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Homosexualität und Menschenrechte: Das Beispiel Uganda | "Call Me Kuchu" | bpb.de

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Homosexualität und Menschenrechte: Das Beispiel Uganda

Patricia Otuka-Karner

/ 6 Minuten zu lesen

Die Emanzipierung sexueller Minderheiten hat in den letzten Jahrzehnten weltweit massive Fortschritte verzeichnet. Trotz dieser positiven Entwicklung dürfen die nach wie vor existierenden Probleme nicht vergessen werden: Noch immer gilt Homosexualität in einigen Ländern als Straftat, auf die zum Teil sogar die Todesstrafe steht.

Eine der vielen Titelstories des Boulevardblatts "The Rolling Stone", durch die die LGBTI-Gemeinschaft Ugandas terrorisiert wird. (© Katherine Fairfax Wright)

    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. In dieser Hinsicht hat das Gesetz jede Diskriminierung zu verbieten und alle Menschen gegen jede Diskriminierung, wie insbesondere wegen der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status, gleichen und wirksamen Schutz zu gewährleisten.

Artikel 26, "Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte" (1966)

Menschenrechte gelten für alle Menschen

Menschenrechte zeichnen sich durch ihre Universalität aus und dadurch, dass man, um ihren Schutz zu genießen, lediglich Mensch sein muss. Menschenrechte verbieten also per se jede Art der Diskriminierung: auch aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität.

Bereits in der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" von 1948 oder in Menschenrechtsverträgen wie zum Beispiel dem "Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte" von 1966 werden unter "sonstiger Status" viele Formen der Diskriminierung inkludiert, die erst zu einem späterem Zeitpunkt ins Bewusstsein gerückt sind. Menschen mit Behinderung etwa dürfen selbstverständlich nicht aufgrund ihrer Behinderung diskriminiert werden – auch, wenn dies vorerst nicht explizit aufgelistet wurde. Ähnlich ist das Diskriminierungsmerkmal Homosexualität zu Beginn der schriftlichen Fixierung der Menschenrechte nicht als solches festgehalten worden. Zu jener Zeit galt Homosexualität, wie Hans-Joachim Mengel in seinem Aufsatz "Homosexualität und internationaler Menschenrechtsschutz" (in: "Aus Politik und Zeitgeschichte" 15-16/2010) erläutert, noch als Krankheit und wurde tabuisiert. Das machte in der Folge die Klarstellung nötig, dass die allgemeinen Menschenrechte auch für Homosexuelle gelten. Es ging dabei nicht um die Verwirklichung von Sonderrechten, sondern darum, dass allen Menschen die für alle geltenden – universellen – Menschenrechte zuteil werden. "Folgt man dieser Argumentation", schreibt Hans-Joachim Mengel, "bedarf es keines spezifischen Menschenrechts, das die Freiheit der sexuelle Orientierung garantiert, sondern die bestehenden völkerrechtlichen Menschenrechte müssen auch für Homosexuelle und deren Lebensgestaltungsmöglichkeiten Geltung bekommen." Und dennoch: Seit Anbeginn war das Subjekt der Menschenrechte heterosexuell. Dies lässt sich auch heute noch spüren: Der Schutz und die Gewährleistung der Menschenrechte von Lesben und Schwulen gestalten sich weltweit nach wie vor sehr unterschiedlich. Selbst in jenen aufgeklärten Gesellschaften, die sich eine gewisse Offenheit auf ihre Fahnen schreiben, ist die rechtliche und soziale Situation von Homosexuellen nach wie vor prekärer als jene von Heterosexuellen.

Diskriminierung von Homosexuellen in Uganda

Homosexualität ist auch Ende 2011 noch in 76 Ländern illegal und wird in fünf – Iran, Mauretanien, Saudi-Arabien, Sudan und Jemen – mit dem Tode bestraft. Mit einem neuen Gesetzesentwurf sorgte 2009 auch Uganda national und international für Aufregung: Auf Homosexualität soll nun auch in dem ostafrikanischen Staat die Todesstrafe stehen. Weltweit richtete sich damit die Aufmerksamkeit auf das – bis dahin von vielen Geberländern als solches bezeichnete – Erfolgsbeispiel der Entwicklungszusammenarbeit.

Der entsprechende ugandische Gesetzesentwurf gegen Homosexualität besagt, dass homosexuelle Handlungen mit lebenslanger Haft und HIV-infizierte Homosexuelle oder Serientäter/innen mit dem Tod bestraft werden sollen. In der Rubrik "Sonstiges" heißt es im vorletzten Absatz lapidar, jedes internationale Gesetz, das dem Geist dieses Entwurfes widerspricht, werde für null und nichtig erklärt. Für all diejenigen, die bekannte Homosexuelle nicht bei der Polizei anzeigen und damit qua Argumentation Beihilfe oder Begünstigung der Homosexualität leisten, ist eine mehrjährige Gefängnisstrafe vorgesehen.

Am 19. Oktober 2009 brachte David Bahati den Gesetzesentwurf als Privatperson im ugandischen Parlament ein. Er gehört – auch nach den Wahlen 2011 – der Fraktion der regierenden Partei "National Resistance Movement" (NRM) des Präsidenten Yoweri Kaguta Museveni an. Das Verbot gleichgeschlechtlicher Beziehungen würde, so die Argumentation Bahatis, die Nation darin bestärken, die internen und externen Bedrohungen für die traditionelle heterosexuelle Familie abzuwenden.

Die Empörung im Ausland war groß und Uganda machte mit dem Gesetzesentwurf weltweit Negativschlagzeilen. Innerhalb des Landes war der Vorschlag Bahatis stark umstritten: Auf der einen Seite wurde er von den Massen – inklusive weiten Kreisen der Politik und Meinungsführern – unterstützt. Gleichzeitig ermöglichte er durch das Brechen des Tabus aber, dass das Thema erstmals offen diskutiert wurde. Ugandische Homosexuelle wagten sich – mit internationaler Unterstützung und gewisser Vorsicht ob der eigenen Gesundheit – erstmals hinter dem Vorhang hervor und bezogen Stellung. Aktivisten/innen setzten sich für die Rechte von Lesben und Schwulen ein.

Noch vor den Wahlen Anfang 2011 wurde eine Abstimmung über den sogenannten "Anti-Homosexuality Bill" wider Erwarten zunächst ausgesetzt. Im Mai desselben Jahres beschloss das Parlament dann allerdings, noch nicht bearbeitete Gesetzesentwürfe in die nächste Legislaturperiode zu überführen. Dies betraf auch Bahatis Eingabe, über die Anfang 2012 zwar neuerlich diskutiert, jedoch abermals nicht entschieden wurde. Das letzte Wort in der Sache steht somit nach wie vor aus.

Politische Aspekte

Es scheint unmöglich, dass Uganda Anfang des 21. Jahrhunderts im Alleingang ein Gesetz verabschiedet, das die Todesstrafe für Homosexuelle fordert – und dies gegen den geballten Protest der internationalen Staatengemeinschaft. Die Verschiebung des betreffenden Parlamentsentscheids auf unbestimmte Zeit führen konsequenterweise viele auf den weltweiten Aufschrei zurück, den er verursachte: US-Außenministerin Hilary Clinton soll persönlich mit Präsident Museveni telefoniert, Großbritannien und andere Staaten mit der Kürzung von Fördermitteln gedroht haben etc. Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, schreibt im Vorwort des Bandes "Yogyakarta Plus: Menschenrechte für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle in der internationalen Praxis": "Während es in bestimmten Situationen erforderlich ist, Druck auf Regierungen auszuüben – in Uganda haben wir das erfolgreich praktiziert –, ist in anderen Fällen ‚stille Diplomatie‘ wichtig, um LSBTI (Anm. d. Red: Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle) nicht zu gefährden." Ob Museveni sich mit dem Aussetzen des Verfahrens tatsächlich dem internationalen Druck beugte, scheint fraglich. Der offizielle – und inoffizielle – Standpunkt der Regierung nämlich lautete klar, dass dies eine innerugandische Entscheidung sei, die ohne Einmischung von außen getroffen werden müsse.

Aktuelle Entwicklungen auf internationaler Ebene

Welche Denkanstöße lassen sich anhand des Beispiels Uganda nun gewinnen? Vielleicht muss man sich fragen, ob es nicht doch speziell für Homosexuelle beziehungsweise LSBTI formulierte Menschenrechte geben sollte? Vielleicht bedarf es dieser gesonderten Betonung? Diese Haltung scheint auch innerhalb der Vereinten Nationen an Zustimmung zu gewinnen. Dass es dabei nicht einheitlich zugeht, zeigt der Fall der UN-Resolution 63/182: Im Hinblick auf außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen wird die internationale Staatengemeinschaft darin nachdrücklich dazu aufgefordert, "alle Tötungen von Personen aus Diskriminierungsgründen, einschließlich aufgrund der sexuellen Orientierung", auf nationaler oder internationaler Ebene vor ein zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht zu bringen. Die Resolution wurde am 18. Dezember 2008 mit 127 Stimmen, ohne Gegenstimme und mit 58 Enthaltungen verabschiedet – Uganda stimmte dafür. Überraschenderweise beschloss dann der Dritte Ausschuss der UN-Vollversammlung am 17. November 2010, diese Passage wieder aus der bis dahin einzigen UN-Resolution, in der sexuelle Orientierung explizit erwähnt wurde, zu streichen. Großem Protest folgend, kam es am 21. Dezember 2010 zur Rücknahme der Streichung: Nun schließt die Resolution sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität wieder ein. Erstmalig stellte Brasilien 2003 eine eigene Resolution mit dem Titel "Menschenrechte und sexuelle Orientierung" vor, die jedoch – massiven Protesten der islamischen Staaten, des Vatikans und der USA folgend – noch vor formeller Einreichung wieder zurückgezogen wurde. Nach weiteren Diskussionen legte im März 2011 Südafrika seinerseits einen eigenen Resolutionsentwurf zum Thema im Menschenrechtsrat vor. Nach Bekanntwerden der Initiative erfuhr sie eine breite Unterstützung durch LSBTI-Nichtregierungsorganisationen; in der erstaunlichen Endfassung der Resolution ist neben sexueller Orientierung (SO) auch das Konzept der Geschlechtsidentität (GI) enthalten. Am 17. Juni brachte Südafrika zusammen mit Brasilien den Resolutionsentwurf beim UN-Menschenrechtsrat ein, wo er mit knapper Mehrheit – 23 Unterstützerstaaten (darunter interessanterweise auch Uganda), 19 Gegenstimmen und drei Enthaltungen – angenommen wurde. Damit trat die erste Resolution der Vereinten Nationen ausschließlich zu SOGI-Menschenrechten in Kraft. Unter anderem legte man darin die Beauftragung einer bis Dezember 2011 fertigzustellenden Studie fest, die diskriminierende Rechtsvorschriften und Praktiken sowie Gewalthandlungen gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Geschlechteridentität in allen Regionen der Welt dokumentieren sollte.

Die Studie – die erste ihrer Art – wurde am 15. Dezember 2011 von der UN-Menschenrechtskommission in Genf vorgestellt und bestätigte einmal mehr die weltweite Gewalt gegen LSBTI-Personen, die von Diskriminierung in gesellschaftlichen Bereichen wie Gesundheit und Bildung über Folter und Kriminalisierung bis hin zu Tötungen reicht. Navi Pillay, die Hohe Menschenrechtskommissarin, rief die Länder in der Folge dazu auf, Gesetze, die aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität diskriminieren und kriminalisieren, abzuschaffen – insbesondere die Todesstrafe.

Aufgrund dieser klaren Positionierung der Vereinten Nationen ist anzunehmen – und zu hoffen –, dass der internationale Menschenrechtsschutz künftig auch klarere Definitionen in Bezug auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität festlegt und durchsetzt.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte bei einem Gipfel der Afrikanischen Union (AU) Ende Januar 2012 in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba die Diskriminierung Homosexueller in afrikanischen Staaten scharf kritisiert. Er betonte, dass Homosexuelle als Bürger zweiter Klasse oder sogar Kriminelle behandelt würden. "Gegen diese Diskriminierung anzukämpfen ist eine Herausforderung", so Ki-moon, "aber wir müssen den Idealen der Menschenrechtserklärung gerecht werden."

Fussnoten

Patricia Otuka-Karner, 1980 in Österreich geboren, studierte Theaterwissenschaften und Anglistik an der Universität Wien. Von 2005 bis 2012 lebte sie in Uganda, wo sie als freie Journalistin, Regisseurin und Beraterin einer Frauenrechtsorganisation tätig war. Seit Juli 2012 ist sie mit ihrer Familie zurück in Österreich und arbeitet derzeit hauptberuflich als Journalistin.