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Lernvideo-Produktion für den schulischen (Fern-)Unterricht

Martin Ebner Sandra Schön

/ 7 Minuten zu lesen

Lernvideos können dann hilfreich sein, wenn lange Texterklärungen demotivieren. Was bei deren Erstellung zu beachten ist, erklären Sandra Schön und Martin Ebner.

Lernvideos helfen im Distanzunterricht bei der Visualisierung von Lehrinhalten. (© Foto: Hatice EROL Externer Link: unsplash.com)

Lernvideos im schulischen (Fern-)Unterricht

Bis Anfang 2020 wurde die Erstellung oder der Einsatz von Lernvideos für den schulischen Unterricht vor allem dafür empfohlen, einen Unterrichtsgegenstand zu vermitteln, der sonst nur schwer zu erklären wäre: zum Beispiel, weil er sehr klein (DNA), schlecht erreichbar (ferne Länder) oder gefährlich (radioaktive Strahlung) ist oder aber, weil das Thema von anderen sehr anschaulich erklärt werden konnte. Doch mit dem Fernunterricht während der Corona-Pandemie wurden Lernvideos, die Lehrkräfte selbst produzierten und ihren Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stellten, ein zentrales Mittel für den Unterricht.

Lern- bzw. Lehrvideos verstehen wir allgemein als "asynchrone audiovisuelle Formate […], die das Ziel verfolgen einen Lehr- und Lerninhalt zu transportieren, indem diese in didaktisch geeigneter Weise aufbereitet sind oder in einem didaktisch aufbereiteten Kontext eingebettet werden bzw. zur Anwendung kommen können. Lern- und Lehrvideos sind dabei aktuell etwa 3 bis 20 Minuten lang und werden über Webdienste zur Verfügung gestellt.".

In diesem Beitrag fokussieren wir uns auf von Lehrkräften produzierte Lernvideos für den Fernunterricht für jüngere Schülerinnen und Schüler in der Grundschule. Für das Alter der 5- bis 10-Jährigen gibt es besondere Bedingungen bei der Gestaltung des Notfall-Fernunterrichts: Zum einen können viele noch nicht flüssig und genau lesen bzw. scheuen sich davor. Gedruckte Texte sind insbesondere in Haushalten, in denen die Eltern nicht oder nur schlecht Deutsch lesen oft eine noch größere Herausforderung als das gesprochene Wort. Für Kinder in diesem Alter spielt die Lehrkraft außerdem eine wichtigere Rolle als in höheren Klassen: Ihre Präsenz sorgt für eine höhere soziale Eingebundenheit und Vertrautheit. Auch ist der Unterricht in Grundschulen in einem hohen Maße anschaulich gestaltet, so dass er sich gut für das Medium Video eignet.

Gelungene selbsterstellte Lernvideos für Grundschülerinnen und Grundschüler im Fernunterricht

Zentral im Unterrichtsgeschehen, auch in Zeiten des Fernunterrichts, sind Kommunikation und Rückmeldungen zum Lernstand, soziales Lernen mit und von anderen Schülerinnen und Schülern, aber auch die Erziehung und Beziehung zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern. Selbsterstellte Lernvideos können hier nur zum Teil unterstützen, bieten aber viele Chancen und Möglichkeiten, gerade im Vergleich zu gedruckten Materialien und Lernvideos von Dritten:

  • Im Video findet die Lehrkraft meist die passenden Formulierungen oder gute Erklärungen. Gesprochene Anweisungen und Erklärungen sind leichter verständlich, gerade für Erstklässlerinnen und Erstklässler bzw. Leseanfängerinnen und -anfänger. Besonders dann, wenn Deutsch nicht täglich in der Familie gesprochen wird, sind schriftliche Erklärungen und Aufgabenstellungen häufig mühsam zu lesen und schwer verständlich.

  • Aus dem gleichen Grund werden ausführliche Erklärungen und Wiederholungen in gedrucktem Material für Grundschülerinnen und -schüler vermieden. Im Lernvideo sind sie ohne weiteres realisierbar.

  • Gerade wenn der Kontakt zur Lehrerin oder zum Lehrer nicht mit Videokonferenzen oder telefonisch möglich ist, wirkt die Lehrkraft im selbstproduzierten Video durch ihre Gesten, Wortwahl, Dialekt, Vorgehen, Ansprache und Mimik vertraut.

  • Das eigens erstellte Lernvideo für die Klasse vermittelt neben dem Inhalt eine Reihe weiterer Aspekte: Schülerinnen und Schüler fühlen sich wahrgenommen und wertgeschätzt, wenn sie Lernvideos bekommen, die auf ihre Klasse zugeschnitten sind.

  • Im Video können Lehrkräfte erklären, warum ein neues Thema, ein neues Vorgehen oder Verfahren wichtig ist und warum die Schülerinnen und Schüler es lernen sollten (Motivation).

  • Während dies im Schulbuch oder auf einem Arbeitsblatt nur schwer gelingt, können Lehrende in einem Lernvideo Vorwissen aktivieren, indem sie auf vorherige Unterrichtseinheiten oder auch Erlebnisse verweisen.

  • Videos ermöglichen auch eine gute und im Unterschied zum Text leichter erfassbare Form, um Botschaften zu senden oder Rückmeldungen zu geben.

  • Lernvideos, die für den (Fern-)Unterricht erstellt werden, lassen sich gut personalisieren. Die Schulklasse kann leicht eingebunden werden. Wie im Unterricht auch, können in den Rechenbeispielen die Namen der eigenen Schülerinnen und Schüler in den Sachaufgaben genutzt werden, auf Hobbys und Interessen der Schülerinnen und Schüler verwiesen ("einige von Euch spielen ja Fußball") oder ihre Werke gezeigt oder vorgelesen werden.

  • Im Video kann auch auf Fragen eingegangen werden, die im Unterricht – aus Erfahrung der Lehrkraft – gestellt werden. Auf Papier bzw. im Text sollte das eher vermieden werden.

  • Nicht zuletzt ist ein Video ist ein guter Ort, um abschließend auf weiterführende Unterstützung hinzuweisen. Nicht alles kann mit einem Video geklärt werden. Schülerinnen und Schüler können hier die Botschaft erhalten, dass es völlig in Ordnung ist, wenn sie noch Fragen haben oder sich überfordert fühlen.

Übrigens: Wenn Videos immer auf ähnliche Weise gestaltet werden – zum Beispiel der gleiche Hintergrund gewählt oder ein Trailer genutzt wird – ermöglicht dies, dass die Klasse damit Vertrauen gewinnt und zunehmend besser damit arbeiten und lernen kann.

Erstellung nach Plan: Der Lernvideo-Canvas

Für den Zweck des schulischen Distanzunterrichts, insbesondere mit jüngeren Schülerinnen und Schülern, haben wir eine spezielle Version unserer Vorlage für die Ideensammlung für Lernvideos entwickelt (vgl. Schön & Ebner, 2016). Die Vorlage (zum Ausdruck oder als PDF), wir nennen sie auch "Canvas", soll Lehrende dabei unterstützen, die Planung und den Dreh von kurzen, etwa 3- bis 6-minütigen Videos für den Distanzunterricht durchzuführen.

Begonnen wird mit den Angaben zu Titel, Fach, Klasse, Thema und Datum und der in Rot umrandeten "Zielsetzung". Alle weiteren Elemente werden systematisch, aber nicht notwendigerweise in der vorgegebenen Reihenfolge ergänzt, so dass ein Plan der Inhalte entsteht. Für den Hauptteil gibt es Raum für Skizzen und Notizen. Zur inhaltlichen Gestaltung werden einige Fragen (farbig markiert) gestellt. Entsprechende Aspekte können dann in den jeweils gleichen Farben markiert werden. Werden besondere Materialien benötigt, können sie in der Vorbereitungscheckliste (links) ergänzt werden.

Der Lernvideo-Canvas für den schulischen Distanzunterricht – eine Handreichung zur Planung und Produktion von Lernvideos. (Sandra Schön) Lizenz: cc by-sa/4.0/deed.de

Es gibt unterschiedliche Zugänge und technische Möglichkeiten, um Lernvideos zu erstellen. Wir möchten hier auf zwei Möglichkeiten hinweisen, die bei typischer Ausstattung – Laptop mit Kamera und Internet-Anschluss, möglich sind. Für beide gibt es verschiedene technische Umsetzungen und Werkzeuge.

  • Nahezu alle Online-Video-Konferenztools bieten die Möglichkeit der Videoaufnahme. Die meisten davon sind kostenfrei zu installieren bzw. für den hier genannten Zweck zu nutzen. Werden damit Videos aufgezeichnet und produziert, erfolgt die Aufnahme ohne weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Aufgenommen werden können dann problemlos auch geteilte Präsentationen oder Inhalte von anderen Programmen und alles, was parallel dazu eingesprochen wird.

  • Eine andere Variante ist es, sogenannte Interner Link: Screencasts anzufertigen, also Aufnahmen des eigenen Bildschirms. Eine solche Funktionalität bieten zum Beispiel die Präsentationssoftware Microsoft Powerpoint (für Windows und MacOS, plattformunabhängig auch über Office 365), die Multimedia-Software Quicktime-Player von Apple (für MacOS) oder das kostenlose Open-Source-Screencast-Tool vokoscreenNG (für Linux und Windows) an.

  • Möchte man noch einen Vorspann einfügen und die Videoaufnahmen schneiden, das heißt unterschiedliche Aufnahmen oder Sequenzen zusammenfügen, wird dazu ein Schnittprogramm benötigt. Für kürzere Videos ist dies aber häufig nicht notwendig. Denn selbst das Wechseln von der Kamera zur Präsentation ist letztlich nur eine kleine, vielleicht hilfreiche Pause.

Technische Hilfsmittel, die insbesondere beim Videodreh eingesetzt werden sollten, sind Mikrofone bzw. Mobiltelefone (letzteres mit einem darübergestülpten Socken für eine bessere Tonqualität). Ein guter Ton ist wichtiger als die Qualität von Bild und Schnitt. Möglichst konstantes künstliches Licht ist ebenso zu empfehlen.

Es sollten Materialien und Hilfsmittel gewählt werden, die die Schülerinnen und Schüler kennen: wird im Klassenzimmer beispielsweise mit der Kreidetafel gearbeitet, kann das auch im Video so sein. Kennen die Schülerinnen und Schüler animierte Foliensätze, dann passt auch das gut ins Lernvideo. Beim Hintergrund sollte darauf geachtet werden, dass alles, was gerade jüngere Kinder darin entdecken können, schnell für Ablenkung sorgt. Ein Haustier im Hintergrund oder ein schiefer Kragen der Lehrkraft genügt da schon. Wenn es nicht möglich ist, immer am selben Aufnahmeort zu drehen, können virtuelle Hintergründe – zum Beispiel das Einblenden eines Fotos vom Klassenzimmer oder ein neutraler Hintergrund – eine gute Möglichkeit sein, um Einheitlichkeit zu wahren.

Überlegungen zur Nachnutzung

Wir möchten zur Produktion von kurzen Lernvideos ermutigen, die nicht notwendigerweise perfekt, aber individuell auf eine konkrete Klasse zugeschnitten sind – nicht zuletzt, weil wir selbst erleben konnten, wie wichtig dieses Lernmedium für viele Schülerinnen und Schüler in Zeiten des Distanzunterrichts war und ist. Pragmatischerweise, sofern die Zeit für den Extra-Aufwand besteht, könnte die Produktion gleich mit einer zweiten "neutralen" Version abgeschlossen werden – zumindest bei Videos, die die Lehrkraft auch in anderen Klassen bzw. Kontexten einsetzen oder auch der Allgemeinheit zur Verfügung stellen möchte.

Weitere Informationen

Schön, S. & Ebner, M. (2020). Was macht ein gutes Erklärvideo aus? In: Lehren und Lernen mit Tutorials und Erklärvideos. Dorgerloh, S. & Wolf, K. (Hrsg.). Beltz.

Weitere Tipps zur Produktion, zur Nutzung offener Lizenzen und Beschreibungen guter Lernvideos: Schön, S. & Ebner, M. (2013). Gute Lernvideos … so gelingen Web-Videos zum Lernen! Books on Demand GmbH, Norderstedt, 2013, online zugänglich unter: Externer Link: https://www.bimsev.de/n/?Freie_Lernmaterialien___Gute_Lernvideos-so_gelingen_Web-Videos_zum_Lernen

Schön, S. & Ebner, M. (2016). Vorlage zur Ideensammlung für ein Lernvideo. In: Praxisblog Medienpädagogik, online zugänglich unter: Externer Link: https://www.medienpaedagogik-praxis.de/2016/07/18/vorlage-zur-ideensammlung-rund-um-lernvideos-und-andere-zugaengliche-vorlagen/

Über den Autor und die Autorin:

Priv.-Doz. Dr. Martin Ebner ist Leiter der Abteilung Lehr- und Lerntechnologien an der Technischen Universität Graz und dort für E-Learning zuständig. Des Weiteren forscht und lehrt er als habilitierter Medieninformatiker (Spezialgebiet: Bildungsinformatik) am Institut für Interactive Systems and Data Science rund um technologiegestütztes Lernen. Seine Schwerpunkte sind Seamless Learning, Learning Analytics, Open Educational Resources, Maker Education und informatische Grundbildung.

Er bloggt unter Externer Link: http://elearningblog.tugraz.at.

Dr. Sandra Schön ist Expertin für Innovation beim technologiegestützten Lernen und Lehren, insbesondere zu Open Educational Resources (OER) und Maker Education, sie ist Senior Researcher im Team "Educational Technologies" an der TU Graz (Österreich), Projektleitung beim "Forum Neue Medien in der Lehre Österreich" (Österreich) im Rahmen des Projekts "Open Education Austria Advanced" und Adjunct Professor of Innovations in Learning an der Universitas Negeri Malang (Malang State University, Indonesien).

Weitere Informationen: Externer Link: https://sandra-schoen.de

Priv.-Doz. Dr. Martin Ebner ist Leiter der Abteilung Lehr- und Lerntechnologien an der Externer Link: Technischen Universität Graz und dort für E-Learning zuständig. Des Weiteren forscht und lehrt er als habilitierter Medieninformatiker (Spezialgebiet: Bildungsinformatik) am Institut für Interactive Systems and Data Science rund um technologiegestütztes Lernen. Seine Schwerpunkte sind Seamless Learning, Learning Analytics, Open Educational Resources, Maker Education und informatische Grundbildung.

Er bloggt unter Externer Link: http://elearningblog.tugraz.at.

Details zu Martin Ebner unter Externer Link: http://www.martinebner.at.

Dr. Sandra Schön ist Expertin für Innovation beim technologiegestützten Lernen und Lehren, insbesondere zu Open Educational Resources (OER) und Maker Education, sie ist Senior Researcher im Team "Educational Technologies" an der TU Graz (Österreich), Projektleitung beim "Forum Neue Medien in der Lehre Österreich" (Österreich) im Rahmen des Projekts "Open Education Austria Advanced" und Adjunct Professor of Innovations in Learning an der Universitas Negeri Malang (Malang State University, Indonesien).

Weitere Informationen: Externer Link: https://sandra-schoen.de