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Digitaler Unterricht – was hat sich für Lehrende durch Corona verändert?

Eliza Trapp

/ 5 Minuten zu lesen

Seit dem Frühjahr müssen Lehrkräfte vermehrt auf digital gestützten Unterricht zurückgreifen. Wir haben mit Lehrerinnen und Lehrern darüber gesprochen, wie sich der (digitale) Unterricht seitdem verändert hat.

Eine Lehrerin der Primarschule (1./2. Klasse) Wileroltigen filmt ihren Schulinhalt, den sie anschließend digital an ihre Klasse als Fernunterricht verschickt. (© picture-alliance, Keystone/Christian Beutler)

Wie können wir den Unterricht digital gestalten? Diese Frage stand für viele Lehrkräfte Anfang des Jahres unvermittelt im Raum. Die Werkstatt der bpb hat im März und September mit Lehrerinnen und Lehrern verschiedener Schulformen über ihre Erfahrungen gesprochen.

Die Corona-Pandemie und in ihrer Folge die ersten Schulschließungen machten schnell deutlich, dass nicht alle Schulen und Lehrenden gleich gut auf die Herausforderungen des Fernunterrichts vorbereitet waren. Während einige Lehrerinnen und Lehrer berichteten, dass sie schon seit Jahren digitale Tools im Unterricht einsetzen oder für alle Lernenden entsprechende Endgeräte zur Verfügung stellen konnten, berichteten andere von nicht funktionierendem WLAN innerhalb des Schulgebäudes und Serverabstürzen.

Manche Lehrkräfte konnten ihre Schülerinnen und Schüler nicht erreichen, da die dafür vorgesehenen Plattformen zum Dateiaustausch und zur Kommunikation nicht funktionierten. Einige Kinder und Jugendliche hatten zudem keine eigene E-Mail-Adresse oder hatten nicht die notwendigen Kenntnisse, um mit den benötigten Programmen, wie beispielsweise Word, zu arbeiten. Vielen Lehrenden blieb in einigen Fällen nichts weiter übrig als zur Telefonliste zu greifen, um den Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern nicht zu verlieren.

Die Lehrerinnen und Lehrer, die in der Vor-Corona-Zeit digitale Medien noch nicht regelmäßig in ihrem Unterricht eingesetzt hatten, fiel es besonders schwer, ihren Schülerinnen und Schülern vorübergehend das Lernen von zu Hause zu ermöglichen. So mussten sie nach den ersten Schulschließungen häufig auf ein noch nicht ausgereiftes Konzept zur Nutzung digitaler Tools im Unterricht zurückgreifen. Viele Lehrkräfte erkannten schnell Probleme im individuellen Selbstmanagement und in den unterschiedlichen Lerntempi einiger Lernender. Die Herausforderung bestand darin, alle Lernenden trotzdem auf einen Wissensstand zu bringen.

"Zu Beginn haben die Schülerinnen und Schüler mehr geschafft, das Lernniveau musste allerdings gegen Ende jeder Stunde runtergeschraubt werden“ so Martina, Lehrerin am Staatlichen Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum in Baden-Württemberg. Sie glaube allerdings nicht, dass das an einer fehlenden Motivation der Schülerinnen und Schüler lag oder an fehlenden Endgeräten, die in manchen Bundesländern wie Berlin auch ausgeliehen werden konnten. Das digitale Lernen scheiterte den Befragten zufolge vor allem am mangelnden technischen Verständnis - auch auf Seiten der Lehrenden -, fehlenden verbindlichen Strukturen und zuletzt an den unterschiedlichen technischen und kognitiven Voraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler.

Manche fanden sich zunächst nicht sonderlich gut zurecht und waren mit der Nutzung der vielen verschiedenen Tools überfordert. Andere konnten sich hingegen schnell auf das Distanzlernen einlassen. Martina war positiv überrascht, dass manche Schülerinnen und Schüler online besser mitkamen, als im analogen Unterricht. Viele ihrer Schülerinnen und Schüler haben eine sogenannte auditive Verarbeitungsstörung. Sie müssen sich stark konzentrieren, um gesprochene Sprache zu verstehen. "Die schriftliche Kommunikation tut manchen tatsächlich gut, weil sie sonst oft aus Gruppengesprächen ausgeschlossen sind." Zur Erfahrung mit Videokonferenzen berichtet sie: "Wer sprach- oder hörbeeinträchtigt ist, kam teilweise visuell besser zurecht als auditiv, da man viel nachlesen und sich Zeit nehmen kann. Vor allem Schülerinnen und Schüler jedoch, die sonst dazu neigen, abzudriften, konnten digital ihre Aufmerksamkeit besser bündeln und haben im Online-Unterricht mehr mitgemacht.“

Nachwirkungen des digital gestützten Unterrichts

Mit dem neuen Schuljahr sind die meisten Schulen wieder zum alten Präsenzunterricht zurückgekehrt. Hat sich durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie und die dort gesammelten Erfahrungen etwas im Lehren und Lernen geändert? Bei vielen der Befragten spielen digitale Medien seit Beginn des neuen Schuljahres keine große Rolle mehr im Unterricht. Der (digitale) Schulalltag sei wieder auf dem Stand wie vor den Schulschließungen. Für den "Ernstfall“ bereite man sich allerdings weiter auf einen digital gestützten Unterricht vor, vorerst aber nur im Hintergrund – zum Beispiel bei Gesprächen im Lehrerzimmer.

Andere Lehrende setzen dagegen mittlerweile auf einheitliche Unterrichtstools und erleben eine deutliche Weiterentwicklung in Sachen digitaler Bildung. Die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler am Computer hätten sich verbessert, die Recherche am Handy beispielsweise werde nun immer weiter verstärkt und verankert. Einige Lehrende wollen in Zukunft zur Visualisierung der Lerninhalte häufiger digitale Präsentationen in ihren Unterricht integrieren – auch zur Vorbereitung auf nochmalige Zeiten des Fernunterrichts, wo diese Präsentationen auf verschiedenen Plattformen hochgeladen und so oft wie gewünscht angesehen werden könnten. Im Rückblick sind sich viele Lehrkräfte einig: Man könne hier bereits von einer gestiegenen Medienkompetenz auf beiden Seiten, also der Lehrenden und der Schülerinnen und Schüler sprechen.

Wünsche und Ziele

Trotz gestiegener Medienkompetenz gebe es noch Lücken, die weiter ausgebaut werden müssen. Auch der Lehrplan müsse besser an einen digital gestützten Unterricht angepasst werden, merkte ein Lehrer einer Gesamtschule an. Andere Lehrkräfte betonten, dass die Erfahrung gezeigt hätte, dass manche Lerninhalte digital nur schwer oder gar nicht so gut vermittelt werden könnten wie analog - beispielsweise im Fach Mathe, wenn komplexe Gleichungen im intensiven Austausch nachvollziehbar gemacht werden müssten.

"Für mich stellt sich die Frage: Was genau ist eigentlich digitaler Unterricht?“, merkte eine Gymnasiallehrerin an und forderte, Fortbildungsmöglichkeiten für die Verbesserung des digitalen Unterrichts zu konzipieren und zu nutzen. Der Gesamtschullehrer Victor sieht das ähnlich und ist sich sicher: "Kurse zu digitaler Bildung muss es schon während des Lehramtsstudiums an der Universität geben.“ Es gebe zwar Kursmöglichkeiten für Smartboards. Die helfen in der Praxis allerdings wenig, kaum jemand arbeite tatsächlich damit. Außerdem müssten Ressourcen wie Endgeräte geschaffen werden, damit jeder die gleichen Möglichkeiten hat am Unterricht teilzunehmen.

Das anfänglich lückenhafte digitale Lehrkonzept vieler Schulen sei nun ausgereifter. Dennoch wünschen sich die Lehrenden einen "Notfallplan“, sollten wieder Schulschließungen notwendig sein. Zudem fordern sie Standards hinsichtlich der Nutzung von digitalen Tools im Unterricht – wenn nicht auf Bundes-, dann wenigstens auf Landesebene.

Neben der Diskussion über Rahmenbedingungen des Fernunterrichts müsse mit den Schülerinnen und Schülern auch stärker über die politische Situation gesprochen werden. Es müsse ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, warum in der aktuellen Lage teilweise digital gelernt werde und warum spezifische Entscheidungen in der Politik getroffen werden.

Digitales Lernen als Konstante

Martina möchte mit ihren Schülerinnen und Schülern trotz Präsenzunterricht weiterhin auch außerhalb des Unterrichtes in Kontakt bleiben – zumindest zu vorgegebenen Zeiten. Es sei eine wertvolle Erfahrung, direkt offene Fragen klären zu können. Sie habe außerdem durch das Nutzen digitaler Tools positive Denkanstöße für die Gestaltung des eigenen Unterrichts in der Schule bekommen.

Fast alle der befragten Lehrkräfte sind sich einig, dass die Einbeziehung digitaler Medien im Unterricht Vorteile haben kann. Daneben habe der Fernunterricht aber auch gezeigt, wie wichtig die persönliche Interaktionsebene und die analoge Begegnung der Schülerinnen und Schüler untereinander und auch mit den Lehrenden sei. Für viele sei eine Hybridlösung denkbar, also eine Kombination aus Präsenz- und Fernunterricht. Allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum. Zukünftig wünschen sie sich die meisten Lehrkräfte einen präsenzbezogenen Unterricht, gestützt von digitalen Medien und Mitteln.

Eliza Trapp studierte ihren Bachelor in Germanistik und Linguistik in Düsseldorf und macht jetzt den Master in Vergleichende Literatur- und Kunstwissenschaft an der Universität Potsdam. Die werkstatt.bpb unterstützt sie als Redaktionsassistenz seit September 2020.