Welche Hürden aber auch Möglichkeiten haben sich im letzten Jahr für die digitale Bildung ergeben? Dieser Frage wurde in der dreitägigen Konferenz "Werkstatt.Con - Digitale Bildungslandschaft nach 2020" im Mai 2021 auf den Grund gegangen. In drei Workshops sowie einer abschließenden, digitalen Liveveranstaltung mit Impulsvorträgen und einer Fishbowl-Diskussion tauschten sich Expertinnen und Experten über aktuelle Bildungsdiskurse aus. Die wichtigsten Erkenntnisse, Materialien und Tipps von den Gästen und Impulsgebenden finden Sie hier zum Nachlesen.
Workshop: Spielend Lernen
Lernspiele können Lernende während des Distanzunterrichts motivieren. Allerdings funktioniert Lernen über Spiele nicht unbegleitet. Der erste Workshop beschäftigte sich damit, wie Unterricht durch Methoden aus der Spielpädagogik bereichert werden kann und wie Schülerinnen und Schüler "spielend lernen" können. Impulsgebende waren Ursi Zeilinger von Planet Schule und Lukas Opheiden von der Stadtbibliothek Minden, der dort für das Projekt Externer Link: Digitale Spielewelten verantwortlich ist. Digitale Spielwelten beschäftigt sich mit der pädagogischen Nutzung von Spielen und erforscht, wie Kinder und Jugendliche beim Spielen gleichzeitig Wissen erlernen und medienkompetent werden können.
Planet Schule ist ein gemeinsames Portal von WDR und SWR, über das Medien wie Lernspiele, Filme, Animationen, Apps und Simulationen für Schulen bereitgestellt werden. Sie können kostenlos genutzt und heruntergeladen werden. Die Urheberrechte sind geklärt, sodass die unterrichtliche (Nach-)Nutzung laut Ursi Zeilinger unbedenklich sei.
Spiele im pädagogischen Kontext verwenden
Externer Link: Studien zeigen, dass 34,3 Millionen Deutsche Computer- und Videospiele spielen. Laut Lukas Opheiden ist es daher naheliegend, (digitale) Spiele auch im pädagogischen Kontext einzusetzen. Der Vorteil von Spielen sei es, dass das Lernen nebenbei passiere, da die Freude am Spiel im Vordergrund steht. Das birgt den Vorteil, sich spielend komplexe Sachverhalte erschließen zu können und Fertigkeiten zu üben. Zudem können Schülerinnen und Schüler im Spiel die Folgen bestimmter Verhaltensweisen ohne schwerwiegende Konsequenzen erfahren. Als Beispiel nannte Opheiden das Spiel Externer Link: Actionbound, bei dem digitale Schatzsuchen, Führungen und Rallyes gestaltet werden können, um Spieler und Spielerinnen auf eine multimediale Erlebnistour mitzunehmen, bei denen sie Herausforderungen und Rätsel lösen müssen.
Ein anderes Spiel, das im Unterricht genutzt werden kann, ist Opheiden zufolge Externer Link: Gartic Phone – eine kreative Variante von Stille Post. In der ersten Runde schreiben Spielende Sätze auf. In der nächsten Runde müssen sie dann die Sätze von Mitspielenden malen, die in einer dritten Runde wiederum in Sätzen beschrieben werden sollen.
Digitale Spiele für die historische und politische Bildung
Ursi Zeilinger stellte unter anderem "Externer Link: Kleine Schritte im großen Krieg" vor, einen interaktiven Comic, bei dem sich Spieler und Spielerinnen in vier Missionen mit historischen Ereignissen, wie etwa dem Attentat von Sarajevo 1914, beschäftigen. Dabei kann die spielende Person in verschiedene Rollen schlüpfen, muss Aufgaben lösen und Entscheidungen treffen. Laut Zeilinger steht hierbei der Gewissenskonflikt einzelner Akteure und Akteurinnen im Vordergrund. Die Lernenden können sich dadurch historischen Ereignissen auf einer spielerischen, emotionalen und jugendgerechten Ebene nähern.
Ein weiteres Angebot, das von Ursi Zeilinger vorgestellt wurde, ist die App Externer Link: WDR AR 1933-1945. Die speziell für den Unterricht entwickelte Augmented-Reality-App holt Zeitzeugen und -zeuginnen des Nationalsozialismus durch Videos in den Klassenraum. Die App wird ergänzt durch Video-Tutorials und Arbeitsblätter. Der Externer Link: Kanzlersimulator, ebenfalls ein Angebot von Planet Schule, macht es möglich, Politik mitzuerleben. Bei diesem Spiel übernimmt die spielende Person eine Legislaturperiode als Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin. Die Spieldauer kann im Vorhinein festgelegt werden. Die Spieler und Spielerinnen müssen selbst Wahlversprechen machen, eine Koalition bilden und Gesetzesentwürfe einbringen und lernen so Aspekte der Komplexität von Politik kennen.
Materialien aus dem Workshop:
Workshop: Kunst, Kultur und Geschichte digital
Wie Museen auch in Zeiten der Pandemie ihren außerschulischen Bildungsauftrag erfüllen können, zeigte Sabine Faller, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM), im zweiten Workshop der Werkstatt.Con anhand zahlreicher Beispiele.
Kunst kann auch digital
Dabei sieht Faller die Übertragung des öffentlichen Lebens in die digitale Welt im Zuge der Covid-19-Pandemie als Chance. Denn die Krise habe neue Perspektiven aufgezeigt und bringe auch für die künstlerische Welt neue Möglichkeiten mit sich. Dabei sieht Faller zum einen die Raum-Unabhängigkeit, zum anderen die zunehmende Internationalität, die daraus resultieren kann, als großen Gewinn. Eine Ausstellung des ZKM, die von Digitalität und Hybrid-Formaten Gebrauch macht, ist Externer Link: Critical Zones. Diese klimapolitische Ausstellung paart analoge und Online-Führungen sowie Workshops, zum Beispiel zu den Themen Insektenhotel oder Fermentieren. So werden Möglichkeiten erprobt, das Leben nachhaltiger zu gestalten – egal ob analog oder digital. Das Angebot lässt sich auf der Externer Link: virtuellen Plattform zur Ausstellung oder über den Messenger-Dienst Telegram begleiten.
Wie Kunstschaffende mit algorithmischen Systemen arbeiten und sich von ihnen inspirieren lassen können, zeigte Sabine Faller anhand des Online-Spiels Externer Link: AYOS – Art on your screen. Das interaktive Spiel gibt den Titel eines Kunstwerks, eine Beschreibung des Inhalts sowie das Medium vor. Nutzerinnen und Nutzer können auf dieser Grundlage Kunstwerke erstellen. Der Algorithmus beeinflusst per Zufallsgenerator den kreativen Prozess und animiert und generiert Ideen für Kunstschaffende.
Materialien aus dem Workshop:
Workshop: Digitale Bildung für intergenerationale Begegnung
Für viele Bevölkerungsgruppen konnten Bildungsangebote in Pandemie-Zeiten online weitergeführt werden. Aber wie steht es um ältere Menschen, für die der digitale Austausch zum Teil noch "Neuland" ist? Welche medienpädagogischen Konzepte es für die ältere Generation gibt und wie intergenerationales Lernen auch digital stattfinden kann erklärten Bernhard Schmidt-Hertha, Vera Mühlbauer und Angela Helf im dritten Workshop. Bernhard Schmidt-Hertha ist Lehrstuhlinhaber an der Ludwig-Maximilian-Universität in München für "Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung". In seiner Arbeit beschäftigt er sich hauptsächlich mit Bildung in der zweiten Lebenshälfte und mit der Digitalisierung im Bildungsbereich. Vera Mühlbauer und Angela Helf sind Projektverantwortliche von Gesundaltern@BW.
Kognitive Entwicklung ist keine Einbahnstraße
Bernhard Schmidt-Hertha betonte, dass die kognitive Entwicklung eines Menschen im Alter nicht aufhört: alles, was einmal verlernt wurde, könne demzufolge auch wieder erlernt werden. In der Gerontologie werde hier von der "Plastizität", also der Anpassungsfähigkeit kognitiver Entwicklung gesprochen. Das Neu-Lernen oder Wieder-Erlernen könnten durch entsprechende Bildungsangebote unterstützt werden.
Schmidt-Hertha hob außerdem hervor, dass der Faktor Alter in Lernprozessen eine viel geringere Rolle spielt, als oft angenommen wird. Laut dem Altersforscher Paul B. Baltes und dessen Externer Link: S-O-K Modell (Selektion – Optimierung – Kompensation) könne zwar davon ausgegangen werden, dass ältere Menschen langsamer lernen, da sich die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit verlangsamt. Der ältere Mensch kompensiere das allerdings durch bestimmte Optimierungsstrategien, wie beispielsweise entsprechendes Vorwissen, was die Verknüpfung des Gelernten erleichtere.
Gesundaltern@BW
Vera Mühlbauer und Angela Helf stellten das Projekt Externer Link: Gesundaltern@BW vor, welches unter anderem vom Volkshochschulverband Baden-Württemberg initiiert wurde. Ziel des Projektes ist es, ältere Bürgerinnen und Bürger über digitale Anwendungen und Dienstleistungen in Medizin und Pflege aufzuklären und sie zu einem souveränen Umgang damit zu befähigen. Das Projekt hat drei Teilbereiche:
Information: Hier sollen ältere Menschen begleitet und dazu befähigt werden, kompetent und eigenverantwortlich mit neuen digitalen Angeboten in den Bereichen Gesundheit, Medizin und Pflege umgehen zu können. So finden sich im Externer Link: YouTube-Kanal des Projekts etwa Erklärvideos zu Themen wie der elektronischen Patientenakte oder Telemedizin.
Qualifizierung: Um passende Hilfestellung anzubieten, auf individuelle Fragen einzugehen und eine Eins-zu-Eins Betreuung ermöglichen zu können, hat Gesundaltern@BW sogenannte Externer Link: Gesundheitsbotschafter ausgebildet. Technikaffine Bürger und Bürgerinnen können sich kostenlos schulen lassen, um bei digitalen Gesundheitsfragen ehrenamtliche Ansprechperson für ältere Menschen zu sein.
Bürgerbeteiligung: Gesundaltern@BW möchte aktive Mitgestaltung und Teilhabe möglich machen und fördert daher die Beteiligung in Externer Link: Bürgerwerkstätten. Neben der Teilhabe im Bereich Digitalisierung im Gesundheitswesen sollen diese Werkstätten als Plattform für Anregungen, Fragen und Wünsche fungieren. Zudem gibt es kostenlose Online-Externer Link: Informationsveranstaltungen, die auf dem YouTube-Kanal des Projekts nachverfolgt werden können.
Materialien aus dem Workshop:
WS.Con Abschlussveranstaltung
Höhepunkt der Werkstatt.Con war die Liveveranstaltung mit Impulsvorträgen und einer abschließenden Fishbowl-Diskussion. Gemeinsam mit der Sozialwissenschaftlerin Maja Bogojević, dem Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz Dario Schramm, der Professorin für Schulentwicklung Nina Bremm und vielen mehr sprachen wir über Themen wie Bildungsgerechtigkeit, Versäumnisse der Bildungspolitik während der Corona-Pandemie sowie Chancen und Hürden des Distanzunterrichts während des vergangenen Jahres. Im Folgenden finden Sie die Mitschnitte der Inputs, Q&A-Formate und der finalen Fishbowl-Diskussion.
Mit Erklär-Videos zu Bildungsgerechtigkeit?
Schülervertretung in der Pandemie
Braucht es eine Revolution in der Lehrer:innenfortbildung?
Digitale Bildungslandschaften nach 2020