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Klima- und Umweltsiegel für Schulen: Was ist dran?

Julia Schmidt

/ 5 Minuten zu lesen

Immer mehr Klima- und Umweltsiegel zeichnen Schulen für ihr Engagement im Klimaschutz aus. Was sind die Schritte und Voraussetzungen auf dem Weg hin zu so einem Siegel und wie kann es gelingen, nachhaltig(e) Veränderung in den Schulalltag zu bringen?

Wie Schulen zu Klima- und Umweltsiegeln kommen unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. (© Alexas_Fotos /

Das Konzept der "Klimaschule" baut auf dem Ansatz der Interner Link: "Bildung für nachhaltige Entwicklung" (BNE) auf. Das Weltaktionsprogramm der UNESCO möchte Nachhaltigkeit als festen interdisziplinären Bestandteil des Bildungssystems etablieren. Dabei sollen Schulen aktiv in die Vermittlung von Klimabildung und Nachhaltigkeit einbezogen werden. Über Ausschreibungen auf Bundes-, Landes- oder Europaebene können sie sich für verschiedene Klima- bzw. Umweltsiegel bewerben. Die Siegel sollen einerseits die Qualität und das Engagement der Schulen im Bereich BNE sichtbar machen und verstärken. Andererseits dienen sie dazu, die Schulen auch für interessierte Eltern, Schülerinnen und Schüler attraktiver zu machen.

Ein Blick auf die föderalistische Bildungslandschaft in Deutschland zeigt, dass Klima- und Umweltsiegel längst nicht in allen Bundesländern ausgeschrieben werden. Nach aktuellen Recherchen (März 2020) gibt es solche Auszeichnungen auf Bundeslandebene nur in Hamburg, Sachsen, Schleswig-Holstein und Berlin. Schulen in anderen Bundesländern können an überregionalen Ausschreibungen teilnehmen.

Gemeinsam engagiert: Klimaschulen in Hamburg und Sachsen

In Externer Link: Hamburg startete 2009/10 das Projekt "Klimaschutz an Schulen" als Initiative des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI). Das Siegel "Klimaschule" wurde 2010 zum ersten Mal an die teilnehmenden Schulen verliehen. Um sich dafür zu qualifizieren, müssen Schulen einige Schritte durchlaufen und Voraussetzungen erfüllen: Ein wichtiger Bestandteil ist die Einbindung der gesamtem Schulgemeinschaft. Im Rahmen von Schulkonferenzen sollen sich Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit dem Lehrer/-innen-Kollegium für den Schritt zur Klimaschule und die damit verbundene Verantwortung entscheiden. Ist das geschehen, wird eine Lehrperson als Klimabeauftragte bzw. Klimabeauftragter und damit zur Ansprech- und Leitperson innerhalb der Schule gewählt. Außerdem wird eine Klimaschutz AG für Schülerinnen und Schüler gegründet.

Mit Unterstützung des LI wird in einem letzten Schritt ein Klimaschutzplan entworfen und innerhalb der Schulkonferenz verabschiedet. Damit bewirbt sich die Schule dann für das Gütesiegel. In dem Klimaschutzplan halten die Schulen fest, wie sie kurz, mittel- und langfristig ihren CO2-Ausstoß reduzieren und pädagogische Handlungskompetenzen im Bereich Klimaschutz entwickeln möchten. Der Plan umfasst also sowohl pädagogische als auch energie- und gebäudetechnische Maßnahmen, wobei alle Teile der Schulgemeinschaft eingebunden werden: Schulleitung, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Eltern, Hausmeister, Verwaltungspersonal und Kantinen- und Reinigungskräfte. Erhalten die Schulen das Hamburger Siegel, werden sie finanziell und methodisch für die Umsetzung ihrer Maßnahmen vom LI unterstützt und können für Energieeinsparungen sogar Prämien erhalten. Das Siegel wird für zwei Jahre vergeben, danach können sich Schulen mit einem angepassten Klimaschutzplan wieder bewerben.

Auch in Sachsen gibt es das Externer Link: Konzept der "Klimaschule". Der Weg zum Siegel enthält ähnliche Schritte wie in Hamburg und wird vom Sächsischen Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft gefördert. Aktuell gibt es in Sachsen 12 und in Hamburg 63 Klimaschulen aus allen möglichen Schulformen (Stand 2019).

Zukunft denken im Stufen- und Projektmodell

In Schleswig-Holstein gibt es seit 2005 das Externer Link: Konzept der "Zukunftsschule". Im Fokus steht dabei, BNE in Projekten und im Schulprogramm zu verankern. Der Ausschreibungsprozess ist als Wettbewerb gestaltet. Anders als etwa in Hamburg gibt es bei diesem Siegel verschiedene Stufen, die man als Schule erreichen kann. Diese reichen von Stufe 1 ("Wir sind aktiv"), in der man nachweisen muss, dass mindestens zwei Aktionen im Themenfeld der BNE umgesetzt wurden, bis hin zu Stufe 3 ("Wir setzen Impulse"), in der man als Schule auch externe Beratungs-, Qualifizierungs- und Hospitationsprogramme durchführt und sich intern im Bereich BNE kontinuierlich weiterentwickelt. Ab Stufe 2 erhalten die Schulen finanzielle Unterstützung. Die Träger des Wettbewerbs sind das Kultusministerium des Landes Schleswig-Holstein, das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) und der Sparkassen- und Giroverband SH. Aktuell gibt es 99 Klimaschulen im Bundesland Schleswig-Holstein.

Seit 2008 gibt es auch im Land Berlin den Externer Link: Wettbewerb der "Berliner Klimaschulen", an dem Schulen in verschiedenen Kategorien teilnehmen und bis zu 10.000 Euro Preisgeld erhalten können. Durchgeführt wird dieser von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz zusammen mit dem regionalen Energieversorger GASAG. Der Wettbewerb würdigt besonders engagierte Schulen für ihre Auseinandersetzung mit dem Klimaschutz. Die Kategorien, in denen sich Schulen bewerben können, umfassen unter anderem Ressourcenschutz, Anpassung von technischen Prozessen in der Schule oder die Umgestaltung des Schulalltags hin zu mehr Nachhaltigkeit. Im Unterschied zu den anderen Bundesländern bewerben sich hier nicht ganze Schulen als Schulgemeinschaften, sondern einzelne Projektteams von Schülerinnen und Schülern gemeinsam mit begleitenden Pädagoginnen und Pädagogen. Trotzdem erhält bei erfolgreicher Bewerbung die ganze Schule das Siegel "Berliner Klimaschule".

Klimaschule international

Neben den bundeslandesweiten Klimasiegeln gibt es auch internationale Siegel, die Nachhaltigkeitsbildung an Schulen verankern wollen – beispielsweise die Ausschreibung "Externer Link: Umweltschule Europa – internationale Nachhaltigkeitsschule". Diese gibt es bereits seit 1994 und das in nahezu allen europäischen Ländern. In Deutschland haben aktuell Schulen aus elf Bundesländern teilgenommen. Auch hier sind die Einbindung der Schulgemeinschaft und ein Aktionsplan zentrale Voraussetzungen für eine Bewerbung. Die Schulen können bei dieser Ausschreibung zwar kein Preisgeld, dafür aber an Kompetenz gewinnen: etwa indem sie das internationale Netzwerk, das die Ausschreibung anbietet, nutzen, um globale Schulpatenschaften aufzubauen.

Alltag in der Klimaschule

Wie sieht der Alltag an einer Schule mit Klimasiegel aus? Was hat sich an den Schulen verändert und wie setzen sie ihre Klimaschutzpläne um? Wir haben in Hamburg, München und Dresden nachgefragt.
Eine erfolgreiche Veränderung an der Beruflichen Schule City Nord in Hamburg sieht der dortige Klimabeauftragte Jörn Rickert insbesondere in der Beteiligung der gesamten Schulgemeinschaft sowie im Kontakt mit anderen Klimaschulen. Ausgehend vom Klimaschutzplan habe sich über die Jahre einiges an der Berufsschule getan. So gibt es im Eingangsbereich der Schule eine dauerhafte Pfandsammelaktion, alle Räume wurden mit CO2-Ampeln ausgestattet und regionale und nachhaltige Produkte in der Mensa eingeführt. Außerdem wurde ein neues Mülltrennsystem eingerichtet, es gibt zwei Wasserspender und einen neuen Fahrradunterstand. Das Thema Klimaschutz wurde laut Rickert zudem fächerübergreifend in den Unterricht und Projektwochen integriert und auch im IT-Bereich ein ressourcensparendes neues System installiert. Für die Zukunft hofft die Schule, mehr auf Digitalisierung setzen zu können und so den Papierverbrauch zu reduzieren. Am meisten, so Jörn Rickert, konnten sich die Schülerinnen und Schüler für Klimaprojekte begeistern, in denen sie sich mit Upcycling und ihrem ökologischen Fußabdruck beschäftigten.

Die Balthasar Neumann Realschule in München wurde letztes Jahr mit dem Siegel "Umweltschule Europa" ausgezeichnet. Schulleiterin Andrea Taschner sieht den Kern des Erfolgs insbesondere darin, dass alle Teile der Schule mit an Bord sein müssen. Die Schule legt ihren Fokus auf die nachhaltige Ernährung der Schülerinnen und Schüler, sowie auf die Müllreduzierung und -trennung. Ausgestattet mit einem großen Schulgarten kann die Schule selbstangebautes Obst und Gemüse für den schuleigenen Pausenverkauf nutzen. Für die Zubereitung, den Verkauf und die Nachbereitung ist die AG Pausenverkauf zuständig, die sowohl aus Schülerinnen und Schülern als auch aus Lehrkräften besteht. Das Team achtet dabei auf Müllvermeidung und gestaltet die Preise so, dass die Produkte für die Kinder auch erschwinglich bleiben. Geschulte Klassenumweltbeauftragte, die extern weitergebildet werden, geben darüber hinaus ihr Wissen zum Thema Müllvermeidung und -trennung an ihre Mitschülerinnen und Mitschüler weiter. Sie behalten neben Abfallvermeidung und -trennung auch die Energieeinsparung in den Klassenzimmern im Auge.

Das Bertolt-Brecht-Gymnasium in Dresden hat den Weg in Richtung Klimaschule schon früh eingeschlagen. Bereits 2001 wurde der Schule von einer Privatperson eine Solaranlage gespendet, sodass Energiekosten gespart werden konnten. Von den Ersparnissen wurden schulinterne Projekte zum Thema Klimaschutz finanziert, wie zum Beispiel eine Wetterstation, aber auch weitere Energiesparmaßnahmen. 2018 wurde die Schule als bundesweiter "Energiesparmeister" ausgezeichnet. Die AG BNE, bestehend aus Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Eltern, koordinierte als Steuergruppe den Prozess zur Klimaschule (wir haben im 3x3 zum Themenschwerpunkt unter anderem mit Lehrerin Johanna Reitz gesprochen). Mit der Unterstützung des Siegels konnten sie unter anderem ihren Garten neu bepflanzen und ein Insektenmonitoring durchführen. Des Weiteren arbeitet die Schule konstant daran, ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern und Plastik- und Elektromüll nachhaltig zu entsorgen. Dr. Frank Wagner ist Lehrer am Bertolt-Brecht-Gymnasium und Teil der AG BNE. Er sieht den Erfolg an seiner Schule und das Interesse der Schülerinnen und Schüler in der Vielfalt der verschiedenen Angebote: "So findet jede und jeder etwas für sich und kann sich einbringen."

Offene Fragen

Bei allen neuen Möglichkeiten, die sich für Klimaschulen bieten, bleibt die Frage offen, wie Klimaschutzpläne in ihrer Einhaltung überprüft und wie ihre langfristige und im besten Sinne nachhaltige Wirkung gewährleistet werden kann. Für Außenstehende zeigt sich eine engagierte Schule daran, dass sie mehrere Jahre in Folge Siegel erhalten hat. Falls Schulen allerdings aufgrund knapper Personal- und Zeitressourcen nicht dazu kommen, sich im Bereich BNE weiterzuentwickeln und deswegen das Siegel nicht über zwei Jahre hinaus halten können, ist das nicht für Außenstehende sichtbar. Gleichzeitig kann die Uneinheitlichkeit der verschiedenen Siegel verwirrend und nicht leicht zu durchblicken sein. So wird zum Beispiel nicht immer deutlich, wie aktiv eine Schule zum aktuellen Zeitpunkt ist, oder auch, dass kleine Projektteams das Siegel für eine ganze Schule holen können.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit können nicht zuletzt nur dann funktionieren, wenn die Schülerinnen und Schüler das, was sie im Schulkontext lernen, auch mit nach Hause und in ihren Alltag mitnehmen. Dafür können Projekte geeignet sein, die eine Transferleistung bieten und für die sich alle Beteiligten begeistern können.

Dennoch stellen Klima- und Umweltsiegel eine gute Möglichkeit dar, die Ziele der BNE in der Praxis zu stärken, ihren Themen mehr Sichtbarkeit zu verleihen und sie interdisziplinär zu bearbeiten.

Quellen:

Externer Link: https://li.hamburg.de/klimaschule/

Externer Link: https://li.hamburg.de/contentblob/12594706/b3034fe8bfc314e271c1877debca1d51/data/pdf-praxisleitfaden.pdf

Externer Link: https://www.klima.sachsen.de/klimaschulen-in-sachsen-gemeinsam-klima-leben-und-verstehen-12616.html

Externer Link: https://www.zukunftsschule.sh/auszeichnung/auszeichnung-fuer-schulen/

Externer Link: https://www.berliner-klimaschulen.de

Externer Link: http://www.umwelterziehung.de/projekte/umweltschule/

Externer Link: http://www.umwelterziehung.de/download/umweltschule/Ausschreibungen/USE_INA-Mantelbogen.pdf

Externer Link: https://www.bs28.hamburg/schule/klimaschule.html

Julia Schmidt studierte in Hamburg und Oslo Soziologie und Politikwissenschaft und macht nun ihren Master in Soziokulturelle Studien in Frankfurt/Oder. Nebenbei arbeitet sie in der politischen Bildungsarbeit und absolviert im Frühjahr 2020 ein Praktikum in der KOOPERATIVE BERLIN, die die Redaktion von Interner Link: werkstatt.bpb.de betreut.