Mit der Digitalisierung im Bildungsbereich zeichnet sich eine zunehmende Rollenverschiebung zwischen Lehrenden und Lernenden ab: Angesichts der Vielzahl an Informationen, die durch das Internet jederzeit abrufbar sind, verändert sich die Rolle der Lehrenden als Wissensträgerinnen und -träger. Was die technischen Kenntnisse betrifft, sind die Schülerinnen und Schüler als Digital Natives den Lehrenden oft voraus. Lehrende entwickeln sich eher zu Coaches der Lernenden und sind gefordert, ihnen einen kritischen und souveränen Umgang mit der Informationsflut zu vermitteln und sie beim individuellen Lernen und Umgang mit digitalen Tools und Anwendungen zu begleiten. Wie können Lehrende und Lernende diesen Wandel der Rollenbilder im Unterricht gemeinsam aktiv und positiv gestalten? Zu dieser Frage erarbeiteten wir im Rahmen des Externer Link: #excitingEDU-Lehrerkongresses 2017 im November in unserem Workshop "Lehrende der Zukunft" zusammen mit etwa 50 Lehrenden konkrete Ideen.
Der Workshop baute auf den Ergebnissen des
Idee 1: Im Unterricht kollaborativ und kooperativ arbeiten
Kollaboration und Kooperation sind Kompetenzen, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Sie sind sowohl als Form der Wissensvermittlung durch die Lehrenden wichtig, als auch als Lerninhalt für die Lernenden. Und: Nicht mehr allein die Lehrenden verfügen über relevantes Wissen, Schülerinnen und Schüler sind ebenso Expertinnen und Experten, sei es als Digital Natives im Umgang mit digitalen Technologien oder als Wissensträgerinnen und -träger in Themenbereichen, in denen sie Know-how gesammelt haben. In interdisziplinären Teams aus Lehrenden und Lernenden können Kollaboration und Kooperation als Kompetenzen vermittelt, gelebt und gefördert werden und die Grundlage für einen neu gedachten Unterricht bilden.
Idee 2: Lehr- und Lernsituationen gemeinsam gestalten
Die Rollenverschiebungen im Unterricht führen zu Interaktionen zwischen Lehrenden und Lernenden, die mehr auf Augenhöhe als in frontalen Lehr-Lern-Situationen stattfinden. Die Kompetenzen und das Wissen von Schülerinnen und Schülern können für die Gestaltung des Unterrichts eingesetzt werden. Das betrifft zum einen die Lehrinhalte und zum anderen die Gestaltung der Lernorte wie der Unterrichtsräume, aber auch der gesamten Schule.
Idee 3: Eine gesunde Fehlerkultur etablieren
Schülerinnen und Schüler machen Fehler. Lehrende ebenso. Das Etablieren einer gesunden und offenen Fehlerkultur im Unterricht fördert die gemeinschaftliche Entwicklung von Ideen und Wissen. Keine Angst vor dem Scheitern zu haben, sondern Fehler als Möglichkeit begreifen, um daraus zu lernen – von dieser Haltung können Lehrende und Lernende gemeinsam profitieren.
Idee 4: Eine offene Lernatmosphäre schaffen
Losgelöst von den klassischen zeitlichen und räumlichen Modellen von Unterricht und Schule und in Absprache mit den Lehrenden können Schülerinnen und Schüler ihren Lernalltag ganz im Sinne von offenen Räumen und Zeiten selbst gestalten.
Idee 5: Freiräume für eigene Ideen zulassen
Lehrende können ihren Schülerinnen und Schülern Freiräume gewähren, um eigene kreative Ideen zu äußern und zu erproben. So können individuelle Zugänge bei der Entwicklung des Unterrichts berücksichtigt und die Perspektiven der Lernenden stärker eingebracht werden.
Idee 6: Rollentausch ausprobieren
Um das Wissen und die Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern sichtbar zu machen, können diese zeitweilig in die Rolle der Lehrenden schlüpfen. Beide Seiten bekommen so das im Raum vorhandene Know-how vermittelt, so dass es für alle nutzbar gemacht werden kann. Die traditionellen Rollenverteilungen im Klassenraum lösen sich zugunsten einer verstärkten Nutzung des kollektiven Wissens auf.
Idee 7: Flexible Lernorte schaffen
In flexiblen Lernräumen arbeiten Schülerinnen und Schüler selbstständig und können bei Bedarf die Lehrenden zu abgestimmten Beratungszeiten aufsuchen. Die Lehrenden arbeiten für eine bessere Kommunikation und Kollaboration zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen in Gemeinschaftsbüros.
Idee 8: Die Leistungsbeurteilung öffnen
Nicht nur bei der Vermittlung von Inhalten und Kompetenzen, auch bei der Leistungsbeurteilung der Schülerinnen und Schüler können Lehrende eine offene Form wählen: Die klassische einseitige Notengebung durch die Lehrenden kann durch eine Beurteilung der eigenen Leistungen durch die Lernenden selbst ergänzt werden. Grundlage hierfür ist die Selbstreflexion der Lernenden und das direkte Feedback zu ihren eigenen Leistungen.
Idee 9: Weiterbildungen für Lehrende fördern
Damit Lehrende aktuelle Entwicklungen aufnehmen können, benötigen sie ausreichend Raum und Zeit, um auch selbst wieder verstärkt Lernende zu sein. Möglich ist zum einen das klassische Format der Fortbildungen, aber auch an den Schulen fest etablierte Hospitationen bei Kolleginnen und Kollegen sind denkbar, um mehr voneinander zu lernen und wertvolles vorhandenes Wissen zu teilen.
Idee 10: Auch den Lehrenden Feedback geben
Klassischerweise bewerten die Lehrenden die Lernenden. Um die Lehr-Lern-Kontexte gemeinsam zu gestalten, können auch Schülerinnen und Schüler ihren Lehrenden konstruktives Feedback geben, etwa indem bei Klassenarbeiten nicht nur die Antworten der Lernenden durch die Lehrenden bewertet werden, sondern auch die Lehrenden von ihren Schülerinnen und Schülern ein Feedback erhalten, beispielsweise indem die Auswahl und Formulierung der Fragestellungen in der Klassenarbeit bewertet und gemeinsam diskutiert werden.
Um den Wandel des Bildungsbereichs im Zuge der Digitalisierung positiv zu gestalten, sind verschiedene Akteurinnen und Akteure aus Politik, Schule, Zivilgesellschaft und Wirtschaft gefragt. Der Wandel passiert auch auf unterschiedlichen Ebenen, sowohl auf bundespolitischer Ebene, als auch in jedem Unterrichtsraum. Einige der gesammelten Ideen sind von den Workshop-Teilnehmenden bereits ausprobiert oder etabliert worden. Jede und jeder interessierte Lehrende hat die Möglichkeit, die Ideen auch im eigenen Kontext auszuprobieren und die Rollenverschiebungen im Lehrerberuf aktiv mitzugestalten.