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Einleitung: Von der Theorie zur Praxis | OER - Material für alle | bpb.de

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Einleitung: Von der Theorie zur Praxis

Till Kreutzer

/ 4 Minuten zu lesen

Die Idee des Open Content ermöglicht die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke entsprechend standardisierter Lizenzen. Sie stellen eine Ergänzung zum herkömmlichen Urheberrecht dar, welches dem Rechteinhaber exklusive Nutzungsrechte zusichert. Heutzutage sind Millionen urheberrechtlich geschützter Werke unter freien Lizenzen im Internet verfügbar.

2011 war dieses Bild aus der St. Petersburger Moschee eines der besten, welches in das Online-Medienarchiv der Wikimedia Commons hochgeladen wurde. (Wikimedia, Canes) Lizenz: cc by-sa/3.0/de

Freie Lizenzen wurden entwickelt, um die Verwendung und Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Werken zu erleichtern. Das Urheberrecht ist für gewöhnlich ein sehr restriktives Regelwerk, das dem Rechteinhaber umfangreiche ausschließliche Rechte einräumt, wie zum Beispiel das Recht, ein Werk zu verbreiten oder zu verändern. Ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Rechteinhabers dürfen solche Handlungen generell nicht vorgenommen werden.

Immerhin sind manche Arten von Nutzungen gesetzlich erlaubt. Die sogenannten "Schrankenbestimmungen" gestatten unter anderem, aus einem Werk zu zitieren oder Kopien für private Zwecke anzufertigen, ohne dafür eine Erlaubnis einholen zu müssen. Doch diese Ausnahmeregelungen haben meist einen sehr engen Anwendungsbereich und es ist für potentielle Nutzer in der Regel schwer herauszufinden, was sie erlauben und was nicht.

Die Erfinder der Open-Content-Idee empfanden das Urheberrecht sowohl für die Nutzer als auch für die Urheber als zu restriktiv. Deshalb entwickelten sie ein System leicht verständlicher Standardlizenzen (d. h. Regeln, nach denen es unter gewissen Voraussetzungen gestattet ist, urheberrechtlich geschützte Werke zu benutzen). Hiermit sollen die freie Kultur und die "digitale Allmende" ("digital commons") gefördert werden. Heute stehen Millionen von urheberrechtlich geschützten Werken unter freien Lizenzen online zur Verfügung, zum Beispiel Filme, Musik, Bilder, Texte und Grafiken. Sie alle können von jedermann verbreitet, bereitgestellt, geändert oder neu miteinander kombiniert werden, ohne eine individuelle Zustimmung einholen oder Lizenzgebühren zahlen zu müssen. Man kann also zu Recht sagen: Mit Hilfe der Open-Content-Lizenzen (auf deutsch auch "freie Lizenzen" genannt) wurde die digitale Allmende innerhalb des letzten Jahrzehnts zur Realität.

Das Open-Content-Modell basiert auf drei wesentlichen Prinzipien:

  1. Vereinfachung rechtlicher Transaktionen: Open-Content-Lizenzen sind online verfügbar und können von jedem interessierten Urheber oder Rechteinhaber genutzt werden. Sie bieten Rechteinhabern ein Werkzeug, das es ihnen erlaubt, eine rechtsverbindliche Vereinbarung mit jedem zu schließen, der an der Nutzung ihrer Werke interessiert ist. Anders als bei Verträgen sonst üblich besteht für die Parteien – d. h. für den Lizenzgeber (Rechteinhaber) und für den Lizenznehmer (Nutzer) – keine Notwendigkeit, direkt miteinander in Kontakt zu treten.


  2. Erteilung einer weitreichenden, lizenzgebührenfreien Nutzungserlaubnis: Dem Nutzer wird die Erlaubnis erteilt, das Werk für die meisten Zwecke frei zu verwenden. Tatsächlich sind die Rechte des Nutzers, die Inhalte zu verwenden, bei Open-Content-Lizenzen viel weitreichender als es die gesetzlichen Schrankenbestimmungen des Urheberrechts vorsehen. Alle Rechte werden zudem kostenfrei erteilt. Der Rechteinhaber kann zwischen verschiedenen Lizenzen, von eher restriktiven bis zu sehr freizügigen Lizenzen, wählen und somit entscheiden, welche Rechte kostenfrei eingeräumt werden sollen und welche individuellen Vereinbarungen vorbehalten sind.



  3. Verringerung von Rechtsunsicherheiten: Sowohl Nutzer als auch Rechteinhaber profitieren von der leichten Verständlichkeit der Lizenzen, da ihre rechtlichen Regelungen weniger komplex sind als das (gesetzliche) Urheberrecht. Der Vorteil für den Lizenzgeber besteht darin, dass er dem Nutzer in einer einfachen und standardisierten Sprache mitteilen kann, welche Nutzung seiner Werke erlaubt ist und welche nicht. Regeln, die verstanden werden, werden eher eingehalten. Der Nutzer seinerseits weiß, was ihm erlaubt ist, und ist sich über seine Verpflichtungen im Klaren.

Die Leitidee von Open Content wird durch die Aussage "Einige Rechte vorbehalten" treffend ausgedrückt. Sie versteht sich als bewusste Anlehnung an und als Kontrast zu dem traditionellen Urheberrechtsvorbehalt "Alle Rechte vorbehalten", der auf vielen CDs, Büchern oder Magazinen zu finden ist. Gleichzeitig grenzt das Prinzip "Einige Rechte vorbehalten" Open Content von der Gemeinfreiheit (public domain) ab: Open Contents (freie Inhalte) sind weder frei von Urheberrechten noch dürfen sie ohne Genehmigung oder ohne Einhaltung bestimmter Regelungen verwendet werden. Sie sind durch das Urheberrecht geschützt und dürfen nur unter den Bedingungen der rechtsverbindlichen Lizenz verwendet werden, die vom Rechteinhaber für sein Werk gewählt wurde. Die Open-Content-Idee steht damit nicht im Kontrast zum traditionellen Urheberrecht noch stellt sie das Urheberrecht infrage. Freie Lizenzen sind stattdessen ein Werkzeug, das den Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken zugunsten von Rechteinhabern wie Nutzern vereinfacht.

Dieser Leitfaden wurde geschrieben, um eine ordnungsgemäße und rechtssichere Verwendung von Open Content und Open-Content-Lizenzen zu erleichtern. Er richtet sich nicht vornehmlich an Rechtsexperten, sondern an alle, die mehr über Open Content erfahren möchten, insbesondere an Urheber, Unternehmen, Organisationen und private Nutzer. Informationen und Sprache wurden in diesem Leitfaden bewusst einfach gehalten. Dies erforderte einen Balanceakt zwischen Verständlichkeit und professioneller Präzision. Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge an den Autor sind stets willkommen.

Bitte beachten Sie, dass dieser Leitfaden allgemeine Informationen enthält und in einigen Fällen nur die persönliche Meinung des Autors widerspiegelt. Er ist nicht als Rechtsberatung oder als Ersatz für eine solche gedacht. Personen, die Rat im spezifischen Einzelfall benötigen, wird empfohlen, einen Rechtsanwalt zu konsultieren.

Dr. Till Kreutzer ist Rechtsanwalt, Rechtswissenschaftler und Publizist. Er ist geschäftsführender Partner des iRights.Lab, dem unabhängigen Think Tank über Strategien für die digitale Welt sowie Gründungsmitglied und Herausgeber von iRights.info, dem mehrfach prämierten (u. a. Grimme-Online-Award 2006) Internetportal für Verbraucher und Kreative zum Urheberrecht in der digitalen Welt.