Besser könnten die Voraussetzungen für eine lebhafte, digitale Kultur des Teilens im Bildungsbereich nicht sein. Zumindest theoretisch kann der Austausch von Materialien, Erfahrungen, Wissen und Ideen problemlos digital zwischen Lehrenden und Lernenden florieren. Denn: „Das Medienangebot ist in Haushalten, in denen Jugendliche aufwachsen, mittlerweile extrem vielfältig. Bei Handy, Fernseher, Computer und Laptop sowie Internetzugang ist die Vollausstattung bereits erreicht, auch Smartphones stehen kurz davor und sind in 94 Prozent der Familien vorhanden.“ Dies bescheinigt die aktuelle Externer Link: JIM-Studie (siehe Infokasten zu den zitierten Studien unten). Die Studie zeigt auch, das nicht nur die Familien der Jugendlichen über eine breite Palette an Medien verfügen, sondern auch die Jugendlichen selbst. Ein eigenes Smartphone, ein eigener Laptop bzw. Computer, Zugriff vom eigenen Zimmer auf das Internet sowie mobiles Internet gehören für viele Jugendliche zur Normalität. Doch werden die Geräte auch genutzt, um Lerninhalte und -materialien zu teilen?
Gedanken teilen
Die Kommunikation über Schulaufgaben ist für Jugendliche in den 51 Minuten, die sie durchschnittlich werktags zu Hause am Computer oder im Internet etwas für die Schule tun, am wichtigsten, so die JIM-Studie. „Knapp die Hälfte der Schüler (48 %) steht mindestens mehrmals pro Woche per Internet mit Mitschülern in Kontakt, um sich über die Hausaufgaben auszutauschen. Fast genauso groß ist der Anteil derer, die für die Schule etwas im Internet nachlesen oder suchen (44 %).“ In der Schule selbst gehört das tägliche Arbeiten mit Computer oder Internet für die meisten noch lange nicht zum Alltag. Dennoch steht auch hier der onlinebasierte Austausch mit Dritten über den Unterricht an erster Stelle.
Inhalte teilen
Während die Kommunikation über Schulaufgaben für Jugendliche eine selbstverständliche Tätigkeit ist, gehört das Teilen von (bildungsbezogenen) Inhalten nicht dazu. Das lässt sich aus der Bitkom-Studie Externer Link: Jung und vernetzt – Kinder und Jugendliche in der digitalen Gesellschaft ableiten. Demnach lernen Jugendliche erst mit steigender Internetkompetenz wie Fotos, Videos oder Texte geteilt werden. Konkret heißt es in der Studie: „Unter den 10- bis 11-Jährigen teilen erst 30 Prozent Inhalte, bei den 16- bis 18-Jährigen sind es 72 Prozent. Das heißt im Umkehrschluss, dass über ein Viertel der älteren Jugendlichen gar keine Inhalte teilt.“ Unter den geteilten Inhalten stehen selbst gemachte Fotos an erster Stelle. Sie werden von der Hälfte der 16- bis 18-Jährigen geteilt. Ein Drittel der Jugendlichen teilt Links zu Videos, etwa 20 Prozent geben Links zu Texten weiter (darunter auch Nachrichten).
Auch für viele Lehrende ist es – wenn auch aus anderen Gründen – gar nicht so leicht, mit ihren Schülern und Schülerinnen Inhalte zu teilen: An 41 Prozent der Schulen ist die dienstliche Nutzung von sozialen Netzwerken und die Vernetzung mit Lernenden verboten, so eine weitere Studie des Branchenverbandes Bitkom (Externer Link: Digitale Schule – Vernetztes Lernen). Ein Großteil der elektronischen Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden sowie deren Eltern findet per E-Mail statt. Nur 12 Prozent der Lehrenden sind in sozialen Netzwerken mit ihren Schülern und Schülerinnen befreundet. „Dort versenden sie vor allem Links zu interessanten Online-Artikeln (76 Prozent). 61 Prozent beantworten aber auch individuelle Fragen von Schülern zum Unterrichtsstoff“, so die Bitkom-Studie.
Lernmaterialien teilen
Neben dem Austausch und Teilen von Inhalten wird das Internet aber auch zum organisierten Teilen von Lernmaterialien wie Schulbüchern oder Musikinstrumenten genutzt. So wurde ab dem Jahr 2010 im Bundesland Rheinland-Pfalz ein Online-Ausleihsystem für Lernmittel wie Bücher eingeführt. Dies erwähnt die Studie Externer Link: Nutzen statt Besitzen der Heinrich-Böll-Stiftung. Schüler und Schülerinnen aus Rheinland-Pfalz müssen seither die Lernmittel nicht mehr selbst besorgen, sondern können sie über das System leihen.
Die aktuellen Studien zum Thema Jugendliche und Mediennutzung zeigen, dass das digital organisierte Teilen von Gedanken, Inhalten und Lernmaterialien für Lehrende und Lernende alltäglicher wird. Ob Marie von Ebner-Eschenbach wohl zufrieden wäre, wenn sie sehen könnte, wo wir im 21. Jahrhundert, dem digitalen Zeitalter, stehen? Bereits im 19. Jahrhundert konstatierte die österreichische Schriftstellerin: „Wissen ist das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.“
Die zitierten Studien
Keine der großen aktuellen Studien aus Deutschland rund um das Thema Jugendliche und Mediennutzung beschäftigt sich explizit mit der Kultur des Teilens im Bildungsbereich. Rückschlüsse auf diesen Bereich lassen jedoch unter anderem folgende Studien zu:
Externer Link: Jugend, Information, (Multi-) Media, kurz JIM: Jedes Jahr untersucht der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (mpfs) den Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Die repräsentativen Daten werden durch Telefonbefragungen von Jugendlichen erhoben.
Externer Link: Jung und vernetzt - Kinder und Jugendliche in der digitalen Gesellschaft: Die Studie aus dem Jahr 2014 wurde vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien, kurz Bitkom, herausgegeben. Grundlage ist eine repräsentative Befragung von 962 Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren.
Externer Link: Digitale Schule – Vernetztes Lernen: Die Studie wurde vom Herausgeber Bitkom im Jahr 2015 veröffentlicht. Die Ergebnisse beruhen auf einer Befragung von bundesweit 502 Lehrenden der Sekundarstufe I sowie 512 Schülern und Schülerinnen zwischen 14 und 19 Jahren.
Externer Link: Nutzen statt Besitzen - Auf dem Weg zu einer ressourcenschonenden Konsumkultur: Die Studie der Heinrich-Böll-Stiftung aus dem Jahr 2012 beschäftigt sich nicht in erster Linie mit dem Bildungsbereich. Sie geht dennoch unter anderem der Frage nach, wie das Thema „Nutzen statt Besitzen“ vermittelt werden kann. Die Studie erwähnt auch die im Text beschriebenen Projekte, die sich für das Teilen von Schulbüchern bzw. Musikinstrumenten einsetzen.
Über die Autorin:
Nach ihrem Studium der Kulturwissenschaften hat Julia Illmer unter anderem für öffentlich-rechtliche Radiosender wie Fritz vom rbb und politische Institutionen wie die Robert-Havemann-Gesellschaft gearbeitet. Ende 2014 entwickelte sie gemeinsam mit Jugendlichen einen Audiowalk durch Kreuzberg zum Thema Herkunft und bloggte darüber.