Was folgt nach dem Vortrag?
Es ist das wohl klassischste Setting von Bildungsveranstaltungen: Eine Person hält einen Vortrag. Abschließend leitet sie über: "Jetzt können Sie gerne Fragen stellen." Darauf bringen die Teilnehmenden Fragen oder eigene Diskussionsbeiträge ein. (Letzteres wollen manche Veranstalter, Moderatoren oder Rednerinnen gezielt unterbinden. Sie wollen nur Fragen zulassen.) Dieses Vorgehen spitzt die Rollenteilung zu, die die vortragende Person als "Sender" und das Publikum als "Empfänger" vorsieht. Wer diesen Dualismus vermeiden und dem Publikum eine aktivere Rolle geben möchte, muss für die Phase nach dem Vortrag die Referentin oder den Referenten aus dem Mittelpunkt nehmen und stattdessen den Fokus auf die Teilnehmenden richten. Vereinfacht gesagt: Jetzt sind die Teilnehmenden dran! Nicht nur als Fragensteller*innen, sondern auch als In-Frage-Steller*innen, als Diskutierende, als Weiter-Denkende und Transfer-Herstellende.
Leitfragen
Ein einfaches und bewährtes Mittel zur Aktivierung des Publikums liegt darin, die Rollen für "Fragen und Antworten" (Questions and Answers, Q&A) einfach umzudrehen. Die vortragende Person endet mit konkreten Fragen an das Publikum. In den Wortmeldungen denken die Teilnehmenden das Thema also für sich weiter. Hier einige Beispiele für verschiedene Typen von solchen Leitfragen:
zum Transfer: Wenn Sie den Vortragsinhalt reflektieren, was kommt Ihnen daran bekannt vor? Womit fremdeln Sie? Was löst daran Widerstand aus? Was halten Sie für besonders relevant? Und warum?
zum Verständnis: Was hilft Ihnen beim Verständnis des heutigen Themas? Was macht Ihnen Schwierigkeiten?
zur Diskussion: Was halten Sie von den vorgestellten Thesen? Was fehlt Ihnen? Was möchten Sie ergänzen?
echte Fragen: Der Vortrag lässt die Frage offen, inwieweit … (<- hier Thema einfügen). Welche Antworten haben Sie an dieser Stelle?
Thesen statt Fragen
Die gleichen Funktionen wie die beschriebenen Leitfragen können auch Thesen übernehmen. Hier wird also keine Frage gestellt, sondern eine These (oder mehrere Thesen) zur Diskussion gestellt.
Freiraum lassen!
Bei der Gestaltung einer auf die beschriebene Weise umgekehrten Q&A-Phase sollte darauf geachtet werden, dass die Methode kein zu enges Korsett vorgibt. Die Teilnehmenden sollten die Möglichkeit haben, auch eigene Fragen bzw. eigene Thesen einzubringen, jenseits der vorgegeben Punkte.
Kombination mit anderen Formaten
Die umgekehrte Q&A eignet sich sehr gut in Kombinationen mit den beiden Methoden, die in dieser Artikelreihe bereits vorgestellt wurden:
Insbesondere für das 3×3-Format sind Leitfragen oder Thesen das Mittel der Wahl, um die Elemente Vortrag, Kleingruppen- und Plenumsdiskussionen miteinander zu verbinden und zu strukturieren.
Das Format in Kürze erklärt
Unser Autor Jöran Muuß-Merholz stellt das Format vor.
Anwendung in Präsenz-, hybriden und Online-Veranstaltungen
Die umgekehrte Q&A eignet sich für Vorträge in Präsenz gleichermaßen wie für Online- / hybride Veranstaltungen. Dabei ist darauf zu achten, dass in allen Settings die Fragen/Thesen ständig präsent sein müssen. Das kann durch eine Präsentationsfolie geschehen, die für die Diskussionsphase zu sehen bleibt. In Online-Settings können Fragen/Thesen zusätzlich über ein gemeinsames Dokument, ein Whiteboard oder einen Chat verfügbar sein. Je nach Setting kann das Vorgehen mit einer gemeinsamen Dokumentation der Diskussion verbunden werden. Verschiedene Methoden und Tools dafür stellen wir in unserer Interner Link: Artikelreihe "Kooperatives Online-Lernen" vor.
Zusammenfassung und Fazit
Damit das Publikum bei Vortragsveranstaltungen in eine aktive Rolle gerückt wird, ist die umgekehrte Q&A ein einfaches und wirksames Mittel. Die vortragende Person bittet dafür im Anschluss an den Vortrag nicht um Fragen, sondern stellt selbst Fragen oder stellt Thesen zur Diskussion.