Das nationalsozialistische Deutschland schuf eines der größten Zwangsarbeits-Systeme der Geschichte. Das von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ geförderte Online-Bildungsangebot Externer Link: "Lernen mit Interviews: Zwangsarbeit 1939 – 1945“ der Freien Universität Berlin vermittelt anhand lebensgeschichtlicher Video-Interviews Erfahrungen ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter und unterstützt das forschende Lernen zum Thema.
In der Online-Lernumgebung berichten sieben Überlebende in biografischen Kurzfilmen von ihren Erfahrungen in Zwangsarbeitslagern und Fabriken. Zwei Hintergrundfilme informieren über das Thema Zwangsarbeit und über Oral History als Methode und Quellengattung. Zusatzmaterialien und interaktive Aufgaben ermöglichen eine individuelle Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten des Themas.
Material für alle Bildungsbereiche
Getestet wurde die Lernumgebung deutschlandweit in verschiedenen Lernsettings, an Gymnasien, Realschulen, Gesamtschulen, Berufsschulen, sowie an einer Mittel- und freien Ganztagsschule. Dabei gehörten die meisten Lernenden der Sekundarstufe I an.
Einsatz fand das Material vorwiegend in den Fächern Geschichte und Gesellschaftslehre, aber auch in Ethik, Deutsch, Kunst und Religion. Zudem wurde es mit dem Konzept des forschenden und des Projektlernens verknüpft.
Einsatzbeispiele aus der Praxis – so kann das Material im Unterricht verwendet werden:
Als Projekt über mehrere Wochen mit Exkursionen in die nähere Umgebung
Als Projektarbeit im Doppelstundenmodell, beispielsweise vor den Ferien
Als arbeitsteilige Gruppenarbeit zu den Video-Biografien mit anschließenden Kurzvorträgen und Diskussion in insgesamt sieben Unterrichtsstunden
Als Partner- oder Gruppenarbeit an einem Zeitzeugen
Im Rahmen eines Projekttages zur NS-Zeit
Erstellen einer individuellen Mappe zu dem Thema als zwei- bis dreiwöchiges Projekt bei zwei Wochenstunden
Sehr gute bis gute Ergebnisse für Grafik, Technik und Benutzerfreundlichkeit
Insgesamt gaben die Lehrenden der Lernumgebung eine Note von 1,6. Als ansprechend (Durchschnittsnote 1,9) wurde die grafische Gestaltung der Benutzeroberfläche empfunden. Mit durchschnittlich 1,8 bewerteten die Testerinnen und Tester die technische Umsetzung der Plattform ähnlich positiv. Die meisten Lehrenden gaben an, in der Testphase keine technischen Probleme gehabt zu haben und die Lernumgebung intuitiv und problemlos nutzen zu können. In einigen Fällen kam es zu Schwierigkeiten aufgrund einer zu schwachen Internetverbindung sowie zu Problemen bei der Sicherung und Formatierung des Ergebnisheftes.
Die Benutzerfreundlichkeit wurde mit einer Gesamtnote von 1,9 bewertet. Hinsichtlich Struktur und Aufbau der Lernumgebung waren sich alle Lehrenden einig und stuften sie als durchweg positiv ein. Als Optimierungsvorschläge wurden „eine Hilfeseite“ , „Tipps für die Jugendlichen“, eine „Suchfunktion“ oder „eine Bewertung der Aufgaben“ vorgeschlagen.
Große Relevanz für die Bildungspraxis
Die Inhalte und Themen der Lernumgebung insgesamt erhielten mit einem Durchschnitt von 1,7 ebenfalls ein gutes Resultat. Für 93 Prozent der Lehrenden waren die Inhalte relevant für die eigene Bildungspraxis und kompatibel mit den Lehrplänen. Die Lernumgebung deckt das Thema Zwangsarbeit von 1939 bis 1945 nach Ansicht von 93 Prozent der Testerinnen und Tester gut ab. Als Verbesserungsmöglichkeiten wurde das Ergänzen der Täterperspektive genannt sowie die Thematisierung der Schuldfrage, auch in Hinblick auf die Rolle der deutschen Bevölkerung: „Interessant wären hier noch Zeitzeugenbefragungen der ausführenden Soldaten, um eine weitere Perspektive aufreißen zu können.“ „Täterperspektive über Interviews wäre noch sinnvoll, aber eher schwer zu bekommen.“ Für 88 Prozent der Lehrenden bot die Plattform Lernmöglichkeiten, die so durch andere Medien nicht oder nur schwer umsetzbar gewesen wären. Insbesondere die Bündelung und Aufbereitung der vielen Informationen sowie der unmittelbare, persönlich erfahrbare Zugang zu den Biografien und Einzelschicksalen wurde als Vorteil bewertet: „Durch die gebündelten Informationen ist die Bearbeitung des Themas erheblich leichter. Die Interviews bieten einen direkten Zugriff auf das Erlebte.“
Individuelle Auseinandersetzung mit Zwangsarbeit
Für ebenfalls 88 Prozent der Testerinnen und Tester ermöglicht die Lernumgebung ein forschendes Lernen und eine individuelle Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten des Themas Zwangsarbeit, da „Interesse geweckt wird, das weit über die reine Wissensvermittlung hinaus geht“.
Historische und mediale Kompetenzen der Lernenden werden durch die Lernumgebung nach Meinung der Testpersonen vor allem durch die Nutzung der Quellengattung Oral History gefördert. Dadurch werde „ein viel tieferes Eintauchen in das Thema ermöglicht. Die reinen Fakten werden mit persönlichen Aussagen verknüpft und werden deshalb besser verstanden und eingeordnet.“ Die Zusatzmaterialien wie Infotexte, Zeitleiste oder Karten wurden von allen Lehrenden als förderlich für die Kontextualisierung der biografischen Kurzfilme wahrgenommen, ohne die „die Schüler sonst viele Aspekte nicht verstanden hätten (z. B. Wo war nochmal Ostpreußen?“)“.
Bei der Frage, ob die Lernumgebung dafür geeignet ist, auch Lernenden aus zugewanderten Familien das Thema näher zu bringen, gingen die Meinungen auseinander. Einige Lehrende sahen die Chance, dass „Parallelen und Unterschiede entdeckt werden können“. Andere äußerten sich skeptisch wegen des eher hohen Sprachniveaus des Angebots.
Das Urteil der Lernenden
Nach Einschätzung der Lehrenden fiel das Urteil der Lernenden insgesamt positiv aus (Durchschnittsnote 1,8). „Insgesamt fanden die SuS die Arbeit mit der Lernumgebung gut. Sowohl das selbstständige arbeiten, als auch die Vielzahl der Medien fanden alle sehr gut.“ Bemängelt wurden jedoch der Schwierigkeitsgrad, der von einigen Lernenden als zu hoch, von anderen als zu niedrig eingeschätzt wurde, sowie technische Defizite der Lernumgebung.
In Hinblick auf den Lernerfolg (Wissen oder Kompetenzen) der Lernenden in Bezug auf die Lernumgebung vergaben die meisten Lehrenden eine Note zwischen „Gut“ und „Sehr gut“. „Der Lernerfolg ist mit Sicherheit erheblich größer bei einem ‚normalen‘ Unterricht. Es erleichtert natürlich auch Arbeit der Unterrichtenden. Diese Fülle an Material, Denkanstößen und Methodentipps würde man nur schwer selber zusammenstellen können.“
92 Prozent der Testpersonen würden die Lernumgebung wieder in ihrer Lerngruppe einsetzen, weil „sie sehr gut auf die Anforderungen des Lehrplans eingeht und die Digitalisierung berücksichtigt, die auch später im Berufsleben der Schüler immer mehr gefordert werden wird“, „die Zusammenstellung hervorragend ist“ oder „sie gut gelungen ist und mich entlastet“.
Haben auch Sie das Material zur Online-Lernumgebung „Lernen mit Interviews: Zwangsarbeit 1939 – 1945“ in der Praxis eingesetzt? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Schreiben Sie uns an E-Mail Link: info(at)werkstatt.bpb.de oder einfach unten in den Kommentarbereich.
Sie möchten als Testerin oder Tester beim nächsten Mal dabei sein? Um keine „Ausprobiert“-Testaktion zu verpassen, abonnieren Sie am besten unseren Newsletter.