Mangelnde Quellenangaben, fehlende Zitate und unpassende Bilder oder Videos machen Online-Berichte oder Social-Media-Beiträge schon auf den ersten Blick weniger vertrauenswürdig. Mithilfe des Trust-Checking-Ansatzes können Schülerinnen und Schüler diese und weitere Kriterien überprüfen und so die Vertrauenswürdigkeit von Informationen eigenständig einschätzen – auch auf beliebten Plattformen wie Instagram und TikTok.
Warum braucht es Trust-Checking?
Desinformation zielt darauf ab, die öffentliche Meinung zu manipulieren und die Gesellschaft zu polarisieren, um auf diese Weise Schaden anzurichten. Das gelingt auch, ohne dass eine konkrete Lüge erzählt wird. Wenn zum Beispiel gezielt bestimmte „Meinungen“ und „Ängste“ zu Themen wie Migration oder Krieg gestreut werden, ist es kaum möglich, ein klares Urteil zu fällen, was „wahr“ oder „falsch” ist. Wie können Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler in einem solchen Umfeld befähigen, Desinformationen zu begegnen, ohne selbst das zeitintensive und anspruchsvolle Faktenchecken beherrschen zu müssen?
Der gemeinnützige Verein codetekt hat mit dem Trust-Checking (auf Deutsch: Vertrauenscheck) eine niedrigschwellige Option für den unmittelbaren Umgang mit potenziellen Desinformationen entwickelt. Der Ansatz wurde in Teilen durch das Center for Advanced Internet Studies (CAIS) empirisch bestätigt,
Der Trust-Checking-Ansatz soll es Schülerinnen und Schülern ermöglichen, eigenständig und schnell die Vertrauenswürdigkeit einer Information einzuschätzen, wenn sie mit potenziellen Falschinformationen konfrontiert sind. Damit ergänzt das Trust-Checking bereits existierende Lösungsansätze, die entweder vor einer Desinformation greifen, wie das
Was ist der Vertrauenscheck?
Der Trust-Check prüft Informationen anhand von fünf Kriterien auf einer Skala von “nicht-vertrauenswürdig” bis “vertrauenswürdig”. Diese Kriterien funktionieren wie eine Checkliste für die Begegnung mit potenziellen Desinformationen. Für eine fundierte Bewertung ist eine Kombination der verschiedenen Trust-Checking-Kriterien nötig, denn erst deren Verbindung lässt eine differenzierte Einschätzung der Information zu. So angewandt fordert bzw. fördert der Trust-Check einen ganzheitlichen, kritischen Blick auf Informationen. Folgende Kriterien sind dabei zu berücksichtigen:
Quelle: Eine vertrauenswürdige Nachricht gibt Auskunft über ihre Quellen. Sie macht nachvollziehbar, woher die Informationen stammen und dass entsprechende Expertise vorliegt.
Inhalt: Der Inhalt ist sachlich, nicht diskriminierend oder übertrieben emotional formuliert. Die Überschrift passt zum Inhalt, der verschiedene Perspektiven aufzeigt.
Zitat: Zitate werden korrekt wiedergegeben, sind klar zuordenbar und vollständig oder nachvollziehbar gekürzt. Die zitierte Person weist Fachwissen in Bezug auf das Thema vor.
Bild oder Video: Bilder und Videos sind authentisch, passen zum Thema und rufen keine extremen Emotionen hervor. Wichtig sind auch die Qualität und der Kontext, in dem die Aufnahme gemacht wurde.
Medium/Online-Präsenz: Das Medium ist unabhängig, im Impressum (analog und digital) wird eine verantwortliche Person benannt. Social-Media-Profile sollten in der Beschreibung Hinweise zur Verantwortlichkeit enthalten und die Postings sollten inhaltlich konsistent sein. Webseiten sollten professionell wirken und eine stimmige Adresse haben.
Die fünf Kriterien für den Vertrauenscheck im Überblick. (© codetekt)
Die fünf Kriterien für den Vertrauenscheck im Überblick. (© codetekt)
Das Trust-Checking anhand der genannten Kriterien soll einen praktikablen Handlungsrahmen für den ersten Kontakt mit potenziellen Desinformationen aufzeigen. Es steht nicht im Fokus, jede Information als „wahr” oder „falsch” zu bewerten, da Online-Beiträge oft vielschichtig oder sogar mehrdeutig sind. Der Ansatz arbeitet mit der Einschätzung jedes Kriteriums auf einer Skala von “nicht-vertrauenswürdig” bis “vertrauenswürdig” und ermöglicht so eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Information. Die Verbindung und Gewichtung dieser Einschätzungen ergeben die Gesamtbewertung.
Diese Vorgehensweise kann auch zu Herausforderungen führen: Nach dem Prüfen der „Checkliste“ erhalten Schülerinnen und Schüler nicht immer eine eindeutige Antwort. Häufig erscheint ein Großteil der Kriterien „vertrauenswürdig“, während ein einzelnes, aber entscheidendes Kriterium als „nicht vertrauenswürdig“ bewertet wird. Das beeinflusst die Gesamteinschätzung, denn das Trust-Checking ist keine quantitative oder binäre Methode, sondern erfordert Offenheit und Ambiguitätstoleranz. Dieser Ansatz bietet die Chance, produktiv mit unterschiedlichen Ausprägungen umzugehen, birgt aber auch das Risiko von Verunsicherung. Umso wichtiger ist es, die Ergebnisse gemeinsam zu diskutieren und Schülerinnen und Schüler dabei zu begleiten, eine kritische Haltung zu entwickeln.
Wie kann ein kritischer Medien- und Nachrichtenkonsum aussehen?
Durch die zahlreichen und schnelllebigen Social-Media-Beiträge verlagert sich sowohl die Verantwortung als auch die Notwendigkeit, Informationen zu bewerten und einzuordnen, zunehmend auf die Seite der Rezipientinnen und Rezipienten. Aktuell fühlt sich jedoch nur die Hälfte der jungen Menschen dazu in der Lage.
Die Trust-Checking-Kriterien bieten Orientierung und Struktur – so etwa für Rechercheaufgaben im Unterricht, im Rahmen von Projekttagen, für die Schulzeitungs-AG oder bei demokratierelevanten Ereignissen. Beispielsweise können die Kriterien anhand echter Beispiele mit dem Trust-O-Mat, einer Art „Selbstlernkurs“ für das Trust-Checking, angewendet werden. Angeboten wird dieser Trust-O-Mat von Externer Link: faktenstark, einer Initiative der Amadeu Antonio Stiftung und codetekt, die von der Bertelsmann Stiftung unterstützt wird. Auf Anfrage können individualisierte Links für den Schuleinsatz kostenfrei von codetekt bereitgestellt werden. Der Verein bietet darüber hinaus auch Externer Link: Workshops für Schülerinnen und Schüler ab der achten Klasse an, in denen der Trust-Checking-Ansatz gemeinsam erarbeitet wird.
Unterrichtsimpulse zu den Trust-Checking-Kriterien
Auch, wenn der Trust-Checking-Ansatz eine möglichst niedrigschwellige Option darstellen soll, ist ein gewisses Maß an Nachrichtenkompetenz für die Einschätzung der Kriterien von “nicht-vertrauenswürdig” bis “vertrauenswürdig” nötig. Ergänzende Impulse können das Verständnis der Schülerinnen und Schüler von den Trust-Checking-Kriterien fördern und ihre Medien- bzw. Nachrichtenkompetenz stärken. In Bezug auf die genannten Kriterien können das folgende Anregungen sein:
Quelle: Was sind vertrauenswürdige Quellen für junge Menschen?
Schülerinnen und Schüler erstellen einen Steckbrief ihrer „Lieblingsquellen“. Die Kategorien können frei gewählt oder vorgegeben werden, beispielsweise eine Einordnung in Bezug auf politische Orientierung, inhaltliche Schwerpunkte oder Berücksichtigung des Pressekodex. Eine Externer Link: Aufstellung von vertrauenswürdigen Formaten für eine junge Zielgruppe wurde von der Initiative #UseTheNews gemeinsam mit Partnern aus Medien, Bildung und Forschung erstellt. Sie kann Inspirationen zur Erweiterung des eigenen Repertoires an Quellen bieten.
Inhalt: Was steckt zwischen den Zeilen? Wie verzerren als Codes getarnte Emojis oder Hashtags den Inhalt?
Besonders in sozialen Medien werden diskriminierende Äußerungen oft hinter doppeldeutigen Codes oder Emojis versteckt. Welche Emojis und Codes häufig genutzt werden und welche Strategien dahinterstecken, erklärt auch das Werkstatt-Reel "Emoji-Codes entschlüsseln". Schülerinnen und Schüler erarbeiten eine Art Vokabelliste und befähigen sich so “zwischen den Zeilen zu lesen” und kritisch zu hinterfragen.
Zitat: Wie funktioniert Dekontextualisierung?
Anhand von Memes lässt sich die Funktionsweise von Dekontextualisierung verdeutlichen. So ist es im Rahmen von Memes lustig, Bilder und Aussagen neu miteinander zu kombinieren. In Bezug auf Informationen und Nachrichten birgt dies jedoch erhebliche Gefahren der Täuschung und Manipulation. Um diese Funktionsweise nachzuvollziehen, können Schülerinnen und Schüler selbst Memes erstellen und herausarbeiten, wie sich Wirkung und Lesart je nach Kontext verändern und welche Auswirkungen das auf die Meinungsbildung haben kann.
Bilder und Videos: Wie, wo und warum wurde eine Aufnahme gemacht?
Um starke Emotionen und Reaktionen hervorzurufen, können nur ein gezielter Bildausschnitt oder manipulierte, aus dem Zusammenhang gerissene bzw. KI-generierte Aufnahmen genutzt werden. Schülerinnen und Schüler können ein Quiz erstellen, indem sie zu einem von ihnen ausgewählten Bild eine Aussage treffen, z.B. „Hier bin ich im Urlaub an der Ostsee.“ Mitschülerinnen und Mitschüler sollen dann herausfinden, wie vertrauenswürdig das Bild ist. Dafür kann die Bilder-Rückwärtssuche genutzt werden, die beispielsweise von dem Externer Link: gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv erklärt wird oder auch im
Medium: Wer sendet Informationen? Wer steckt hinter der Nachricht?
In sozialen Netzwerken können alle Menschen, Marken und Medien Inhalte teilen. Diese existieren nebeneinander und sind unterschiedlich vertrauenswürdig. Um dem zu begegnen, können Schülerinnen und Schüler Anforderungen für ein vertrauenswürdiges Profil erarbeiten, die über die der plattformeigenen „Verifiziert“-Symbole hinausgehen. Als Grundlage dafür können die Externer Link: Tipps von Juuport zum Erkennen von Fake-Profilen dienen.
Fazit
Der Trust-Checking-Ansatz kann Lehrenden und Lernenden Orientierung und Struktur bieten, um Desinformationen besser zu erkennen. Mithilfe der fünf Trust-Checking-Kriterien können Informationen eigenständig auf ihre Vertrauenswürdigkeit bewertet werden. Dadurch entsteht ein unmittelbarer Handlungsraum für Schülerinnen und Schüler, der auch Grauzonen öffnet. Es ist möglich, dass die Mehrheit der Kriterien als “vertrauenswürdig” eingeschätzt werden, ein “nicht vertrauenswürdiges” Kriterium aber besonders schwerwiegend zu bewerten ist. Dies verändert letztendlich den Gesamteindruck der Nachricht und sollte beispielsweise im Klassenkontext diskutiert werden.
Da bei diesem Ansatz die ganzheitliche Betrachtung gefördert wird, eignet er sich auch zur Einschätzung KI-generierter Inhalte. Mittlerweile lassen sich so genannte