Die Digitalisierung des Bildungsbereichs ist ein Prozess, an dem viele verschiedene Akteure beteiligt sind. Um mit den technologischen Entwicklungen Schritt halten zu können, setzen die Gemeinden, Kommunen und Schulen auch auf private Geldgeber und Unternehmen
Hier finden Sie die Regelungen zu Sponsoring und Werbung an Schulen in den entsprechenden Schulgesetzen der Bundesländer
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Gründe für den Einzug der Digitalwirtschaft in den Bildungssektor
Die Gründe für das Engagement der Digitalwirtschaft im Bildungsmarkt sind vielfältig. Wenn digitale Medien und technologische Innovationen in allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen die Zukunft darstellen, warum sollte das im Bildungsbereich anders sein? Der Bildungssektor ist also ein (digitaler) Wachstumsmarkt: Das Statistische Bundesamt prognostiziert für den Zeitraum 2007 bis 2018 eine Umsatzentwicklung von 8,31 Mrd. hin zu rund 11,54 Mrd. Euro in der Branche Erziehung und Unterricht.
Aus unternehmerischer Sicht spielen neben den offensichtlichen monetären Anreizen auch weitere Faktoren eine Rolle. So wird etwa durch die frühzeitige und langfristige Implementierung bestimmter Hard- oder Software in den Klassenzimmern sowie Product-Placement eine Markenbindung seitens der Lernenden befördert, mit der sich die Unternehmen ihre Kundinnen und Kunden von morgen sichern. Auch der Zugriff auf persönliche Daten, etwa durch die Registrierung bei Kommunikationsdiensten, die Einrichtung von Nutzerprofilen, oder für das Verfolgen individueller Lehr- und Lernprofile, sind für die Unternehmen von Interesse. Gerade mit Blick auf kostenfreie Dienste im Internet greift hier das Prinzip von Daten als Währung. Unternehmen können das Engagement im Bildungsbereich auch nutzen, um das eigene Image aufzubessern oder Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern und -trägerinnen aufzubauen. Mit Blick auf Lehrmaterialien ist für Unternehmen interessant, die Schülerinnen und Schülern an das Thema Wirtschaft nicht nur heranzuführen, sondern auch die Entwicklung des wirtschaftswissenschaftlichen Grundverständnisses zu beeinflussen. Wieder andere Kooperationen, vor allem im Hochschulbereich, legen den Fokus darauf, unmittelbar von einer bereits vorhandenen Expertise bei Lernenden zu profitieren oder Forschung im Sinne des Unternehmens zu unterstützen. Im Umkehrschluss können solche häufig projektgebundenen Kooperationsprogramme Studierenden durchaus beim Einstieg in den Beruf helfen.
Einflussbereiche der Digitalwirtschaft
Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um die Auswirkungen des Engagements der Digitalwirtschaft im Bildungsbereich einschätzen und entsprechend auf sie reagieren zu können, ist das Wissen und Bewusstsein darüber, diese unternehmerischen Interessen überhaupt wahrzunehmen. Denn: Nicht immer sind die eigentlichen Urheber und Interessen von Bildungsangeboten sofort erkennbar.
Die Interessen bei der Bereitstellung von Hardware für Bildungseinrichtungen, insbesondere durch Großkonzerne wie beispielsweise Apple oder Samsung, sind noch relativ durchschaubar. Bildungseinrichtungen werden inzwischen auch in Deutschland mit Computern oder Tablets ausgestattet (dieser Trend war anfangs vor allem in den USA erkennbar) und spezielle Angebote für den Bildungsbereich ermöglichen Vergünstigungen bei der Anschaffung der Geräte wie zum Beispiel im Rahmen des Programms "Apple on Campus". Einerseits sind Schulen und ihre Lehrenden und Lernenden für die Unternehmen aus oben genannten Gründen eine marktwirtschaftlich interessante Gruppe, andererseits lässt sich durch die Verbreitung der eigenen Hard- und Software wesentlich die Infrastruktur des Bildungssektors mitgestalten. Hat eine Schule einmal ein System etabliert, ist es sehr aufwändig, dieses zu wechseln. So werden Abhängigkeiten geschaffen, aus denen die Institutionen nur mit hohem finanziellen Aufwand wieder ausbrechen können.
Die Konzerne setzen mittlerweile neben der Implementierung ihrer Hardware auch auf Softwareerweiterungen für den Bildungsbereich. Samsung etwa wartet mit einem eigenen Bildungsportal auf, Google bietet mit seinen Google Apps for Education "kostenlose Tools für Kommunikation und Zusammenarbeit in Bildungseinrichtungen an", die nach eigenen Abgaben aktuell von mehr als 16 Millionen Lehrenden und Lernenden genutzt werden. Dabei wirbt Google unter anderem mit persönlichen Erfahrungswerten bisheriger Nutzerinnen und Nutzer, der einfachen Einrichtung, dem Schutz der Privatsphäre und der Begeisterung der Studierenden.
Abgesehen davon profitieren natürlich auch andere Technologie- und Dienstleistungsunternehmen von der Digitalisierung des Bildungssektors, etwa Firmen, die sich auf die Herstellung von Smartscreens, Smartboards oder digitalen Aufstellern für die Schulaula oder auf IT-Support für Schulen spezialisiert haben.
Digitale Bildungsangebote von Schulbuchverlagen, Medien und Unternehmen
An den kommerziellen Schulbuchverlagen geht die Digitalisierung nicht spurlos vorüber. Neben Digitalausgaben von Schulbüchern, setzen die Marktführer Klett, Cornelsen und Westermann verstärkt auf digitale Erweiterungen der bereits bestehenden analogen Lehrwerke, sowie Organisations- und Communitytools. Diese sind wiederum herstellergebunden und untereinander nicht kompatibel. Exemplarisch seien an dieser Stelle etwa das eBook pro, der digitale Unterrichtsassistent, sowie multimediale Zusatzinhalte und Community-Funktionen des Klett-Verlages genannt. Auch die Verlagsgruppe Westermann stellt digitale Lehrmaterialien und E-Books, sowie Online-Erweiterungen wie digitale Atlanten oder Lernportale und Download-Optionen bereit. Als Angebot von Cornelsen sei stellvertretend die Plattform scook genannt, die nicht nur die digitalen Ausgaben der zertifizieren Cornelsen-Lehrbücher entgeltlich zur Verfügung stellt, sondern auch weiterführende Digitalangebote wie Apps zur Erinnerung an Hausaufgaben, interaktive Übungen sowie Materialien „anerkannter Partner“.
Kommerzielle Medien klinken sich in diesen Trend ein. So bietet etwa die Wochenzeitung DIE ZEIT mit dem Programm Externer Link: ZEIT für die Schule kostenlose Unterrichtsmaterialien zu den Themen Medienkunde sowie Studien- und Berufsorientierung, kostenfreie Klassensätze der Wochenzeitung, passgenaue Newsletter für Lernende und Lehrende und sogar Externer Link: Weiterbildungsveranstaltungen zum Thema Digitale Bildung an. Das Projekt der ZEIT kooperiert unter anderem mit scook (vgl. oben), sowie Google und der Deutsche Telekom Stiftung.
Ein weiterer Bereich der potenziellen Einflussname auf den Bildungsbereich liegt in der Erstellung von digitalen Lehr- und Lernmaterialien durch Unternehmen. Analoge Materialen sind in dieser Hinsicht schon lange ein Thema,
Werbung, Lobbyismus, wirtschaftliche Abhängigkeit – wo liegen die Grenzen?
Gerade für Lehrende ist es wichtig, die obengenannten Formen der Einflussnahme kritisch zu hinterfragen und im Unterricht zu reflektieren. Bei allen beschriebenen Einflussbereichen und Interessen ist zudem eine Differenzierung zwischen Lobbyarbeit und Werbung, also der inhaltlichen Einflussnahme beziehungsweise Vermittlung politischer Ansichten und der Betrachtung von Schülerinnen und Schülern als konsumierende Zielgruppe wichtig. Ersteres ist im etwa im Berliner Schulgesetz ausdrücklich untersagt (Eine "Einseitige politische Beeinflussung einschließlich Werbung zu politischen Zwecken [ist] in schulischen Veranstaltungen und auf dem Schulgelände während der Unterrichtszeit nicht zulässig.")
Chancen, Risiken und Handlungsempfehlungen
Wie sind solche Tendenzen nun einzuordnen? Obwohl die Regelungen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ausgeführt sind, steht bei einer Kooperation oder einem Sponsoring stets der Nutzen für den Bildungsauftrag im Zentrum. Das meint sowohl die Verbesserung des Unterrichts durch modernisierte Lernsettings, aber auch die Vorbereitung auf eine digitale Gesellschaft und Berufswelt. Dadurch aber befinden sich die Lehrenden in einer neuen Verantwortung: Wichtig ist, dass die Zusammenarbeit von Unternehmen und Schule auf Transparenz und klaren Regeln beruht. Beispielsweise sollten Unternehmen keine Vertreterinnen und Vertreter als Personen mit einem Bildungsauftrag in die Schulen entsenden – und wenn, dann nur, wenn sie ihr unternehmerisches Eigeninteresse kenntlich machen. Die Position des Lehrenden muss in dieser Hinsicht gestärkt und als zentrale, moderierende, reflektierende und vermittelnde Position etabliert werden. Eine Möglichkeit ist in diesem Zusammenhang die gezielte Thematisierung möglicher – etwa datenschutzrechtlicher – Konsequenzen, die mit einer Kooperation oder der Benutzung eines bestimmten Tools im Unterricht einhergehen. Andererseits können Fachleute aus der Wirtschaft den Unterricht durch ihre Expertisen auch bereichern. Der Bildungsbereich kann sich derlei Einflüssen kaum entziehen. Dennoch sollten immer auch Alternativen wie Open Source-Angebote in Betracht gezogen und aktiv genutzt werden. Sie können helfen, Neutralität im Unterricht zu wahren und nicht zum Werbesprachrohr einzelner Anbieter und Unternehmen zu werden. Im Falle der Verwendung von Markenprodukten, kommerziellen Apps oder Diensten bietet sich an, zuvor das Gespräch zu suchen – innerhalb des Kollegiums, aber auch mit Eltern und Lernenden. Denn gerade für Schülerinnen und Schüler ist die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Mediennutzung, im schulischen wie im außerschulischen Kontext, eine wichtige Grundlage, um in der digitalen Gesellschaft zu bestehen.