werkstatt.bpb.de: Welche digitalen Tools und Hilfsmittel nutzen Sie selbst als Lehrender im unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Kontext und welchen Stellenwert nehmen diese in Ihrer Arbeit ein?
Torsten Larbig: Es gibt kaum einen Moment beim Arbeiten, in dem das Tablet weit entfernt wäre, egal ob ich im Unterricht bin oder diesen vorbereite. Ich nutze Standardprogramme für Textverarbeitung, Präsentationen etc.; arbeite ich mit Kolleginnen und Kollegen an Projekten, dann oft über webbasierte Kollaborationswerkzeuge. Mein persönliches Lernnetzwerk pflege ich außerdem vor allem über Twitter. Im Unterricht bin ich eingeschränkt, weil wir zwar Laptops und Beamer in Klassenräumen haben, aber keine Infrastruktur an Schülergeräten und WLAN.
Welche konkreten Veränderungen – Verbesserungen wie Verschlechterungen – konstatieren Sie zwischen Ihrer Lehrtätigkeit vor und nach dem sogenannten digitalen Zeitalter?
Aufgewachsen bin ich mit Stift, Papier und Schreibmaschine; Stift und Papier spielen in der Lehrtätigkeit auf Schülerseite nach wie vor eine große Rolle, da es bei uns keine Versorgung mit digitalen Endgeräten oder gar WLAN gibt. Wenn ich allerdings an der TU Darmstadt mit Lehramtsstudierenden arbeite, läuft fast alles digital, was vor allem die Kommunikation und die Begleitung der Studierenden erleichtert. Die Möglichkeiten der Kommunikation und der Kollaboration haben sich verbessert. Wobei: Verbessert trifft es nicht ganz, denn letztlich haben wir es mit Veränderungen zu tun. Da nehme ich relativ pauschal wertende Begriffe nicht so gerne, weil diese pädagogisch nicht wirklich weiterhelfen. Die Möglichkeiten des Lernens verändern sich im Kontext der Digitalisierung. Wir Lehrende und die Wissenschaft müssen diese Veränderungen begleiten und so gestalten, dass wir das nutzen, was dem Lernen dient. Und wenn etwas dem Lernen nicht dient, wie zum Beispiel das Ablenkungspotential, das digitale Endgeräte haben können, dann ist zu fragen, wie damit pädagogisch handelnd umgegangen werden kann.
Wie hat sich das alltägliche (Rollen-)Verhältnis zwischen Lehrendem und Lernendem Ihrer Erfahrung nach durch digitale Medien verändert und welche neuen oder zusätzlichen Funktionen nehmen Sie als Lehrender dadurch wahr?
Schülerinnen und Schüler können dann eigenständiger lernen, wenn die Schule ihnen beibringt, wie das im Kontext der Digitalisierung geht – und die Infrastruktur vorhanden ist. Wichtig sind Lehrende, um Modelllernen zu ermöglichen. Da hat sich wenig verändert. Neue Funktionen? Nun, ein kleines Detail ist, dass ich zum Beispiel wissen muss, wie man vergessene Schülerpasswörter auf nicht immer funktionierenden Schulrechnern zurücksetzt. Wesentlich bedeutender aber ist, dass zukünftig im Bereich der Schulentwicklung ein hohes Maß an digitaler Kompetenz gefragt ist, die noch nicht so verbreitet ist, wie sie sein müsste.
Welche Veränderungen für Sie als Lehrenden ergeben sich durch digitale Medien jenseits der konkreten Lehrpraxis?
Wenn ich Material selbst erstellt habe oder es unter einer freien Lizenz verfügbar ist, kann ich es leichter an einzelne Lerngruppen oder Schülerinnen und Schüler anpassen. Das Netz bietet mir reichlich Fortbildungsmöglichkeiten und die Möglichkeit des Austauschs mit Kolleginnen und Kollegen. Für diesen Zweck haben Externer Link: André Spang und ich vor dreieinhalb Jahren den #EDchatDE gegründet, einen Twitterchat für Lehrende. In der Schulorganisation verändern sich bislang vor allem die Kommunikationswege. Von einer digitalen Schule aber sind wir sehr weit entfernt.
Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung des Lehrberufes ein?
Das hängt sehr davon ab, ob es in Deutschland weiter schick bleibt, Lehrenden eher mit wenig Respekt zu begegnen, indem sich zum Beispiel völlig überlastete Grundschullehrerinnen und -lehrer weiter anhören müssen, sie hätten ja ständig frei – und dann auch noch weniger Geld verdienen als andere Lehrkräfte. Dann wird der Beruf weiter abgewertet werden, die Ausbildung entschlackt und die Attraktivität geringer. Vom oft genannten Lernbegleiter zur schlecht bezahlten Hilfskraft im Schulwesen ist es so weit nicht. Alternativ dazu wird der Lehrende noch mehr zum hervorragend wissenschaftlich ausgebildeten Experten, der in der Lage ist, das Lernen zu initiieren, anzuleiten und auch freizulassen.
Inwiefern sollte sich die Ausbildung der neuen Generation von Lehrenden verändern, um den Veränderungen des Berufsbildes gerecht zu werden?
Als erstes streichen wir für die erste Phase das Wort Ausbildung und sprechen wieder von einem Studium, in dem Lehramtsstudierende ihre Fächer, Pädagogik, Lern- und Entwicklungspsychologie etc. auf wissenschaftlichem Niveau studieren. Dieses Studium nutzt den Kontext der Digitalisierung so, dass sich keiner diesem entziehen kann. Man entwickelt didaktisch verantwortete Lernsoftware, gründet vielleicht sogar Start-Ups, kann als digital Kompetenter Bildung im Kontext der Digitalisierung ermöglichen, reflektieren und auch kritisieren. Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken stehen dabei in allen Bereich des Studiums und der Ausbildung als Leitkompetenzen des 21. Jahrhunderts konsequent im Zentrum, was an sich schon das Studium und die Ausbildung im Referendariat drastisch verändern würde.
Über unseren Interviewpartner:
Torsten Larbig ist Gymnasiallehrer in Frankfurt am Main und Lehrbeauftragter für (Medien)Didaktik an der TU Darmstadt. Als vernetzter Lehrer Externer Link: bloggt er und gründete gemeinsam mit André Spang 2013 den ersten deutschsprachigen Twitterchat zu Bildungsthemen unter dem Hashtag Externer Link: #EDchatDE.