werkstatt.bpb.de: Eltern haben in vielen Bereichen eine Vorbildfunktion für ihre Kinder. Inwiefern trifft das auch auf die Mediennutzung zu und was bedeutet das konkret für das Familienleben und die Erziehung?
Tatsächlich ist es sehr wichtig, dass Eltern ihren Kindern bewusst vorleben, wie man die unzähligen Möglichkeiten digitaler Medien am besten nutzt. Langfristig sollten Kinder ja in der Lage sein, selbstbestimmt, aber verantwortungsvoll und angemessen mit den Angeboten umzugehen. In der Familie werden hierfür die Grundlagen geschaffen. Das braucht viel Geduld, und die Vorbildfunktion ist dabei ein wichtiger Faktor. Erfahren Kinder hingegen, dass sie aufgrund der elterlichen Mediennutzung ständig eine "Nebenrolle" spielen, dass ihre Anliegen nicht wichtig genug sind und die Eltern ihnen keine Aufmerksamkeit schenken, führt dies zu Enttäuschung, Ärger und letztendlich Konflikten. Außerdem kann es schwierig für Kinder werden, ein zuverlässiges System zur Selbstregulierung zu entwickeln, wenn ihre Eltern ihren eigenen Medienumgang nicht hinterfragen und kontrollieren.
Worauf sollten Eltern bei ihrem eigenen Medienkonsum achten, um ein gutes Vorbild zu sein?
Beruflich wie privat sind Eltern zunehmend vernetzt. In vielen Arbeitsfeldern lassen sich familiäre und arbeitsbezogene Angelegenheiten nur schwer trennen. Eltern können ihren Medienkonsum aber zumindest einschränken, wenn sie zwei Dinge beachten: Wenn sie erstens erkennen, dass eine Mediennutzung rund um die Uhr zwangsläufig zur persönlichen Überlastung führt, und wenn sie sich, zweitens, eine unterstützende Struktur aufbauen, die sie konsequent nutzen. Verwenden Eltern beispielsweise ein Dual-Sim-Handy, können sie mitunter leichter mit Kollegen vereinbaren, wann sie erreichbar sind, und Familienzeiten als angekündigte "Auszeiten" handhaben. Beim Abholen der Kinder von Schule oder Kindergarten oder in anderen Schlüsselsituationen bleibt dann Zeit für einen gemeinsamen und ungestörten Austausch.
Warte- und Wegezeiten werden mittlerweile meistens dazu genutzt, zu chatten, Nachrichten aus dem Weltgeschehen oder YouTube-Filme als Zeitvertreib anzuschauen sowie E-Mails zu checken. Zu erfahren, dass das Leben aber eben nicht immer derart "zweigleisig" ablaufen muss, ist ein wichtiger Wert, den Eltern ihren Kindern mitgeben können.
Für Kinder ist es sinnvoll, zu lernen, solche Momente auch ohne digitale Unterstützung zu erleben: Dazu gehört zum Beispiel, mit anderen bei der Bahnfahrt ins Gespräch zu kommen, wahrzunehmen, welchen Weg ich zurücklege, ein Buch zu lesen oder in Gedanken zu verweilen. Laufen das Fernsehprogramm oder YouTube-Filme nicht pausenlos, sondern wird nach dem Sendebeitrag ausgeschaltet, bleibt Zeit für eigene Ideen und Themen. Wichtig ist, sich vom Gesehenen und Gehörten inspirieren zu lassen und es aktiv zu verwerten. Eltern können zum Beispiel nach einem Film oder Clip mit ihren Kindern Eindrücke und Meinungen abgleichen, gemeinsam mit den Kindern nach Zusatzinformationen über einen Sachverhalt, einen Star oder eine Sportart recherchieren oder zu Aktivitäten anregen, die das Gesehene praktisch umsetzen: Also beispielsweise ein Rezept nachkochen, ein Experiment durchführen oder eine Foto-/Videoreportage produzieren.
Über unsere Interviewpartnerin
Externer Link: Kristin Langer ist diplomierte Medienpädagogin und arbeitet als Mediencoach bei der Initiative SCHAU HIN! Zudem ist sie seit vielen Jahren als freie Dozentin in der Erwachsenen- und Lehrerfortbildung sowie als Referentin für die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) tätig. Kristin Langer hat eine Tochter.
Expertinnen und Experten schlagen häufig Medienfasten vor, um Kindern wieder mehr Zeit für Hobbys und Interessen außerhalb der digitalen Welt zu eröffnen. Was genau ist Medienfasten und wie kann es in der Familie umgesetzt werden?
Verabredet die Familie ein Medienfasten, legen alle gemeinsam fest, welche Geräte an welchen Tagen und zu welchen Zeiten Pause haben. Zum Beispiel kann die Familie vereinbaren, einen Tag pro Woche medienfrei zu halten, keine digitalen Geräte im Urlaub zu nutzen oder die Mediennutzung nur auf das Wochenende zu beschränken. Das fällt vielen am Anfang schwer und wird erst als Verlust empfunden. Nach einer Eingewöhnungszeit, so zeigt die Erfahrung, entwickeln sich jedoch Gewohnheiten, die geschätzt werden. Interessant ist zudem, sich möglichst unvoreingenommen über die persönlichen Erfahrungen zu unterhalten: Wozu haben wir gemeinsam mehr Zeit als sonst? Aber auch: Was vermissen die einzelnen Familienmitglieder in der medienfreien Zeit? Wann fällt es ihnen besonders schwer, "off" zu sein und was kann man dagegen tun? Manche Familien führen ein Tagebuch, jede/r einzelne oder als Gemeinschaftsbuch, um die gesammelten Eindrücke festzuhalten und zu besprechen. So wird daraus ein gemeinsames Erlebnis für die ganze Familie.
Welche anderen Strategien gibt es, um Kindern einen verantwortungsvollen Medienkonsum beizubringen?
Wichtig ist, dass Eltern mit ihren Kindern im Gespräch sind, um herauszufinden, was die Kinder beschäftigt: Was genau interessiert sie an Medienangeboten? Was schauen oder hören sie, welche Seiten oder Spiele sind angesagt? Eltern sollten ihre Kinder von Anfang an begleiten und frühzeitig über die Risiken, aber auch die vielfältigen Möglichkeiten der Mediennutzung aufklären. Dazu gehört auch, dass Kinder Medien ausprobieren dürfen und lernen, sie mit Unterstützung der Eltern kritisch einzuschätzen. Auf dieser Grundlage können Eltern gemeinsam mit ihrem Kind die Mediennutzungszeiten festlegen. Bei jüngeren Kindern bis zehn Jahren ist es gut, wenn ein tägliches Maß bei der Mediennutzung nicht überschritten wird. Bei älteren Kindern kann ein wöchentliches Zeitkontingent für Games, Internet und TV festgelegt werden, mit dem das Kind dann "haushalten" lernt. Als grobe Orientierung ab dem Grundschulalter kann ein Limit der Medienzeit von zehn Minuten pro Lebensjahr am Tag oder 1 Stunde pro Lebensjahr in der Woche gelten.
Wichtig ist, dass die aufgestellten Regeln eingehalten werden. Dabei helfen Klassiker wie eine Eieruhr neben dem Bildschirm, Timer-Einstellungen auf dem Smartphone oder auch Regeln verbindlich festzuhalten, etwa in einem Mediennutzungsvertrag. Zudem ist es auch möglich, Zeitbegrenzungen im Betriebssystem (PC/Windows; iOS), durch externe Jugendschutzsoftware (auch mobil), bei Spielkonsolen und in der Spielsoftware selbst einzustellen.