Welche Rolle soll die Digitalisierung im Bildungssystem spielen? Einige grundlegende Leitlinien lassen sich in der Externer Link: Strategie "Bildung in der digitalen Welt" finden, die die Kultusministerkonferenz (KMK) im Dezember 2016 vorgelegt hat.
Sie umfasst unter anderem einen Kompetenzrahmen. Gegliedert in verschiedene Kompetenzbereiche Externer Link: schlüsselt er auf, über welche Kompetenzen Lernende verfügen müssen, um den Anforderungen der sogenannten "digitalen Welt" zu genügen. In den allgemeinbildenden Schulen gelten diese Kompetenzen als verbindlich und müssen nun in die verschiedenen Fächer integriert werden.
Kompetenzen für die "digitale Welt" und politische Bildung
In der KMK-Strategie wird die Digitalisierung als gesamtgesellschaftliche Transformation verstanden, die entsprechend grundlegende Veränderungen in allen Bereichen der Bildung erfordert.
Es geht hier also um weit mehr als darum, Verständnis für bestimmte Technologien oder Anwendungen zu vermitteln. Ziel ist vielmehr, die Lernenden auf das "Leben in der derzeitigen und künftigen Gesellschaft vorzubereiten und sie zu einer aktiven und verantwortlichen Teilhabe am kulturellen, gesellschaftlichen, politischen, beruflichen und wirtschaftlichen Leben zu befähigen", so die KMK.
Kompetenzkonzepte als Werkzeug für die Unterrichtsgestaltung
Die Schulen haben nun die Aufgabe, eigene Curricula zu entwickeln, die den Zielen der Strategie gerecht werden. Das KMK-Kompetenzkonzept und seine Varianten in den verschiedenen Bundesländern können dabei als Raster verwendet werden, in dem die Schulen gewissermaßen "abhaken", welche Kompetenzen mit welchen Unterrichtsinhalten verknüpft werden.
Damit kommt auch im Politikunterricht vieles in Bewegung, denn auch hier sind viele Bezüge zum KMK-Kompetenzraster offensichtlich. Sie reichen von methodischen Kompetenzen (1.2 Auswerten und Bewerten: Informationsquellen analysieren und kritisch bewerten) bis hin zu komplexen Inhalten (6.2.5 Die Bedeutung von digitalen Medien für die politische Meinungsbildung und die Entscheidungsfindung kennen und nutzen; 6.2.6 Potenziale der Digitalisierung im Sinne sozialer Integration und sozialer Teilhabe erkennen, analysieren und reflektieren). (Externer Link: Eine Abbildung des KMK-Kompetenzrasters finden Sie hier.)
Die Ansätze unterschiedlicher Kompetenzkonzepte
Das KMK-Kompetenzkonzept ist nicht der einzige Versuch, systematisch zu erfassen, was Bildung angesichts der digitalen Transformation leisten muss. Es ist allerdings in Deutschland von besonderer Bedeutung, weil es für den größten Teil des Bildungssystems einen verbindlichen Rahmen schafft und die Entwicklung entsprechend prägt.
Es gibt weitere Kompetenzkonzepte, unter anderem auf EU-Ebene das Externer Link: Digital Competence Framework for Citizens (DigComp). Die meisten knüpfen an eine längere Vorgeschichte an: die Auseinandersetzung mit den Begriffen der Wissensgesellschaft beziehungsweise Informationsgesellschaft. International werden in diesem Zusammenhang häufig die Begriffe Media Literacy, Digital Literacy und Information Literacy verwendet.
In manchen Ansätzen wird hervorgehoben, dass die digitale Transformation qualitative Veränderungen mit sich bringt und dass entsprechend neue Sichtweisen auf Bildung nötig sind: Informationen seien im Überfluss vorhanden, während sich Technologien und Werkzeuge rasant veränderten. Darum seien vor allem die Kompetenzen wichtig, die es ermöglichen, sich in diesem Umfeld zurechtzufinden, heißt es etwa im Externer Link: "Framework for 21st Century Learning". Es wird als Konzept verstanden, um Bildungssystem und -inhalte grundlegend neu auszurichten.
Auf das "Framework for 21st Century Learning" gehen auch die sogenannten 4K-Kompetenzen zurück (bzw. englisch four Cs oder kurz 4C). Laut diesem Modell sind die vier wichtigsten Kompetenzen für das Lernen im 21. Jahrhundert
Die Sicht der politischen Bildung auf die Kompetenzraster
Die genannten Kompetenzkonzepte für die "digitale Welt" berühren offensichtlich auch Fragen der politischen Bildung. Umgekehrt nehmen Fragen der Digitalisierung auch in der politischen Bildung großen Raum ein. Wichtige Themen sind unter anderem Veränderungen der (politischen) Kommunikation (Fake News, Meinungsmache im Internet o. Ä.), Überwachung und Privatsphäre, Künstliche Intelligenz sowie Fragen der Partizipation und Zugangsgerechtigkeit. Auch Themen und Inhalte der politischen Bildung wie die Rolle von Massenmedien in der Demokratie müssen in einer digitalen Welt überprüft werden.
Jedoch gibt es kein Kompetenzkonzept, das in ähnlich überschaubarer Form wie das KMK-Kompetenzkonzept aufschlüsselt, was politische Bildung in der digitalen Welt leisten soll. Unabhängig davon gibt es auch generelle Kontroversen darüber, wie sich die Aufgaben der politischen Bildung konkretisieren lassen.
Das KMK-Kompetenzkonzept zeigt erste Ansätze auf, was in der Praxis der politischen Bildung überprüft werden sollte. Das beginnt bei Methoden- und Handlungskompetenzen in den Bereichen "Kommunizieren und Kooperieren" sowie "Produzieren und Präsentieren", die auch bisher eine große Rolle in der politischen Bildung spielen – die aber in einer digitalen Welt auf andere Weise vermittelt werden müssen als bisher. Weitere Beispiele sind die Informationsrecherche oder Präsentationen.
Bei der Umsetzung reicht es allerdings nicht aus, einzelne Elemente vorhandener Konzepte zu ersetzen. Zum Beispiel, indem interaktive Präsentationen an die Stelle von Plakaten treten. Oder indem über YouTube und Soziale Netzwerke gesprochen wird statt über Zeitungen und Fernsehen.
Es muss auch die Frage gestellt werden, was der digitale Wandel für die grundlegende Haltung beziehungsweise die Rollen von Lehrenden und Lernenden bedeutet. Dies ist allerdings ein Thema, das hier nicht angemessen behandelt werden kann. (Einen Einstieg bieten zum Beispiel die
Eine Überprüfung der politischen Bildung muss zudem mehr umfassen als die Integration der KMK-Kompetenzen. Denn es ist offensichtlich, dass der Anspruch der politischen Bildung an die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung weit über das Kompetenzkonzept der KMK hinausgeht. Politische Bildung will die Urteils- und Handlungsfähigkeit in der demokratischen Gesellschaft fördern; es geht um Konzepte wie Macht, Recht, Gemeinwohl oder Öffentlichkeit. Damit verbunden sind Fragen wie: Wer übt Macht aus, und mit welcher Berechtigung? Was ist "gerecht"? Was ist gut für das Gemeinwesen und nach welchen Maßstäben kann das beurteilt werden?
Diese Fragen zu stellen ist offenkundig nicht der Anspruch der KMK-Strategie. In ihrer Externer Link: Stellungnahme (S.7) kritisiert die Gesellschaft für Medien- und Kommunikationskultur (GMK) unter anderem, dass der Schwerpunkt auf dem "Lernen mit Medien" liege und das "Lernen über Medien" zu kurz komme. Die KMK-Strategie könne den Eindruck eines "unkritischen Optimismus hinsichtlich des Einsatzes von Technik" erwecken, so die Externer Link: Initiative Keine Bildung ohne Medien.
Frankfurter Dreieck: Bedeutung für die Praxis am Beispiel Rezo
Eine Bildung, welche die notwendigen Kompetenzen für Partizipation in einer digitalen Welt vermitteln will, muss jedoch immer systematisch mehrere Perspektiven berücksichtigen. Dazu gehören neben den technologischen und medialen Strukturen oder Funktionen auch die gesellschaftlichen und kulturellen Wechselwirkungen sowie die Frage nach den Interaktionen – zum Beispiel, wie und warum Menschen Medien nutzen. Das ist der Ansatz des sogenannten Externer Link: Frankfurt-Dreiecks, das eine Gruppe von Fachleuten aus Informatik, Medienpädagogik und Medienwissenschaft 2019 vorgestellt hat.