werkstatt.bpb.de: Was war Ihre Motivation für das FSJ_digital und wie sind Sie dazu gekommen?
Charlotte Kürsten: Mein FSJ Politik habe ich im Jahr 2016/2017 im Landtag Rheinland-Pfalz in Mainz absolviert. Zu der Zeit wurde gerade stark an der Internetpräsenz des Landtags gearbeitet: Die Institution begann, in den Sozialen Netzwerken über ihre Arbeit zu berichten und auch auf YouTube aktiv zu werden. Weil viele Bürgerinnen und Bürger mit Sicherheit noch nie selbst im Landtag Rheinland-Pfalz oder im Landtag ihres eigenen Bundeslandes waren, habe ich im Rahmen des FSJ_digital-Projektes eine virtuelle Tour durch die Institution entwickelt. Ich wollte den Plenarsaal und die Lobby durch die Möglichkeiten des Internets leichter zugänglich machen. So ist die Idee eines virtuellen Rundgangs entstanden und das hat mich vor viele Herausforderungen gestellt. Nach viel Arbeit, Telefonaten und der Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
Über das FSJ_digital:
Das FSJ_digital ist ein ergänzendes Angebot für all diejenigen, die in Deutschland ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) machen. Dabei realisieren die Freiwilligen ein eigenständiges Projekt mit digitalen Medien, das einen Mehrwert für ihre Einsatzstelle bietet. Das FSJ_digital geht auf den Vorschlag für ein Modellprojekt im Koalitionsvertrag von 2013 zurück. Aktive Bildungsträger in diesem Bereich sind etwa das Externer Link: Kulturbüro Rheinland-Pfalz, bei dem aus Charlotte Kürsten ihr FSJ_digital realisiert hat, und das Externer Link: Rote Kreuz in Sachsen-Anhalt.
Wie funktioniert Ihr Projekt "Ein virtueller Rundgang durch das Herzstück der Demokratie: Der Plenarsaal" und welches Ziel verfolgen Sie damit?
Primär sollen interessierte Bürgerinnen und Bürger einen Zugang zu den Räumlichkeiten des Landtags Rheinland-Pfalz bekommen. In dem Online-Rundgang sind pulsierende Hotspots verlinkt, die man anklicken kann. Dann öffnet sich ein Fenster mit einem kurzen Text, der erklärt um welches Objekt es sich handelt und wieso es ein wichtiges Element des Plenarsaals oder der Lobby ist. Dabei wurden zum Beispiel die Sitze der Fraktionsvorsitzenden und das Landeswappen verlinkt. Die Besucherinnen und Besucher können sich die Räume außerdem aus verschiedenen Perspektiven anschauen und mithilfe des Grundrisses einen Überblick über das Gebäude bekommen. Ziel ist also, den Bürgerinnen und Bürgern den Landtag als zentralen Ort der Landespolitik näher zu bringen und dies mit einem Rundgang durch die Lobby und das Herzstück des Landtags Rheinland-Pfalz, dem Plenarsaal, zu verbinden.
Darüber hinaus finden über das Jahr verteilt viele Konzerte, Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen im Plenarsaal statt. Durch die virtuelle Tour können sich die Musikerinnen und Musiker, Autorinnen und Autoren und anderen Gäste bereits vor ihrem Auftritt ein Bild der Räumlichkeiten und der Bedeutung der einzelnen Bestandteile machen.
Charlotte Kürsten, FSJ_digital Absolventin
Beschreiben Sie den Verlauf des Projektes: Wie genau lief die Arbeit an dem virtuellen Landtags-Rundgang ab?
Für die Fotoaufnahmen habe ich eine Agentur beauftragt, die auch die die technische Umsetzung übernommen hat, etwa das Programmieren der Hotspots. Ich hatte die Rolle der Regie inne. Die Texte für die Infokästen sowie die Einbindung des fertigen Ergebnisses auf der Internetseite des Landtags waren die zeitintensivsten Aufgaben. Die ersten Ergebnisse waren zwar schnell zu sehen und wirkten auf den ersten Blick auch sehr gut, doch bald entdeckten wir viele kleine Fehler, die bearbeitet werden mussten. Hier hat mir der erfahrene Blick der Kolleginnen und Kollegen aus meiner Abteilung, der Öffentlichkeitsarbeit, sehr weitergeholfen. Hauptsächlich habe ich mit einer Mitarbeiterin aus dem Bereich "Internet" zusammengearbeitet. Die Überarbeitung meiner Texte hat unser Abteilungsleiter übernommen. Finanziert wurde das Projekt mithilfe des Kulturbüros Rheinland-Pfalz. Bei der Bewerbung für das FSJ_digital-Projekt musste ich einen Kostenvoranschlag einreichen. Nachdem ich eine Zusage für das Projekt bekam und die Höhe der finanziellen Unterstützung feststand, konnte es losgehen. Ich musste mindestens drei Angebote einholen, um mir einen Überblick über das Preis-Leistungs-Verhältnis verschaffen zu können. Die Entscheidung für die Auftragsvergabe fiel dann aber relativ schnell und wir konnten die ersten Aufnahmen machen. Insgesamt hat der Prozess von der Idee bis zur Fertigstellung etwa drei Monate gedauert.
Was haben Sie durch Ihr Projekt gelernt und inwiefern hat sich Ihr FSJ durch das FSJ_digital verändert?
Weil mein Projekt nicht zu umfangreich und deshalb gut alleine zu stemmen war, konnte ich meine eigene Chefin sein. Ich habe gelernt, an wie viele Dinge man selbst bei einem kleinen Projekt denken muss, wie man das zur Verfügung stehende Budget richtig einteilt und Angebote einholt. Und vor allem, dass man immer die Unterstützung und das Wissen von Kolleginnen und Kollegen braucht - Teamfähigkeit also sehr wichtig ist. Das FSJ_digital war eine gute Ergänzung zu größeren Projekten, bei denen ich vorher mitgewirkt hatte. Es ist ein freiwilliger Zusatz zum "normalen" FSJ. Man bewirbt sich beim Kulturbüro Rheinland-Pfalz, damit die Kosten für die Projektidee übernommen werden können. Außerdem bekam ich durch das Projekt nochmal eine andere Beziehung zu meinen Kolleginnen und Kollegen und habe mit neuen Leuten zusammengearbeitet, weil ich in anderen Projekten nicht digital gearbeitet habe. Auch was meine digitalen Kenntnisse angeht, habe ich Neues gelernt, zum Beispiel wie die Einbindung von Medien auf Websites funktioniert oder auf welchen Servern sie gespeichert werden müssen.
Wie kann das FSJ_digital Ihrer Meinung nach zu einer digitalen Gesellschaft der Teilhabe beitragen? Wie Ihr Projekt?
Ich denke vor allem, dass eine digitale Gesellschaft der Teilhabe nur dann entstehen kann, wenn alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Voraussetzungen haben. Wenn ich an die Generation meiner Großeltern denke ist klar, dass sie mit ihrem technischen Wissen und ihrer Ausstattung nicht Teil dieser Gesellschaft sein können. Es wird zwar immer selbstverständlicher sich mit Hilfe des Internets beispielsweise durch Räume zu bewegen oder per Videochat mit Menschen am anderen Ende der Welt zu telefonieren, aber eine gewisse Ausgrenzung findet meiner Meinung nach trotzdem statt. Trotzdem ist in jedem Fall positiv zu bewerten, dass wir als junge Menschen durch das FSJ_digital die Möglichkeit haben, unseren Beitrag zu dieser digitalen Gesellschaft zu leisten. Ohne die finanzielle Unterstützung könnten wir unsere Ideen und Projekte nicht umsetzen.
Was würden Sie Interessierten mitgeben, die selbst ein FSJ_digital planen?
Man sollte schon vorher den groben Ablauf des Projektes im Kopf haben, die Kolleginnen und Kollegen informieren, die man mit einbeziehen möchte, und vor allem auf das Budget und den Zeitrahmen achten. Mein Projekt hat viel mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich vorher dachte. Man sollte sich nicht von Komplikationen und Missverständnissen entmutigen oder einschüchtern lassen. Außerdem sollte man auch nicht vergessen, dass die Kolleginnen und Kollegen viel mehr Erfahrung haben als man selbst. Deshalb: Immer um Hilfe fragen, wenn man nicht weiterkommt. Generell gilt es, mit seinem Umfeld zu kommunizieren, so wird das Ergebnis viel besser! Wenn man mit dem Team abspricht, welches digitale Projekt im Interesse der Institution umzusetzen wäre, schafft man einen nachhaltigen Nutzen, der über das FSJ hinausgeht.
Hier geht es Externer Link: zum Projekt von Charlotte Kürsten.
Über unsere Interviewpartnerin:
Charlotte Kürsten ist 19 Jahre alt und hat im Jahr 2016/17 ihr FSJ Politik im Landtag Rheinland-Pfalz absolviert. Nach dem Abitur an einem Musikgymnasium wollte sie sich ein Jahr Zeit nehmen, um sich zu orientieren. Jetzt lebt sie in Frankreich und studiert dreisprachig verschiedene Geistes- und Sozialwissenschaften auf einem deutsch-französischen Campus.