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„KI hat schon längst den Unterricht verändert“ | KI und maschinelles Lernen | bpb.de

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„KI hat schon längst den Unterricht verändert“ Kleines 3x3

Leonie Meyer

/ 5 Minuten zu lesen

Viele Lehrende sahen generative KI anfangs skeptisch. Inzwischen wird sie zunehmend in der täglichen Arbeit eingesetzt. Doch wie sehen Schülerinnen und Schüler die Rolle von KI im Unterricht?

Der schulische Einsatz von KI beschäftigt Schülerinnen und Schüler genau wie Lehrkräfte.

Einer aktuellen Studie zufolge glauben fast 80 Prozent der befragten Jugendlichen, dass künstliche Intelligenz den Unterricht in den kommenden Jahren stark verändern wird. Wir haben bei Schülerinnen und Schülern der Landesschülervertretungen nachgefragt, wie sie den Einsatz von KI im Unterricht einschätzen.

Über unsere Interviewpartner/-innen

Neele Frommke (18 Jahre) ist stellvertretende Vorsitzende und Pressekoordinatorin des Landesschülerrats Mecklenburg-Vorpommern.

Gaston Liepach (19 Jahre) ist Landesschulsprecher Hessen und hat in der Vergangenheit den Ausschuss für Digitalisierung der Landesschülervertretung Hessen geleitet.

Erion Krasniqi (19 Jahre) besucht aktuell die 12. Klasse und engagiert sich als stellvertretender Landesschulsprecher in Schleswig-Holstein.

Nutzen du oder deine Mitschülerinnen und Mitschüler KI-Tools für die Schulaufgaben?

Neele Frommke: Ja, nicht nur ich, sondern auch die meisten meiner Mitschüler*innen nutzen KI als Lerntool, doch der Umgang damit unterscheidet sich stark. Manche greifen darauf zurück, um sich zu kontrollieren oder mit KI Aufgaben zu lösen. Andere wiederum recherchieren mit Hilfe von künstlichen Intelligenzen wie ChatGPT. Das endet aber auch oft damit, solche Programme als Abkürzung zu nutzen, da KI eben viele im Unterricht relevante Themen relativ gut und vor allem einfach aufarbeiten kann.

Schüler Erion Krasniqi (© privat)

Gaston Liepach: Auf jeden Fall nutze ich KI-Tools. Fast alle meine Mitschülerinnen und Mitschüler nutzen ebenfalls KI. Im Unterricht wird das so gut wie nie besprochen oder gesagt. Einige wenige verwenden Tools wie ChatGPT live im Unterricht. Die Antwort wird dann ein bisschen umformuliert und dann vorgetragen, damit es normaler klingt. Es werden aber abseits des bekannten ChatGPT auch die Suchmaschinen-fähigen Versionen wie Bing-Copilot oder Gemini von Google verwendet. Manche nutzen sie, um sich Aufgaben erstellen zu lassen, an denen sie dann üben können. Manche nutzen es zur schnelleren Recherche. Und andere lassen sich gar die Texte komplett schreiben.

Kreativere Lehrkräfte binden die Tools aber auch selbst ein. So sollte beispielsweise im Unterricht zu einer Szene aus Faust I eine Illustration gestaltet werden. Einige haben dann mit Bing Image Creator herumgespielt, um Bilder durch eine KI zu generieren, während andere etwas per Hand gezeichnet haben. Es werden grundsätzlich nicht viele unterschiedliche Tools verwendet. Wichtig ist bei neuen Tools immer, dass sie kostenlos sind. Unter meinen Mitschülerinnen und Mitschülern ist die Bereitschaft oder die Möglichkeit zu zahlen nicht gegeben.

Erion Krasniqi: Natürlich nutze ich KI. Ab und an ist es notwendig, Unterstützung bei komplexen Aufgaben oder für das Verständnis umfangreicher Texte zu erhalten sowie bei Fragen, auf die man allein keine Antwort findet. Es ist mittlerweile bekannt, dass einige KI für ihre Hausaufgaben nutzen. Oft kommt dabei ChatGPT zum Einsatz.

Wird KI den Unterricht in der Zukunft verändern?

Schülerin Neele Frommke. (© privat)

Gaston Liepach: KI hat schon längst den Unterricht verändert. Nur leider sehr einseitig. Die Schülerinnen und Schüler nutzen künstliche Intelligenz, um ihre Aufgaben zu erledigen oder sich Übungen entwerfen zu lassen. Die Lehrkräfte sind in der Regel nicht darauf vorbereitet. Das heißt sie versuchen weiterhin Tools zu verbieten, auch wenn die Verwendung nicht wirklich nachzuweisen ist. Der Unterricht wird sich auf längere Zeit mit KI weiterentwickeln. Das Problem ist jedoch, dass das seeehr lange dauern wird. Eine mögliche Entwicklung könnte sein, dass solche Tools aktiv in die Recherche eingebaut und die Schülerinnen und Schüler dabei durch die Lehrkräfte unterstützt werden. Wichtig bleibt dabei natürlich die Überprüfung auf den Wahrheitsgehalt.

Eine weitere sehr wahrscheinliche Entwicklung ist die Individualisierung der Lernerfahrung. Wir sehen schon jetzt einige Schulen, die das ausprobieren. Die Schülerinnen und Schüler üben digital mit einem Laptop, Handy oder Tablet und die Lehrkraft kann Stärken und Schwächen sehen. Zumindest da, wo die KI sie vermutet. Dadurch bleibt mehr Zeit für die Lehrkraft, um auf die einzelnen Schülerinnen und Schüler einzugehen. Ich vermute, dass der durchschnittliche Schüler immer weniger Wissen im Kopf haben wird.

Neele Frommke: Lernende sollten aufgeklärt werden, um das volle Potenzial unserer heutigen Digitalisierung zu nutzen, doch hierfür benötigt es eine Fortbildung von Lehrkräften, damit diese das Wissen vermitteln können. Damit geht eine weitere Veränderung einher – die Integration von KI in den Unterrichtsalltag. Denn nur so lernen Schüler*innen den sicheren Umgang mit den heutigen Technologien. Wenn sie den nicht lernen, können künstliche Intelligenzen zur Gefahr werden, da nur wenige mit ihnen umzugehen wissen.

Erion Krasniqi: Absolut, das ist bereits gängige Praxis. Zum Beispiel verwenden wir im Unterricht gelegentlich KI, um spezifische Fragen zu beantworten oder wir entwerfen "Beispielklausuren", um uns so auf die echten Klausuren vorzubereiten. Ich denke allerdings nicht, dass eine KI den Lehrer oder die Lehrerin ersetzen kann. Im Unterricht braucht man den menschlichen Kontakt.

Welche Chancen und Herausforderungen siehst du für den Einsatz von KI-Tools in der Schule?

Neele Frommke: Ein großer Vorteil ist die Vielfalt in der Anwendung von KI, denn sowohl Lehrkräfte als auch Schüler*innen können von den Systemen profitieren. Ein Beispiel hierfür sind Feedbackplattformen, die Lehrkräfte entlasten und Lernende in ihrer Weiterentwicklung unterstützen können, da sie individualisierte Bewertungsbögen schreiben.

Schüler Gaston Liepach. (© privat)

Eine Herausforderung sehe ich jedoch in der Chancengerechtigkeit, die bei dem Thema Digitalisierung immer mitschwingt, da nicht jede*r Schüler*in im gleichen Maß Zugang zu künstlicher Intelligenz hat. Man muss in der Schule besonders darauf achtgeben, dass Personen mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status Zugang zu digitalen Programmen, Geräten und Zubehör erhalten, sodass sie sich dahingehend weiterbilden können.

Gaston Liepach: Eine große Chance ist natürlich, dass wir eine stärkere individuelle Lernerfahrung haben können. Der Lernerfolg ist weniger von der Lehrkraft und anderen Faktoren abhängig. Das kann aber auch nach hinten losgehen. Manche Schülerinnen und Schüler haben Zugang zu einem guten Endgerät, mit dem man gut arbeiten kann. Andere können sich solche Geräte nicht leisten. Da kann die KI noch so gut sein. Eine große Gefahr ist auch, dass KI Vorurteile hat. Damit bewirkt sie genau das Gegenteil von dem, was sie eigentlich ermöglichen soll. Manche Schülerinnen und Schüler könnten dadurch systematisch benachteiligt werden. Wegen der langsamen Reaktion der Landesregierungen, besonders im Bereich der Digitalisierung, mache ich mir Sorgen. Man muss bei diesem Thema sehr aufpassen. Aktuell sehe ich die Bundesländer nicht dazu in der Lage, KI im Unterricht bereitzustellen.

Erion Krasniqi: Eine Möglichkeit besteht darin, dass KI uns effizienter macht, indem sie uns bei Aufgaben unterstützt und uns hilft, die Aufgaben schneller zu verstehen und zu erledigen. Allerdings bin ich auch der Meinung, dass sie unser eigenes kritisches Denken beeinflusst und wir es nicht mehr so sehr als primäre, sondern sekundäre Fähigkeit nutzen werden. Dadurch könnten wir die Eigenständigkeit des Denkens vernachlässigen. Dies könnte zu mehr Faulheit und im schlimmsten Fall zu weniger Ehrgeiz führen, etwas selber zu machen und sich Wissen selbst zu erarbeiten.

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Leonie Meyer ist Redakteurin für werkstatt.bpb.de. Daneben studierte sie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Master Politikwissenschaft. Ihr thematischer Schwerpunkt liegt auf den Wechselwirkungen von Sozialen Netzwerken und Politik bzw. politisch-historischer Bildung.