Wer hat die Macht auf Online-Plattformen?
Viele der großen Online-Plattformen gehören einem Unternehmen. Meta betreibt Facebook und Instagram. YouTube gehört zu Alphabet (Google). ByteDance entscheidet, was bei TikTok passiert. Diese Plattformen sind zentralisiert aufgebaut. Schlussendlich entscheidet der Vorstand des jeweiligen Unternehmens, welche Regeln gelten. Bei Elon Musks Twitter sieht man das aktuell sehr eindrücklich: was er sagt, gilt. Natürlich gibt es Grenzen: Staatliches Recht und europäisches Recht. Insbesondere der
Was ist bei Mastodon (und im Fediverse) anders?
Föderierte Plattformen wie Externer Link: Mastodon sind dezentral aufgebaut. Verschiedene Server (sogenannte Instanzen) erlauben es Nutzerinnen und Nutzern sich dort zu registrieren, wo sie wollen. Beispielsweise bei der Instanz ihrer Stadt, ihres Berufsstands oder ihres Hobbies. Wenn eine Person eine Instanz betreibt, entscheidet sie auch bei Mastodon bzw. über die Regeln auf ihrem Server. Die verschiedenen Instanzen beruhen auf quellenoffener Software und gehören unterschiedlichen Personen oder Gemeinschaften, vor allem Freiwilligen, die sich häufig durch Spenden finanzieren. Gemeinsam bilden Plattformen wie Mastodon oder auch die Video-Plattform PeerTube und das Fotonetzwerk Pixelfed das Fediversum oder englisch Fediverse – ein Netzwerk verteilter (föderierter), voneinander unabhängiger sozialer Netzwerke und Online-Dienste. Der Clou dabei: Die Nutzerinnen und Nutzer können Nachrichten oder auch Dateien mit anderen (föderierten) System austauschen und sind damit nicht an eine Plattform gebunden.
Das Fediverse teilt damit auch viele Merkmale des sogenannten Metaversums oder englisch Metaverse. Dabei handelt es sich um ein Konzept bei dem ein digitaler Raum durch das Zusammenwirken virtueller, erweiterter und physischer Realität entsteht. Auch hier gibt nicht nur ein Metaverse, sondern viele verschiedene virtuelle Welten, in denen beispielsweise Bildungsinhalte produziert und konsumiert werden können. Die nahtlose Kommunikation dieser Welten oder Dienste untereinander ist wichtiger Teil des Metaversums – ebenso wie die Dezentralität. Zwar ist das Metaverse des amerikanischen Unternehmens Meta ein wichtiger Zugang, aber Inhalte können auf unterschiedlichen Metaversen ausgespielt werden.
Was ist der Vorteil von dezentralen Plattformen?
Die jeweiligen Inhaber der Instanzen legen selbst fest, welche Moderationsregeln auf ihrem Server gelten sollen. Der Feed der Nutzenden auf Mastodon ist chronologisch, nicht algorithmisch organisiert. Beides reduziert die Abhängigkeit von großen Unternehmen und deren häufig nicht transparenten Empfehlungssystemen. Auch die Daten werden bei Plattformen wie Mastodon nicht zentral gesammelt. Dadurch, dass Inhalte instanzübergreifend schwieriger auffindbar sind, verlangsamt sich die Konversation, was beispielsweise die Verbreitung von Desinformation erschwert. Da gleichzeitig Instanzen bestimmte Themen bedienen, können etwa Bildungsinhalte gezielter angeboten werden.
Gibt es auch Nachteile?
Die innere Demokratisierung von Mastodon steckt noch in den Kinderschuhen. Auch die Mitteilung von Moderationsentscheidungen erfolgt meist nicht transparent. Aufgrund des weitgehenden Fehlens algorithmischer Empfehlungen ist die Struktur des Netzwerks für diejenigen, die an stark kuratierte Netzwerke wie Twitter gewöhnt sind, deutlich unübersichtlicher. Das Auffinden interessanter Accounts ist deshalb schwieriger, neue Features, die eine solche Suche vereinfacht hätten, wurden von der Mastodon-Community abgelehnt.
Wie würde es besser gehen?
Die Plattform Mastodon kann zu einem Experimentierraum auch für demokratische Diskurse werden. Doch die Herausforderungen sind substanziell. Nicht auf allen Mastodon-Instanzen wird der Datenschutz großgeschrieben. Da die jeweiligen Instanzen-Betreiber für den Privatsphärenschutz zuständig sind, ist dieser teilweise löchrig. Eine Inhalte-Regulierung findet oft nur punktuell statt, ohne dass Transparenz- und Rechtsschutzanforderungen erfüllt würden.
Vor allem erfüllt Mastodon bislang nicht das größte Versprechen, das in der Dezentralisierung eigentlich liegen sollte, nämlich die Demokratisierung der Regelsetzung und -durchsetzung. Schließlich wäre es wünschenswert, wenn mehr gesellschaftliche Gruppen in die Entwicklung von Regeln einbezogen würden – etwa bei der Verständigung darüber, was online gesagt werden darf und was nicht. Die deutschen Akademien der Wissenschaften forderten kürzlich die Beteiligung von "Vertretern staatlicher und zivilgesellschaftlicher Stellen sowie (...) von Nutzern (...) an Entscheidungen über Grundsätze und Verfahren der Inhaltskuration."
Mastodon könnte eine solche Demokratisierung von Plattformregeln pilotieren, indem es Nutzerinnen und Nutzer niederschwellig in die Moderation mit einbezieht. Föderierte Netzwerke haben großes demokratisches Potenzial, das sie erst dann einlösen können, wenn die Nutzenden stärker in die Entscheidungsfindung integriert werden.