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Hintergrund: Digitale Geschäftsmodelle aus Sicht der Gesellschaft | Politische Bildung in einer digitalen Welt | bpb.de

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Hintergrund: Digitale Geschäftsmodelle aus Sicht der Gesellschaft

Jakob von Lindern

/ 11 Minuten zu lesen

Welche Wechselwirkungen gibt es zwischen den ökonomischen Interessen der Anbietenden digitaler Dienste – etwa sozialen Netzwerken – und den Interessen der Nutzenden beziehungsweise der Gesellschaft?

Viele Plattformen sammeln zahlreiche Informationen über das Nutzungsverhalten und persönliche Vorlieben. (bpb, Illustration: Johanna Benz und Tiziana Beck/graphicrecording.cool) Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/deed.de

Worum geht es?

Wer Lebensmittel kauft, bezahlt an der Supermarktkasse. Wer in den Freizeitpark will, muss ein Ticket lösen. In der digitalen Welt ist es dagegen oft nicht so klar erkennbar, wann Geld bewegt wird und zwischen wem. Viele populäre Plattformen kassieren keine direkten Gebühren für die Nutzung, sondern holen sich ihre Umsätze über Umwege herein. Beispielsweise vermarkten sie ihre Reichweite in der virtuellen Welt und verkaufen Werbung.

Einerseits hat das für Nutzer/-innen Vorteile. Sie können eine Vielzahl attraktiver Angebote nutzen, ohne Geld dafür zu bezahlen.

Andererseits sind mit diesem Geschäftsmodell Risiken verbunden. Es kann zu Interessenkonflikten führen. Denn bei vielen Plattformanbietern, insbesondere bei den sozialen Netzwerken, stehen die Interessen der Werbekunden im Fokus ihrer Geschäftsmodelle. Und nicht unbedingt das, was gut und sinnvoll für die Nutzer/-innen ist. Das führt schon jetzt zu Wechselwirkungen, die teilweise nicht im Sinne der Nutzer/-innen sind. Zum Beispiel ist es für Plattformanbieter und Werbekunden attraktiv, möglichst viel über die Nutzer/-innen zu erfahren.

Manche Wechselwirkungen können sogar Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben. So wird kritisiert, dass die Funktionen sozialer Netzwerke die Polarisierung öffentlicher Debatten fördern (Details siehe Abschnitt: Welche Probleme bringen die digitalen Geschäftsmodelle mit sich?).

Gleichzeitig sind diese Wechselwirkungen aus Sicht der Nutzer/-innen schwer nachzuvollziehen. Denn es gibt es nicht das altbekannte Verhältnis zwischen einem Anbieter und den Nutzern/-innen, sondern ein Dreieckverhältnis zwischen dem Anbieter einer Social-Media-Plattform, den Nutzern/-innen und den Werbetreibenden.

Warum ist das wichtig?

Es ist wichtig, diese Wechselwirkungen zu kennen. Denn wichtige Bereiche des Lebens haben sich innerhalb von nicht einmal zwei Jahrzehnten in den digitalen Raum verlagert. Bei vielen kostenlosen Plattformen und Diensten geht es nicht nur um Unterhaltung, sondern sie erfüllen auch Funktionen, die für das Miteinander in einer demokratischen Gesellschaft relevant sind.

Fast jede/-r nutzt die kostenlosen Plattformen und Angebote im Alltag.
Die Suchmaschine von Google verwendet ein Großteil der Bevölkerung gleich mehrfach am Tag. 2019 sind nach Angeben von Facebook etwa 23 Millionen Menschen in Deutschland täglich in dem sozialen Netzwerk aktiv. Und etwa 15 Prozent der deutschen Bevölkerung öffnen täglich Instagram. In jüngeren Zielgruppen liegen diese Werte noch deutlich höher.

Nachrichten im Netz und Suchmaschinen sind für viele der selbstverständliche Weg, um Informationen zu erhalten. In den sozialen Netzwerken finden Diskussionen statt, die früher in Klassenzimmern oder an Küchen- und Stammtischen geführt wurden. Sie bieten neue Formen des Austausches: Nutzer/-innen können sich deutschland- oder sogar weltweit an Debatten beteiligen – aktiv oder passiv. Das verändert die öffentliche Debatte.

Dagegen haben traditionelle Massenmedien wie Tagesszeitungen an Bedeutung verloren. Seit der deutschen Wiedervereinigung hat sich die bundesweite Auflage von gut 27 Millionen auf etwa 12,5 Millionen Exemplaren pro Tag mehr als halbiert.

Wie funktioniert das Geschäftsmodell "Werbung"?

Obwohl die populärsten Plattformen für die Nutzer/-innen kostenlos sind, verdienen viele von ihnen sehr viel Geld. Facebook machte beispielsweise im Jahr 2019 insgesamt 18,5 Milliarden US-Dollar Gewinn. Der Google-Mutterkonzern Alphabet, zu dem auch YouTube gehört, verbuchte 2019 einen Gewinn von fast 35 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Der Volkswagen-Konzern machte im vergangenen Jahr etwa so viel Gewinn wie Facebook, das Industrieunternehmen Siemens schaffte gut fünf Milliarden Euro Gewinn.

Der allergrößte Anteil dieser Umsätze stammt aus Werbeerlösen, sowohl bei Facebook als auch bei Google. Das grundlegende Prinzip von Werbung bei YouTube oder Facebook entspricht dabei immer noch dem klassischen Prinzip von Werbung, wie bei einer populären Fernsehshow: Millionen von Menschen schauen gebannt zu – und Firmen wollen diese Aufmerksamkeit nutzen, um die Menschen auf ihre Produkte neugierig zu machen.

Allerdings sind die Formen von Werbung im digitalen Raum vielfältiger. Die Plattformen blenden Anzeigen an verschiedenen Stellen ein: Mal vor einem Video, mal als Banner in der App, mal beiläufig im Nachrichtenstrom eines Nutzers – gekennzeichnet beispielsweise als "Sponsored Post" oder "Advertorial".

Beispiele: Werbung im Internet

Unternehmen geben bei der Buchung an, wieviel Geld sie in welche Formate stecken wollen. Dabei nutzen sie eine weitere Eigenheit von Werbung im digitalen Raum: Sie können sehr genau angeben, wen sie erreichen wollen. Zum Beispiel können sie ihre Anzeige gezielt an Nutzer/-innen innerhalb einer bestimmten Altersgruppe, in einer ausgesuchten Region oder mit speziellen Interessen richten. Die Plattformen spielen diese Werbung dann aus. Das funktioniert deswegen so genau, weil die Dienste automatisiert analysieren, was ein Nutzer besonders gerne klickt, guckt oder mit einem "Like" markiert.

Welche weiteren digitalen Geschäftsmodelle gibt es?

Grundsätzlich gibt es neben Anzeigen eine Vielzahl weiterer Geschäftsmodelle. Nicht alle digitalen Dienste sind kostenlos. Einige Anbieter finanzieren sich auch, indem sie von ihren Nutzern/-innen Gebühren verlangen beziehungsweise Lizenzen verkaufen. Hier gibt es die klassische Beziehung zwischen Anbieter und Kunden/-innen wie beim Handel mit physischen Waren.

Ein verbreitetes Beispiel ist das Abo-Modell: Videostreaming-Dienste wie Netflix verlangen eine monatliche Gebühr. Dafür darf man das Angebot dann in der Regel unbeschränkt nutzen.

Oft gibt es ein Nebeneinander verschiedener Modelle. So kann man YouTube oder Spotify komplett kostenlos nutzen, muss sich dann aber Werbeclips ansehen und -hören. Die Plattformen bieten aber auch Premium-Versionen ohne Werbung. Dafür müssen Nutzer/-innen eine Gebühr zahlen.

Solche Modelle werden oft "Freemium" genannt, nach der Kombination aus den Begriffen "Free" (kostenlos) und "Premium". Dabei ist eine App oder eine Webseite kostenlos nutzbar. Besondere Funktionen kosten jedoch Geld.

Häufig findet sich dieses Modell bei Spiele-Apps, es wird dort oft als "Free to play" bezeichnet. Die Nutzer/-innen können die Apps kostenfrei installieren und sofort loslegen. Dann gibt es jedoch innerhalb des Spiels kostenpflichtige Angebote. So kann man zum Beispiel beim populären Spiel Fortnite die eigene Spielfigur gegen Geld mit besonderen digitalen Accessoires aufhübschen.

Das Free-to-play-Prinzip ermöglicht neugierigen Nutzer/-innen, die Spiele ohne Risiko auszuprobieren. Allerdings sind die kostenpflichtigen Angebote oft sehr verlockend, und manchmal kaum vermeidbar. Bei manchen Spielen führen sie zum Beispiel dazu, dass man eine Abkürzung nehmen kann oder bessere Gewinnchancen hat. Laut Branchenverband Bitkom könnten allein in Deutschland im Jahr 2020 insgesamt knapp zwei Milliarden Euro mit Apps umgesetzt werden, wobei Gaming-Apps dominieren und für die größten Umsätze sorgen. Drei Viertel aller Umsätze entfallen auf In-App-Käufe.

Wie hängen die Geschäftsmodelle mit der Funktionalität zusammen?

Sowohl bei werbefinanzierten Plattformen als auch bei Freemium-Modellen schlägt sich das wirtschaftliche Interesse der Anbieter in der Gestaltung beziehungsweise den Funktionen nieder.

Bei werbefinanzierten Plattformen muss es sich für Werbekunden lohnen, Geld für Werbung zu bezahlen. Das bedeutet, dass die Werbung von den Nutzenden wahrgenommen werden muss. Oft werden zum Beispiel Werbevideos automatisch gestartet. Oder Nutzer/-innen müssen sie einige Sekunden lang anschauen, bevor sie das eigentlich gewünschte Video ansehen oder ein Spiel weiterspielen können. Die Werbung darf jedoch die Nutzer/-innen nicht zu stark stören, dass das Angebot für sie unattraktiv wird.

Vor allem bei Spielen und sozialen Netzwerken finden sich häufig Mechanismen, die dafür sorgen sollen, dass Nutzer/-innen möglichst viel Zeit auf der Plattform verbringen. Dazu gehören zum Beispiel Push-Nachrichten auf dem Handy-Bildschirm, die über "Likes" und Kommentare von Kontakten informieren. Oder bei längerer Abwesenheit Hinweise wie "Deine Freunde vermissen dich!".

Soziale Netzwerke ermuntern Nutzer/-innen auch oft dazu, möglichst viele Informationen über sich selbst anzugeben, um besser Freunde finden zu können. Solche Mechanismen werden oft als "Nudging" ("stupsen") bezeichnet. Kleine "Schubser" sollen Nutzer/-innen zu bestimmten Aktionen bewegen.

Dies wird oft kritisiert, weil es als eine Form der Manipulation betrachtet werden kann. Manche Mechanismen spielen gezielt auf die Befürchtung an, etwas zu verpassen, wenn man eine App nur wenig nutzt ("Fear of missing out"). Apps und Plattformen werden teilweise gezielt so gestaltet, dass man sich der Nutzung nur schwer entziehen kann ("sticky" Apps).

Welche Vor- und Nachteile bringen die digitalen Geschäftsmodelle mit sich?

Der zentrale Vorteil von werbefinanzierten Angeboten ist, dass Nutzer/-innen eine Vielzahl von attraktiven Diensten und Plattformen zur Verfügung steht, ohne dass sie direkt dafür bezahlen müssen. Sie müssen gewissermaßen lediglich Aufmerksamkeit investieren. Zudem ist die Werbung in der Regel auf die Interessen der Nutzer/-innen ausgerichtet. Im besten Fall kann sie also sogar eine Bereicherung sein.

Auch "Freemium"-Angebote können zunächst ohne finanzielles Risiko ausprobiert werden, und in der Regel können Basis-Funktionen dauerhaft kostenlos genutzt werden. Nutzer/-innen entscheiden selbst, ob und wann sie zahlungspflichtige Zusatzangebote annehmen. Den Vorteilen steht eine Reihe von Nachteilen gegenüber.

Anbieter sind vor allem den Werbekunden verpflichtet.

Beim klassischen Prinzip "Geld gegen Ware" sind die Beziehungen klar: Ist ein Produkt für die Kundinnen und Kunden attraktiv, kaufen sie es. Gibt es Ärger, beschweren sie sich beim Hersteller. Vielen digitale Geschäftsmodelle sind jedoch für die Nutzer/-innen undurchsichtig. Es geht um so viele Ecken, dass sie ihr Verhältnis zum Anbieter – und gegebenenfalls dessen Werbekunden und anderen Partnerunternehmen – schwer einschätzen können.

Das gilt besonders für die vermeintlich kostenfreien sozialen Netzwerke. In der digitalen Welt kursiert das Zitat: "If you’re not paying, you’re the product", übersetzt: "Wenn du nichts bezahlst, dann bist du das Produkt."

Anreize, möglichst viel über Nutzer/-innen zu erfahren

Viele Plattformen sammeln zahlreiche Informationen über das Nutzungsverhalten, persönliche Vorlieben, manchmal sogar Aufenthaltsorte. Diese Daten können umso besser und teurer vermarktet werden, je umfangreicher sie sind. In den Nutzungsbedingungen wird das in der Regel aufgeführt – aber die liest sich kaum ein/e Nutzer/-in Ruhe durch.

Verlust der Kontrolle über die persönlichen Daten

Oft ist nicht leicht ersichtlich, welche Informationen gesammelt werden und wie und durch wen sie genutzt werden. So verlieren Nutzer/-innen die Hoheit über ihre persönlichen Daten. Kritiker/-innen befürchten, dass in Zukunft Szenarien wie dieses Realität werden könnten: Eine Versicherung lehnt einen kerngesunden Nutzer ab, weil sich auf seinem Profil Bilder von ihm mit einer Zigarette in der Hand finden. Viele Datensammelfunktionen – bei Google-Handys etwa das Speichern des Standortes – lassen sich deaktivieren. Doch diese Möglichkeiten sind häufig tief in den Einstellungen versteckt.

Microtargeting und gezielte Beeinflussung

Nicht nur Produktwerbung kann über digitale Kanäle gezielt an bestimmte Gruppen von Nutzern/-innen ausgespielt werden, sondern auch politische Botschaften. So stützte sich die Kampagne von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen in den USA im Jahr 2016 auf detaillierte Profile von mehr als 87 Millionen Facebook-Nutzern/-innen.

Solche Daten können nicht nur für Werbung genutzt werden, sondern auch für gezielte Desinformation. So wurde in den USA 2016 gezielt versucht, schwarze Wählerinnen und Wähler davon abzuhalten, für die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, zu stimmen.

Bevorzugung kontroverser Beiträge

Für die sozialen Netzwerke ist es wichtig, dass sich Menschen möglichst lange auf ihren Seiten aufhalten und intensiv mit den Inhalten auseinandersetzen. Daher werden Beiträge mit besonders vielen Likes oder Kommentaren in der Regel häufiger angezeigt, zunächst unabhängig vom Inhalt. Das kann jedoch einen Kreislauf in Gang setzen, bei dem besonders reißerische oder kontroverse Beiträge von der Plattform bevorzugt werden. Das Geschäftsmodell beinhaltet dagegen keinen direkten Anreiz, geprüfte Informationen zu vermitteln.

Anbieter lehnen Verantwortung für Inhalte ab

Lange haben sich die Anbieter auf die Position zurückgezogen, dass sie nur die technische Infrastruktur bereitstellen und nicht für Inhalte verantwortlich gemacht werden können. So können falsche Informationen sich weltweit verbreiten, weil viele Nutzer/-innen sie kommentieren oder teilen. Das ist in der Vergangenheit zum Beispiel bei Beiträgen von Impfgegnern passiert.

Insbesondere die Nutzung des Social-Media-Dienstes Twitter durch den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump hat die Debatte darüber befeuert, wie die Plattformen mit Falschinformationen ("Fake News") umgehen sollten, die Einfluss auf politische Auseinandersetzungen und Wahlen haben könnten.

Unklare Absender von Botschaften

Viele Nutzer/-innen können in der digitalen Welt schwer nachvollziehen, wer der Absender einer Botschaft ist. Das gilt zum einen für Nachrichten, deren Herkunft leicht verschleiert werden kann. Und zum anderen für das Thema Schleichwerbung.

Bei Influencern oder Artikeln auf Internetseiten ist oft nicht ersichtlich, dass ein Unternehmen dafür bezahlt, wenn ein Produkt besonders gelobt wird. In klassischen Medien ist die Trennung zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung in der Regel klar – zum Beispiel, weil Werbeblöcke im Fernsehen angekündigt werden. In vielen Formaten der digitalen Welt verschwimmt dagegen diese Unterscheidung.

Tendenz zum Monopol

Werbefinanzierte Plattformen benötigen eine möglichst große Reichweite. Das begünstigt einen Verdrängungswettbewerb. Die Unternehmen versuchen, so viele Nutzer/-innen wie möglich anzuziehen. Konkurrenten werden von der eigenen Plattform ausgeschlossen. So setzen sich in den verschiedenen Bereichen nur die jeweils erfolgreichsten Portale durch.

Welche Lösungsansätze gibt es?

Die Dreiecksbeziehung bei werbefinanzierten digitalen Diensten führt nicht nur zu problematischen Entwicklungen, sondern sie erschwert es auch, Lösungen umzusetzen. Denn die Unternehmen haben oft keinen direkten Anreiz, selbst etwas zu ändern. Schließlich machen sie unter den aktuellen Rahmenbedingungen gute Geschäfte. Ein möglicher Ansatz sind gesetzliche Regelungen. In Europa hat die Politik beispielsweise mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) versucht, die Rechte der Internetnutzer/-innen auf die sogenannte informationelle Selbstbestimmung zu stärken. In Deutschland ist seit 2017 außerdem das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in Kraft. Es zielt unter anderem darauf, strafbare Falschnachrichten und Hasskriminalität im Netz zu bekämpfen und verpflichtet die Anbieter sozialer Netzwerke, gegen solche Inhalte vorzugehen. Die Durchsetzung rechtlicher Regelungen wird dadurch erschwert, dass die meisten wichtigen Plattformen zwar global genutzt werden, aber ihre Anbieter in den USA ansässig sind.

In den USA wird die Entwicklung jedoch ebenfalls kritisch diskutiert. 2020 waren die Geschäftsmodelle der großen Digital-Konzerne Thema einer Anhörung im US-Kongress. Ein zentrales Thema war die enorme Bedeutung von Facebook für die Meinungsbildung in den USA und der Umgang mit möglichen Manipulationen. Außerdem ging es unter anderem darum, ob Google seine Marktmacht als populäre Suchmaschine missbraucht, um Nutzer/-innen auf eigene Services umzuleiten und Anzeigen zu verkaufen.

Auch von Seiten der Werbekunden verspüren die Plattformen zunehmend Druck. Im Juli 2020 nahmen zahlreiche Werbekunden, darunter Großunternehmen, an der Boykott-Aktion "Stop Hate for Profit" teil. Sie stoppten zeitweise ihre Werbung bei Facebook. Ziel der Aktion war es, Facebook dazu zu bewegen, mehr gegen Falschinformationen und Hassbotschaften zu tun. Auch Prominente schlossen sich der Aktion an.

Jedoch ist umstritten, ob und wie die Betreiber der Plattformen eingreifen können, um problematische Inhalte wie Hassbotschaften und politische Manipulation zu verhindern. Oft ist unklar, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten werden. Nicht zuletzt wird bezweifelt, dass private Unternehmen wie die Plattformbetreiber darüber entscheiden sollten, welche Inhalte legitim sind, und welche nicht. Ein Eingreifen in die Inhalte kann zudem als Zensur verstanden werden.

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Jakob von Lindern arbeitet als Journalist bei ZEIT Online. Als freier Journalist war er Teil des Pressebüros JP4 in Köln. Er schreibt schwerpunktmäßig über das Internet und wie es unser Zusammenleben, die Bildung, die Wirtschaft und den Journalismus verändert.