Ländliche Regionen stehen für viele Menschen für Lebensqualität, sind Erholungsraum und zugleich wichtige Standorte kleiner und mittelständischer Unternehmen.
Die Überalterung und Schrumpfung führt auch dazu, dass öffentliche und private Dienstleistungen sowie soziale und technische Infrastrukturen unrentabel werden und schließlich ausdünnen. Die Digitalisierung eröffnet Potenziale, dieser Entwicklung entgegenzuwirken und ländliche Regionen zukünftig attraktiver zu gestalten. Allerdings ist die Einführung und Nutzung digitaler Lösungen auf dem Land auch mit Hemmnissen verbunden. Mitte 2018 hatten zwar bereits 92,4 Prozent der deutschen Haushalte Zugang zu Breitbandanschlüssen mit über 16 Mbit/s und 82,9 Prozent mit über 50 Mbit/s, allerdings ist die Verfügbarkeit schneller Leitungen in städtischen Gemeinden (93,5 Prozent mit 50 Mbit/s und mehr) deutlich höher verglichen zum ländlichen Raum (50,5 Prozent mit 50 Mbit/s und mehr).
Auch bei der Internetnutzung gibt es Unterschiede: Junge Menschen, höher Gebildete und Berufstätige nutzen das Internet häufiger, ebenso wie die Bevölkerung in Großstädten (88 Prozent) verglichen mit dem Land (82 Prozent).
Modell- und Netzwerkschulen im ländlichen Raum
Eines der Ziele des Breitbandausbaus in ländlichen Räumen ist es, Schulen weitere Potenziale zu eröffnen.
Des Weiteren sollen auch die Lehrkräfte im Bereich Digitalisierung und Mediennutzung weitergebildet werden. Mithilfe des Projekts soll die systematische Integration von digitalen Medien in Lehr- und Lernkonzepte ermöglicht und so mittelfristig auch eine digital-gestützte Aufgaben- und Prüfungskultur umgesetzt werden. Auf der Lernplattform sollen nicht nur Lehrende Unterrichtsfortschritte dokumentieren, Schülerinnen und Schüler sollen sich auch gezielt auf Prüfungen vorbereiten können. Diese neuen Konzepte sollen als Modell für die Entwicklung an anderen Schulen dienen. Am Projekt beteiligen sich sowohl Modell- und Netzwerkschulen in größeren Städten wie Erlangen als auch solche in eher ländlich geprägten Gebieten wie zum Beispiel in Neunburg vorm Wald – eine Stadt mit gut 8000 Einwohnerinnen und Einwohnern in der Oberpfalz.
Ein weiteres Beispiel dafür, wie sich der ländliche Raum für die Digitalisierung seiner Schulen rüstet, findet sich im oben genannten ländlichen Flächenlandkreis Tirschenreuth. Der dortige Kreisjugendring hat mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union und des Bezirks Oberpfalz das T1-Jugendmedienzentrum ins Leben gerufen. Hier werden unter anderem Programme speziell für Schulklassen angeboten, beispielsweise zu den Themen "Internet- und Smartphonenutzung" oder "Cyber-Mobbing". Dies kann ein erster Anreiz sein, die Sensibilität von Schülerinnen und Schülern zu Themen der Digitalisierung zu schärfen, sodass sie bei richtiger Ausstattung auch an den Schulen fit für den digitalen Wandel sind.
Laut Digital Index 2018/19 glaubt aktuell nicht mal jede vierte Lehrperson an den Nutzen digitaler Medien für den Lernerfolg ihrer Schülerinnen und Schüler. Kaum eine Schule sieht die Digitalisierung als strategisches Thema – egal ob in der Stadt oder auf dem Land. Wenn sich hier der ländliche Raum als Vorreiter auszeichnen würde, könnte dies die Attraktivität des ländlichen Raums steigern. Daneben könnte der ländliche Raum durch gut ausgebildete Schülerinnen und Schüler sowie junge Erwachsene als heranwachsende Fachkräfte wieder interessant für größere Unternehmen und Nahversorgungseinrichtungen werden.
Bildungsangebote zur Digitalisierung für ältere Menschen
Nicht nur Schülerinnen und Schüler müssen in Sachen Digitalisierung weitergebildet und -qualifiziert werden. Im Hinblick auf den demografischen Wandel soll auch die ältere Bevölkerung des Landkreises Tirschenreuth auf den Weg der Digitalisierung mitgenommen werden. Das Projekt "Digitales Dorf: Wohnen und Bildung" (ein Kooperationsprojekt von Fraunhofer SCS, Fraunhofer IESE und des Landkreises Tirschenreuth) hat das Ziel, ältere Bürgerinnen und Bürger im Landkreis dazu zu befähigen, digitale Lösungen im ländlichen Raum selbstständig zu nutzen.
Ältere Menschen greifen in ihrem Bildungsverhalten bevorzugt auf Formen des informellen Lernens zurück, das im Alltag zum Beispiel durch den Austausch mit Bekannten entsteht und ohne offizielle Lernnachweise auskommt.
Durch den Einbezug von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Region (Senioren- und Behindertenbeauftragte, öffentliche Einrichtungen, Volkshochschulen etc.) ist es im Projektverlauf gelungen, Bildungsangebote wie "Jung erklärt Alt die Medien von heute" oder "Erste Schritte im Internet" zu entwickeln und einzusetzen. Diese werden bis zum Ende des Jahres evaluiert und sollen über das Projektende hinaus verstetigt werden. Die entwickelten Bildungsangebote decken unterschiedliche Inhalte und Anwendungsbereiche ab, etwa die Nutzung von Computern, die Internetnutzung, Online-Einkäufe etc. Je nach Bildungsangebot bringen die Seniorinnen und Senioren ihre eigenen digitalen Endgeräte mit, oder aber sie finden in Computercafés oder Schulen mit der entsprechenden Ausstattung statt.
Die digitalen Bildungsangebote des vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales durchgeführten Pilotprojekts sollen auch andere ländliche Landkreise in Bayern nutzen können. Mit der nötigen Ausstattung können dann flächendeckend Bildungsangebote für alle Zielgruppen im ländlichen Raum angeboten werden.
Ausblick
Das deutsche Bildungssystem reagiert zunehmend auf die Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung und wird aktiv im Bereich der Anschaffung von digitalen Medien und der Entwicklung von Bildungskonzepten, die sich zum einen fachlich mit der Digitalisierung auseinandersetzen, zum anderen methodisch digitalisiert sind. Das ist auch im ländlichen Raum der Fall; doch fehlen hier im Vergleich zum städtischen Raum zum Teil noch adäquate Infrastrukturen und die Systematisierung und strukturelle Implementierung von Lösungsansätzen.
Durch die Vielzahl an öffentlich geförderten Projekten ergeben sich durch die Digitalisierung jedoch Chancen für strukturschwächere Regionen – insbesondere auch im Bildungsbereich – die dabei helfen können, der Landflucht und den Auswirkungen des demografischen Wandels entgegenzuwirken.