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Engagement von Lehrkräften gegen Rechtsextremismus Kleines 3x3

Leonie Meyer

/ 6 Minuten zu lesen

Ob auf Instagram oder im Lehrerzimmer – zahlreiche Lehrkräfte positionieren sich aktuell gegen Rechtsextremismus. Wir haben drei von ihnen nach ihren Beweggründen gefragt.

Die Lehrkräfte Hilal Ebcin, Adnan Akpinar und Hülya Atasoyi positionieren sich online und offline gegen Rechtsextremismus.

Bericht des Recherchenetzwerks Correctiv über "Geheimtreffen"

Am 10. Januar 2024 veröffentlichte das Recherchenetzwerk Correctiv einen Externer Link: Bericht, demzufolge bei einem Treffen in Potsdam ein „Masterplan zur Remigration“ diskutiert wurde. Beteiligt waren rechtsextreme Kreise, finanzstarke Unternehmer sowie Politiker von AfD, CDU und Werteunion. Die Recherchen ergaben, dass bei dem so genannten Geheimtreffen ein Plan entwickelt wurde, Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus rassistischen Gründen aus Deutschland abzuschieben.

Als Reaktion auf die Recherche gingen deutschlandweit hunderttausende Menschen auf die Straße und positionierten sich gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie.

Was denkst du über die Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv zu einem Treffen rechtsextremistischer Akteure?

Hülya Atasoyi: Die Enthüllungen haben mich nicht nur erschüttert, sondern auch sehr nachdenklich gemacht. Als Lehrerin mit Migrationshintergrund kommen sofort Fragen in mir auf: Würde ich ebenfalls betroffen sein? Müsste ich Deutschland verlassen, wenn die AfD an die Macht kommt? Deutschland, das Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin. Als mein Großvater in den 60er Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland kam, stand die Arbeit und das verdiente Geld, welches in die Heimat geschickt werden sollte, im Vordergrund. Doch im Laufe der Jahre wurde aus dem Arbeitsland ein Zuhause - auch für mich. Mein Großvater strebte danach, seinen Kindern und Enkelkindern eine gute Zukunft in einem demokratischen Land wie Deutschland zu ermöglichen.

Lehrerin Hülya Atasoyi. (© privat)

Es ist beunruhigend festzustellen, dass Deutschland ein ausgeprägtes Rassismus-Problem hat. Ich setze mich deswegen mit vollem Engagement in unserem Arbeitskreis "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" (SoR-SmC) gegen Rassismus in und außerhalb von Bildungseinrichtungen ein. Es liegt mir besonders am Herzen, ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen und die demokratischen Werte Deutschlands zu verteidigen.

Adnan Akpinar: Die Enthüllungen überraschen mich ehrlich gesagt nicht. Wer sich lange mit dem Thema Rechtsextremismus beschäftigt, erkennt schnell, dass diese Gedanken nicht neu sind. Besorgniserregend ist jedoch die relative Bagatellisierung der Pläne. Das zeigt, dass vielen Menschen nicht bewusst ist, welche gravierenden Auswirkungen deren Umsetzung hätte. Es ginge nicht bloß um eine einfache "Abschiebung", sondern um eine Deportation, die den Entzug von Grundrechten und den Verlust von Privateigentum bedeuten würde.

Die politischen, rechtlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und moralischen Auswirkungen wären fatal, nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund, sondern für alle in Deutschland lebenden Menschen. In der öffentlichen Diskussion wird oft übersehen, dass eine wachsende Zahl gut ausgebildeter Menschen mit Migrationshintergrund beginnt, ernsthaft über eine Auswanderung nachzudenken und entsprechende Pläne zu entwickeln.

Hilal Ebcin: Die Recherchen haben mich zutiefst betroffen und traurig gemacht. Ich habe mich entschieden, meine Gedanken dazu im "Instalehrerzimmer" zu teilen, um zur Diskussion über den Umgang mit Rechtsextremismus im Bildungswesen beizutragen. Ich möchte Lehrkräften helfen, das Thema im Unterricht zu behandeln, um Schülerinnen und Schüler für diese wichtige gesellschaftliche Herausforderung zu sensibilisieren und ihnen die notwendigen Werkzeuge für ein demokratisches Miteinander zu vermitteln. Zusammen mit anderen Lehrkräften habe ich den Hashtag #lehrkräftegegenrechts ins Leben gerufen. Unser Reel wurde sehr positiv aufgenommen und hat andere Lehrkräfte dazu ermutigt, sich im "Instalehrerzimmer" zu Wort zu melden.

Gleichzeitig bin ich froh, dass viele Menschen in den vergangenen Wochen auf die Straßen gegangen sind und demonstriert haben. Diese öffentlichen Kundgebungen zeigen, dass eine breite gesellschaftliche Ablehnung gegenüber rechtsextremen Aktivitäten vorhanden ist und dass wir gemeinsam für eine demokratische und tolerante Gesellschaft einstehen.

Wie haben deine Schülerinnen und Schüler auf das Thema reagiert und wie sprichst du mit ihnen darüber?

Hülya Atasoyi: Das aktuelle Weltgeschehen beeinflusst das Leben meiner Schülerinnen und Schüler direkt oder indirekt. Nachdem sie von dem rechtsextremistischen Treffen erfahren haben, tauchten viele Fragen und Gedanken auf. Um sicherzustellen, dass sich niemand unter Druck gesetzt fühlt, ermutige ich die Schülerinnen und Schüler dazu, ihre Gedanken und Fragen anonym auf Zetteln zu notieren. Mir ist besonders wichtig, dass sie sich für andere Menschen stark machen und sich klar gegen rassistische Äußerungen positionieren, unabhängig davon, ob man selbst einen Migrationshintergrund hat oder nicht.

Zum Einstieg in das Thema "Migrationshintergrund" habe ich zunächst alle Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund gebeten, das Klassenzimmer zu verlassen. Von 28 Kindern blieben nur sechs im Klassenzimmer. Schließlich riefen die verbliebenen Kinder: Frau Atasoyi, Sie müssen auch raus! Nach der Stunde fassten die Schülerinnen und Schüler ihre Erkenntnisse so zusammen: Jeder Mensch ist gleich, egal aus welchem Land er kommt oder wie er aussieht. Wir sind alle wertvoll auf unsere eigene Weise.

Adnan Akpinar: Als Lehrer für die Fächer Politik sowie Werte und Normen betrachte ich es als meine Verantwortung, mit meinen Schülerinnen und Schülern über aktuelle Themen zu sprechen und Gefährdungen der Demokratie durch politischen Extremismus zum Ausgangspunkt meines Unterrichts zu machen. Es ist wichtig, dass sie verstehen, dass unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung keine Selbstverständlichkeit ist und dass eine "wehrhafte Demokratie" Menschen braucht, die sie aktiv verteidigen, bevor es zu spät ist. Um extremistischen Ideologien wirksam und präventiv entgegenzutreten, müssen die Schüler extremistische Haltungen erkennen und verstehen lernen, wie diese entstehen. Dabei bieten zentrale Begriffe wie Menschenwürde, Grundrechte, Demokratie und Rechtsstaatsprinzip eine gute Grundlage.

Lehrer Adnan Akpinar. (© privat)

Außerdem ist die Frage, ob die AfD eine extremistische Partei ist und unter welchen Umständen sie verboten werden sollte, ein aktuelles und kontrovers diskutiertes Thema, das die Schülerinnen und Schüler sehr interessiert. Durch die Einbeziehung fundierter verfassungsrechtlicher Kenntnisse können sie sich ein politisches Urteil bilden und die Frage differenziert diskutieren.

Hilal Ebcin: Mir ist es wichtig, meinen Schülerinnen und Schülern einen sicheren Raum zu bieten, in dem sie ihre Ängste und Sorgen äußern und sich gegenseitig unterstützen können. Nach einer Unterrichtsstunde zu dem Thema kamen mehrere Schülerinnen und Schüler auf mich zu und bedankten sich dafür, dass ich ihre Ängste ernst genommen habe. Sie äußerten, dass sie sich nun ruhiger fühlen und keine Angst mehr haben.

Die Schülerinnen und Schüler werden tagtäglich mit den sozialen Medien konfrontiert, auf denen auch extremistische Inhalte verbreitet werden. Es ist unsere Aufgabe als Lehrkräfte, den Schülerinnen und Schülern zuzuhören damit sie sich bei der Fülle an Informationen, die auf sie einprasseln, nicht allein gelassen oder gar hilflos fühlen.

Welche Gespräche führst du zu dem Thema mit Kolleginnen und Kollegen? (online im #Instalehrerzimmer und analog an deiner Schule)

Hülya Atasoyi: Gespräche im Lehrerzimmer zeigen mir, dass bei vielen noch große Unsicherheit im Umgang mit Rassismus und Rechtsextremismus herrscht. Wir haben deswegen beschlossen den didaktischen Leiter und die Regional- und Bundeskoordination von "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" einzubeziehen, um eine schulinterne Lehrerfortbildung für das gesamte Kollegium zu planen.

Ich selbst habe mit meinen Kolleginnen und Kollegen in erster Linie meine Sorgen und Gedanken geteilt. Ich wurde oft gefragt, wie es mir geht, wenn rechtsextreme Personen auf Instagram unter meinen Beiträgen kommentieren, wenn ich mich öffentlich gegen Rechtsextremismus positioniere. Ich bekomme teilweise Hassnachrichten, abwertende Kommentare und Drohungen, dass ich mich als Lehrkraft neutral verhalten soll. Die Unterstützung im Kollegium ist groß, und dafür bin ich sehr dankbar. Gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen habe ich auch an Demonstrationen gegen Rechtsextremismus teilgenommen, um zu zeigen, dass wir die freiheitlich-demokratische Grundordnung vertreten. Ich lasse mich nicht einschüchtern und bin dankbar für jede Unterstützung, sowohl in der Schule als auch in sozialen Netzwerken. Nur gemeinsam können wir etwas in der Gesellschaft und in den Köpfen der Menschen bewegen.

Adnan Akpinar: Im Kollegium und im virtuellen Lehrerzimmer auf Instagram diskutieren wir das Thema aus verschiedenen Perspektiven und auf verschiedenen Ebenen. Im Kollegium bleibt die Diskussion oft auf der fachlichen Ebene: Wir überlegen, wie wir das Thema für unsere jeweiligen Klassen am besten aufbereiten können und welche didaktischen Ansätze dafür geeignet sind.

Auf Instagram wird die Diskussion meist emotionaler. Dort tausche ich mich häufig mit anderen Kolleginnen und Kollegen aus, die ich persönlich nicht kenne. Viele von ihnen möchten das Thema gerne in ihren Unterricht integrieren, obwohl sie nicht Politik unterrichten. Es gab auch traurige Fälle, in denen Lehrkräfte mit Migrationshintergrund mir gegenüber geäußert haben, dass sie mit dem Gedanken spielen auszuwandern, aus Sorge um ihre Kinder.

Lehrerin Hilal Ebcin.

Hilal Ebcin: An meiner Schule wurden die Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv zu rechtsextremistischen Aktivitäten leider nicht angesprochen, doch ich weiß, dass viele Kolleginnen und Kollegen besorgt sind und sich Gedanken machen. Im #Instalehrerzimmer bin ich und sind auch andere aktiver.

Es ist entscheidend, dass wir als Lehrkräfte gemeinsam daran arbeiten, eine offene und demokratische Schulkultur zu fördern, in der Platz für Diskussionen und Reflexionen über gesellschaftlich relevante Themen wie Rechtsextremismus ist. Indem wir als Lehrkräfte diese Themen ansprechen, ermöglichen wir es unseren Schülerinnen und Schülern, ein tieferes Verständnis für die gesellschaftlichen Herausforderungen zu entwickeln und ihre eigenen Standpunkte zu reflektieren. Wir können dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und Toleranz sowie Respekt für Vielfalt zu fördern. Schule ist ein Ort, an dem Schülerinnen und Schüler nicht nur Wissen vermittelt bekommen, sondern auch die Werte und Fähigkeiten erlernen, die sie zu mündigen und verantwortungsbewussten Mitgliedern einer demokratischen Gesellschaft machen.

Über die Lehrkräfte

Hüyla Atasoyi ist Englisch- und Mathematiklehrerin an einer Gesamtschule in NRW. Mit ihrem Instagram-Account Externer Link: @miss.atasoyi möchte sie (angehende) Lehrkräfte unterstützen und sich für Menschen einsetzen, die von Rassismus oder anderen Formen von Diskriminierung betroffen sind.

Adnan Akpinar (Externer Link: @der_laehrer) unterrichtet Politik sowie Werte und Normen an einem Gymnasium in Niedersachsen. Er hat sich bewusst für die beiden Fächer entschieden, weil sie aktuelle Themen in den Vordergrund stellen. In seinem Unterricht nutzt er diese Möglichkeit, um aktiv mit Jugendlichen zu diskutieren.

Hilal Ebcin unterrichtet die Fächer Geschichte, Philosophie, Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und Sozialwissenschaften an einer Realschule. Sowohl im Unterricht als auch auf ihrem Instagram-Kanal Externer Link: @teacher__light setzt sie sich mit den Thema Diversität im Schulkonzept auseinander. Neben praktischen Tipps für den Lehreralltag teilt sie dazu Denkanstöße und Unterrichtsmaterialien.

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Leonie Meyer war von 2021-2024 Redakteurin für werkstatt.bpb.de. Ihr thematischer Schwerpunkt liegt auf den Wechselwirkungen von Sozialen Netzwerken und Politik bzw. politisch-historischer Bildung. Leonie Meyer hat einen Hintergrund in der Politikwissenschaft und studierte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.