Elena Manchenko ist eine ukrainische Lehrerin für Englisch und Deutsch. Sie kommt ursprünglich aus Odessa und hat dort an der Nationalen Universität Odessa Mechnikov Englisch, Deutsch und Französisch studiert. Im März 2022 ist sie über Moldawien und Bulgarien nach Deutschland geflohen. Hier arbeitet sie seit Januar 2023 an zwei norddeutschen Gymnasien und unterrichtet schwerpunktmäßig ukrainische Schülerinnen und Schüler in Willkommensklassen.
Frau Manchenko, wie ist Ihre aktuelle Situation?
Elena Manchenko: Im Moment lebe ich mit meiner sechsköpfigen Familie in Deutschland. Ich bin das einzige Familienmitglied, das Deutsch spricht. Dadurch bin ich privat stark beansprucht. Auch in meinem Berufsalltag wenden sich viele ukrainische Eltern aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse an mich, um mich bei organisatorischen Fragen um Rat zu bitten.
Wie gestaltet sich der (digitale) Schulalltag für ukrainische Lehrer und Lehrerinnen, die nach Deutschland geflohen sind – wo gibt es Erfolge, was sind aus Ihrer Sicht Hürden?
Elena Manchenko: Im Wesentlichen bestehen keine Unterschiede hinsichtlich des digitalen Schulalltags in Deutschland und der Ukraine. Seit Beginn der Covid-Pandemie konnten sich ukrainische Lehrkräfte an die Durchführung von Online-Unterricht über verschiedene Online-Plattformen gewöhnen. Allerdings habe ich einen großen Unterschied bei der Ausstattung mit digitaler Technik festgestellt: Hier bleiben ukrainische Schulen hinter dem Niveau deutscher zurück. Dementsprechend müssen wir einige digitale Anwendungen erst kennenlernen.
Ist es für ukrainische Lehrerinnen und Lehrer möglich, sowohl im deutschen als auch im ukrainischen Bildungssystem gleichzeitig zu agieren?
Elena Manchenko: Technisch ist es möglich, die Arbeit in Deutschland mit Fernarbeit an ukrainischen Schulen zu kombinieren. Praktisch dürfte diese parallele Arbeit aber ziemlich schwierig für sein, denn es gibt eine Reihe von Hindernissen. Das Ausbildungs- und Schulprogramm in der Ukraine ist meiner Ansicht nach intensiver und schwieriger als in Deutschland. So ist die ukrainische Schullaufbahn zum Beispiel ein Jahr kürzer als in Deutschland und das Abitur wird bereits in der elften Klasse absolviert. Dadurch ist die Unterrichtsbelastung für die Lernenden, aber auch für Lehrerinnen und Lehrer durch viele Hausaufgaben und die Intensität des Lernpensums hoch. Dieses Arbeitspensum zusätzlich zu der Arbeit an einer deutschen Schule zu leisten stelle ich mir sehr fordernd vor. Dazu kommt, dass die überwiegende Mehrheit der ukrainischen Lehrkräfte weiblich ist. Häufig obliegt in der Ukraine die gesamte Hausarbeit Frauen, wodurch ukrainische Lehrerinnen einer Doppelbelastung ausgesetzt sind.
Hat Sie etwas überrascht an der Arbeit an deutschen Schulen?
Elena Manchenko: Mir ist die vergleichsweise viel höhere Ausstattung von deutschen Schulen aufgefallen – von Sportmöglichkeiten über die Auswahl von Musikinstrumenten und Büchern bis hin zu digitalem Equipment besteht hier ein sehr großes Angebot. Außerdem finde ich es gut, dass Schülerinnen und Schüler in Deutschland nicht verpflichtet sind, eine Schuluniform zu tragen, weil ihnen das Möglichkeiten gibt zu tragen, worin sie sich wohlfühlen und sich über ihre Kleidung auszudrücken.
Das Interview führte Philine Janus.
Sie sind ukrainische/-r Lehrer/-in in Deutschland und möchten Ihre Erfahrungen – gerade in punkto digitales Arbeiten – teilen? Dann melden Sie sich gerne unter: E-Mail Link: redaktion@werkstatt.bpb.de