Aspekt hat auch einen direkten Konnex zum Kino. Gilles Deleuze schreibt in seinen Kinobüchern, dass das Zeit-Bild nicht mehr entlang herausgehobener Momente strukturiert ist, sondern entlang beliebiger.
Text: Thomas Fürhapter
Thomas Fürhapter, geb. 1971, lebt in Wien. Filme: Michael Berger. Eine Hysterie (2010), Planes (2006), Das Gelb ohne Zebra (2004).
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