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Neue Berufsfelder in der Schule durch digitale Medien

Theresa Samuelis

/ 5 Minuten zu lesen

Kasper Rothaus kommt aus Dänemark und ist eigentlich Lehrer. Inzwischen aber hat er eine Zusatzausbildung absolviert und ist in Berlin als IT-Berater an der Deutsch-Skandinavischen Gemeinschaftsschule angestellt.

Die digitale Schulentwicklung schafft neue Berufsfelder (rawpixel / bearbeitet / Externer Link: Pixabay / Externer Link: Lizenz CCO)

werkstatt.bpb.de: Welche neuen Tätigkeitsbereiche entstehen an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen durch den zunehmenden Einsatz digitaler Medien und warum?

Kasper Rothaus: Im Zuge der digitalen Schulentwicklung brauchen wir gut ausgebildetes IT-Personal, das die Nutzerinnen und -nutzer – in der Schule also die Lehrenden und ihre Schülerinnen und Schüler – versteht und ihren Alltag kennt. Die Lehrenden haben sich in der Ausbildung nicht notwendigerweise IT-Kenntnisse angeeignet, sodass die richtige Anwendung an den Schulen häufig noch von der zufälligen Verfügbarkeit IT-kompetenter Lehrkräfte abhängig ist. In den neuen Berufsfeldern sollte das kein Zufall sein, sondern eine Forderung. Die Lehrenden brauchen in ihrem Alltag eine gute und auf sie zugeschnittene IT-Beratung. Außerdem muss der Lehrplan entsprechend angepasst werden: In Dänemark haben wir zum Beispiel in jedem Fach digitale Kompetenzen als Unterziel mit in den Fachunterricht integriert. Man braucht also IT-didaktisch kompetente Leute auf einer politischen, organisatorischen und fachspezifischen Ebene. Auch die (dänischen) Schulbuchverlage haben inzwischen große IT-Abteilungen, die mit entsprechenden didaktischen und technischen Kenntnissen ganz neue Materialien und digitale Plattformen entwickeln.

Sie selbst sind an der Deutsch-Skandinavischen Gemeinschaftsschule Berlin als IT-Berater angestellt. Wie sind Sie an diese Stelle gekommen, was sind dabei Ihre Aufgaben und wie sieht ihr Arbeitsalltag aus?

Unser Schulleiter Jacob Chammon ist ein großer Fürsprecher des Konzeptes der Digitalen Schule. Eigentlich gab es meine Stelle nicht, aber er hat das Thema IT-Beratung forciert und den Posten geschaffen. Aktuell sind wir dabei, die schulischen Infrastrukturen umzustellen: Wir haben seit diesem Jahr WLAN auf dem gesamten Schulgelände, haben in neue Laptops investiert und bald legen wir mit cloudbasierten Kollaborationswerkzeugen los. Wir haben auch in Online-Unterrichtssoftware, Roboter und Mini-Rechner zum Programmieren investiert. Meine Aufgabe besteht nun erst einmal darin, die Lehrenden in all diese Strukturen einzuführen und mit ihnen gemeinsam didaktische Konzepte für diese Medien zu entwickeln. Außerdem ist mein Alltag geprägt von der Unterstützung bei technischen Problemen, die die Schülerinnen und Schüler oder die Lehrenden nicht selbstständig lösen können. In Zukunft wird meine Hauptaufgabe sein, sie alle zu beraten, um kompetenter mit digitalen Medien arbeiten zu können.

Sie sind ursprünglich Lehrer und haben auch Lehramt studiert. Für Ihre Arbeit als IT-Berater haben Sie eine Weiterbildung gemacht. Was für eine Weiterbildung war das und wieso haben Sie sich dafür entschieden?

Der Master IT, Learning and organizational change der Universität Aalborg in Kopenhagen ist ziemlich neu und versucht, die neuen Berufsfelder, über die wir hier sprechen, zu antizipieren. Unsere Gesellschaft entwickelt sich heutzutage sehr schnell weiter und in jedem Fachbereich muss man sich darauf einstellen, sich ständig weiterzubilden. Auch in der Schule. Außerdem betrachten auch viele Unternehmen den IT-Sektor als eine gute Möglichkeit, diese digitale Entwicklung zu begleiten. Ich glaube, dass man mit Informationstechnik viele gute Dinge zum Unterricht beitragen kann. Die Frage ist nur, wie man das tut. Initiativen, die einfach nur eine digitale Version einer analogen Methode sind, zum Beispiel die E-Book-Version eines Textbuches, haben meiner Meinung nach keinen bedeutenden Mehrwert. Dieser Entwicklung möchte ich gerne entgegenarbeiten, damit die Unterrichtsqualität weiter verbessert wird.

Sie haben vorher in Dänemark in einem sogenannten "Pädagogischen Lerncenter" in einer Schule gearbeitet. Dort haben Sie Lehrende und Lernende im Bereich Digitale Medien weitergebildet. Wie sah Ihre Arbeit dort aus?

"Pädagogisches Lerncenter" ist eigentlich nur ein neuer Name für Schulbibliotheken in Dänemark, aber die Bedeutung dieses Namens ist wichtig: Denn es hat eine strukturelle Entwicklung stattgefunden – von der ursprünglich zentralen Buchausleihe durch Schulbibliothekare hin zu digitalen Lernangeboten durch IT- und medienkompetentes Fachpersonal wie etwa mich. Wir haben in den PLC mit allen möglichen Methoden gearbeitet und die Lernenden unterstützt – von Quellenkritik über Programmieren bis hin zu Animationsfilmen. Das findet jedoch nicht im Unterricht statt, sondern wird eher als "Hilfe zum Selbstlernen" verstanden.

Worin kann sich – mit Blick auf Digitale Bildung und Personal – das deutsche Schulsystem von Dänemark inspirieren lassen, und worin das dänische Schulsystem vom deutschen?

In Dänemark kümmern sich zum Beispiel nicht so viele Leute um Datenschutz und ich glaube, dass wir Dänen von der natürlichen Skepsis der Deutschen viel lernen können. Deutschland steht jetzt vor einem Digitalisierungsprozess des Schulsystems und ist damit – ohne frech klingen zu wollen – ein bisschen spät dran, zumindest im europäischen Vergleich. Deshalb sollten hier nicht die gleichen Fehler gemacht werden, die alle anderen Länder gemacht haben. Das beginnt mit der Ausbildung des Lehrpersonals: Man muss die angehenden Lehrenden fragen, wie sie sich Unterricht vorstellen, und man muss die Kinder fragen, was sie zum Lernen brauchen und wie sie gerne arbeiten möchten. Außerdem sollten alle Schulen mit funktionierenden Rechner ausgestattet werden oder die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Geräte mitbringen. Der Fokus sollte dabei immer auf das Lernen gerichtet sein und auf die Frage, wie die Digitalisierung den Lernprozess tatsächlich verbessern kann. Man darf sich von Worthülsen wie "Digital natives", "Digitalisierung motiviert", "E-Books bringen 21st century skills" nicht kopflos verzaubern lassen.

Durch die Digitalisierung verändert sich der Beruf von Lehrenden. Welche neuen Kompetenzen brauchen Lehrende Ihrer Meinung nach in einem Schulalltag 4.0 und welchen Stellenwert hat dabei der Informatikunterricht?

Die wichtigste Kompetenz ist meiner Meinung nach, umstellungsbereit und flexibel zu sein. Sie sprechen von 4.0 – aber viele Lehrende sind wahrscheinlich eher auf einem Stand von 1.2 im digitalen Bereich. Es müssen nicht alle Informatiker sein, aber informationstechnisches Grundwissen sollte bei allen Lehrkräften bestehen. Außerdem ist die wichtigste Aufgabe der Lehrenden, die Schnittstelle zwischen Technik, Pädagogik, Fachkompetenz und didaktischen Überlegungen zu verstehen, um die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung zu ergreifen und zu nutzen. In Dänemark wird oft darüber diskutiert, ob der Informatikunterricht für sich stehen oder in jedes einzelne Fach integriert werden sollte. Letzteres wird, wie bereits erwähnt, nun umgesetzt, aber noch fehlen eben häufig die Kompetenzen der Lehrenden, sodass der Nutzen dieser Herangehensweise in der Praxis verschwindet. Wir sprechen immer von Kindern und Jugendlichen, die mit dem Tablet aufgewachsen sind, aber dabei geht es hauptsächlich um ein Nutzungsverständnis und nicht notwendigerweise um tatsächliche Medienkompetenz. Das ist eine wichtige Aufgabe der Schule heutzutage.

Über unseren Interviewpartner:

Kasper Rothaus (35) ist ausgebildeter Lehrer aus Dänemark und wohnt seit August 2015 in Berlin. Nachdem er in Dänemark einige Zeit im Lehramt gearbeitet hat, hat er Sommer 2016 einen Master in IT, Learning and organizational change an der Universität Aalborg abgeschlossen und arbeitet seit September 2016 als IT-Berater an der Deutsch-Skandinavischen Gemeinschaftsschule Berlin.

Theresa Samuelis ist seit Oktober 2016 Redakteurin für werkstatt.bpb.de. Sie studierte Theaterwissenschaft, Französische Philologie und Angewandte Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin und an der Université Laval Quebec in Kanada. Während des Studiums hospitierte und arbeitete sie unter anderem für die Pressestelle der Schaubühne Berlin sowie die Onlineredaktionen des ZDFtheaterkanals und des Suhrkamp Verlags. Neben ihrer Tätigkeit für die KOOPERATIVE BERLIN ist sie als freie Autorin für Online und Hörfunk tätig.