Die Digitalisierung des Bildungssektors kommt nicht erst, sie ist bereits da und wir als Lehrende befinden uns mittendrin. Für Lehrende stellen sich viele Fragen: Womit soll ich anfangen? Muss ich mir alles neu erarbeiten und meine bewährten Unterrichtsmaterialien und Methoden über Bord werfen? Wie kombiniere ich die technischen Möglichkeiten mit didaktisch und pädagogisch geeigneten Wegen, die zur jeweiligen Zielgruppe und den Lernzielen passen? Das Konzept des Blended Learning ermöglicht die Verknüpfung von Online-Lernen und Präsenzunterricht – gut didaktisiert und durchgeführt – zu einem stimmigen Gesamtkonzept.
Was ist Blended Learning?
Blended Learning wird auch integriertes, hybrides Lernen genannt. Das Portal Externer Link: e-teaching.org fasst dies als "Lehrszenarien, die nicht ausschließlich face-to-face oder online stattfinden, (...) also als Kombination von virtuellen und nicht-virtuellen Lernsettings und Methoden" zusammen. In dieser Beschreibung fehlt jedoch ein entscheidender Punkt: Erst mit der richtigen Didaktisierung entsteht der eigentliche Mehrwert von Blended Learning.
Aufbau eines Blended Learning-Kurses
Beim Blended Learning-Konzept starte ich daher mit einem auf die Lernenden ausgerichteten Ansatz (angelehnt an Externer Link: Human Centered Design): Wie auch beim Externer Link: Design Thinking werden alle Lösungen aus der Nutzerperspektive gedacht. Ich versuche also zunächst einmal etwas über meine Zielgruppe, die Studierenden, zu erfahren und ihre Bedürfnisse einzugrenzen. Je nach Hochschule berücksichtige ich außerdem die technischen Gegebenheiten (z.B. Lernmanagementsysteme wie Externer Link: Moodle) und die organisatorischen Rahmenbedingungen (z.B. Präsenztermine an bestimmten Tagen, Raumausstattung, Prüfungsvorgaben). Dann erstelle ich ein Lehrveranstaltungskonzept mit Kursinhalten, Literaturhinweisen und übergreifenden Lernzielen. Letztere werden später mit Blick auf die Sessions, also die Lerneinheiten, weiter verfeinert.
Wie sieht Blended Learning konkret aus?
An der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (Externer Link: HWR Berlin) beispielsweise gibt es seit Oktober 2016 den Externer Link: Bachelor Business Blended, der zu 50% online und zu 50% als Präsenzunterricht stattfindet. Konkret bedeutet dies für die derzeit rund 35 Studierenden, dass sie zu einer Blockwoche und etwa jede zweite Woche zwei Tage zum Präsenzunterricht in die Hochschule kommen. In der Zwischenzeit lernen sie flexibel und ortsunabhängig online. Mit dem Pilotprojekt "Externer Link: BlendIT", finanziert durch die Berliner Qualitätsoffensive für Lehre, haben wir an der HWR Berlin erstmalig einen Business Administration-Studiengang in ein Blended Learning-Format umgesetzt – das Projekt startete im Wintersemester 2016/17. Hierbei haben wir den Lehrenden im BlendIT-Team technische Möglichkeiten zur Produktion ihres Online-Contents aufgezeigt, ihnen im Lernmanagementsystem Moodle eine Art Schablone beziehungsweise Muster-Kursstruktur an die Hand gegeben und Beratung zur didaktischen Verzahnung angeboten. Die Ausgestaltung der einzelnen Kurse erfolgt jedoch ganz im Sinne der Freiheit der Lehre durch alle Lehrenden individuell.
Als konkretes Beispiel möchte ich hier einen meiner Kurse vorstellen: An der Externer Link: Hochschule der Medien in Stuttgart habe ich mit Externer Link: Prof. Dr. Okke Schlüter die Innovationsmethode Design Thinking für die Medienbranche adaptiert und als Blended Learning-Konzept in einem interdisziplinären Kurs im Mediapublishing umgesetzt. Der Kurs wurde mit zweimal zwei Präsenz-Workshop-Tagen, zwölf wöchentlich stattfindenden Online-Terminen und einer virtuellen Abschlusspräsentation durchgeführt. In den Onlinephasen haben die Studierenden wöchentlich neuen Input erhalten, zum Beispiel in Form von Videos und Online-Aufgaben, um ihren Medienprototypen Stück für Stück zu erweitern. Die Ergebnisse wurden von allen Teams in der virtuellen Lernumgebung verlinkt. Die Teams erhielten entweder im Peer-Review oder durch mich als Dozentin Feedback. Die Lehre erfolgte hier asynchron und zeitlich flexibel, jedoch mit festen Deadlines zur Aufgabenabgabe und klaren Portfolio-Prüfungsvorgaben. Das Lehrkonzept wurde mittlerweile für den Einsatz in Medienunternehmen erweitert (Externer Link: DesignAgility).
Vor- und Nachteile von Blended Learning
Studierende profitieren beim Blended Learning von der ausgewogenen Kombination aus Online-Lernen und den anwendungsorientierten Veranstaltungen an der Hochschule. Sie können ihre Lernaktivitäten flexibel und individuell gestalten und selbstständig in ihrem eigenen Tempo arbeiten. Im Vergleich zu reinen Online-Kursen, wie beispielswiese bei den Interner Link: Massive Open Online Course (Externer Link: MOOCs), ist das Blended-Format aktivierend: Videos und interaktive Inhalte werden kombiniert mit analogen Interaktionen zwischen Lernenden und Lehrenden – etwa Mentoring, personalisiertes Feedback und direkte Bewertungen. Diese Aspekte wurden durch ein qualitatives Feedback des ersten Semesters des Blended Learning-Studiengangs an der HWR Berlin bestätigt. Gleichzeitig erfordert Blended Learning von den Studierenden ein höheres Maß an Selbstdisziplin und Zeitmanagement als ein reines Präsenzstudium. Der Arbeitsaufwand wird häufig als sehr hoch empfunden und die virtuelle Organisation im Team fällt vielen schwerer als die direkte Diskussion im Klassenraum. Auch für die Lehrenden ist die Kommunikation in der Online-Lernumgebung zu Beginn oftmals eine Hürde. Blended Learning erfordert also eine gute Moderation auch in die virtuelle Lernumgebung hinein, denn die didaktische Verzahnung und Kommunikation zwischen den Online-Phasen und der Präsenz-Lehrveranstaltung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Umsetzung. Zudem ist der Aufwand zur Erstellung der Online-Module unter der Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen (Externer Link: vgl. aktuelle Diskussion VG Wort) für den Lehrenden nicht zu unterschätzen. Die entsprechende Regelung einer leistungsgerechten Vergütung und Anerkennung lässt viele Lehrende noch zurückhaltend reagieren. Die Nachhaltigkeit und Verankerung mit bestehenden Lehrkonzepten ist ein weiterer Diskussionspunkt.
Ausblick und Fazit: Das Beste aus zwei Welten
Ich selbst habe Blended Learning und auch reine virtuelle Lehrveranstaltungen in 3D-Umgebungen bereits an verschiedenen Hochschulen unterrichtet. Auf dem Externer Link: eLerner-Blog der HWR Berlin habe ich zehn zentrale Punkte als Externer Link: Plädoyer für Blended Learning verfasst, das die Empfehlung gibt: Einfach einmal ausprobieren. Sie müssen nicht alles Bewährte über den Haufen werfen. Drehen Sie an einem kleinen Rädchen und starten Sie mit dem ersten Schritt. Sie müssen das Rad noch nicht einmal neu erfinden, es gibt bereits viele gute Videos auf YouTube und Externer Link: freie Lehr- und Lernmaterialien, die Sie zusätzlich verwenden können. Tauschen Sie sich mit Kolleginnen und Kollegen aus und erstellen Sie gemeinsam Online-Inhalte, die Sie zusammen verwenden können, um den Aufwand zu verteilen.
Kompetenzen wie Kreativität, Kollaboration und kritisches Denken sind in der Arbeitswelt 4.0 erforderlich, um die Herausforderungen der Zukunft vernetzt, digital und flexibel zu lösen. Mit Blended Learning haben Sie die Möglichkeit, diese Externer Link: Kompetenzen des 21. Jahrhunderts zu adressieren. Meiner Meinung nach erhalten die Studierenden mit Blended Learning Externer Link: das Beste aus zwei Welten: Die Kombination aus Online-Lernen und anwendungsorientierter Lehre an der Hochschule erhöht durch modernes E-Learning und Social Learning die digitale Kompetenz für die aktuelle Arbeitswelt (Externer Link: vgl. Zukunft der Arbeit BMBF, Externer Link: Digital Workforce Accenture). Den Grad der Umstellung können dabei alle Lehrenden selbst bestimmen. Wir leben in einer digitalen Welt, von daher ist es keine Frage mehr, ob Digitales in der Lehre Anwendung findet, sondern nur wie.