Im Internet hat inzwischen fast alles einen Preis – sogar scheinbar kostenlose Dinge. Denn bezahlen muss am Ende jeder Nutzende, sagen jedenfalls Kritiker, die vor der Kommerzialisierung des Internets warnen. Im digitalen Kapitalismus müsse man die Begriffe "Arbeit" und "Ausbeutung" neu definieren, Externer Link: sagt Technologie-Experte Timo Daum
Was wäre also, wenn eine Stadt wie Berlin nach diesen Prinzipien funktionieren würde? Eine individuell angepasste Umgebung, mit gestaffelten Preiskategorien und Zugangsbeschränkungen? Das "Berlin Prime Ticket" zeigt es:
"Eine Bezahlschranke für Ihren Stadtteil?"
So könnte zum Beispiel der Zugang zu einzelnen Bezirken oder Kiezen in der Stadt nur für zahlende Kundinnen und Kunden genehmigt werden: Bei Bezahlschranken auf Medienportalen oder Abo-Diensten für Liveübertragungen ganzer Sportwettbewerbe ist das schon normal.
Auch das Shopping-Angebot Berlins könnte nach Logik der Digitalwirtschaft aufbereitet werden: Jeder Stadtbewohner füttert ein in der Cloud gespeichertes Nutzerprofil mit den entsprechenden Informationen über persönliche Vorlieben – je sensibler und intimer desto besser. Externer Link: Je mehr Daten das Nutzerprofil enthält, desto mehr Ladentüren öffnen sich auch
Schule nach dem "pay-to-win"-Prinzip
Was "früher" eine selbstverständliche Dienstleistung der öffentlichen Hand war, könnte zu einem per App buchbaren Zusatzangebot werden. Bildung zum Beispiel: Das günstige Hauptschul-Paket, die durchschnittlich teure Realschule, das hochpreisige Gymnasium oder die Eliteschule für Spitzenverdiener. Der Einstieg in das Bildungswesen bleibt zwar kostenlos, in der werbefinanzierten Grundschule. Es wäre damit aber das Externer Link: "pay-to-win"-Prinzip
Leben in der Filter-Kiez-Blase
Auch die von Facebook und anderen Portalen bekannte Filterblase, in der sich bereits heute Internetnutzer vor unliebsamen oder mit dem eigenen Weltbild nicht kompatiblen Informationen abschirmen, ließe sich auf die Stadt anwenden. So könnte man mit Hilfe komplexer, intransparenter Algorithmen dafür sorgen, dass nur noch vermeintlich "Gleiche" miteinander in einem Quartier leben: links-liberale Akademiker/-innen mit Interesse an privater Binnenschifffahrt, bildungsferne Nicht-Wähler/-innen mit Laktoseintoleranz, national-konservative Golfer/-innen mit Aktienportfolio, religiöse Hauptschulabsolventen und Hauptschulabsolventinnen mit Hang zu ausgefallener Mode, und so weiter. Wer nicht in die jeweilige Gruppe passt, muss woanders hinziehen. Alle paar Jahre bei den Wahlen stellt man dann fest, wie wenig man die Welt der Mitbürger überhaupt versteht, weil man sich nie mit ihr auseinandersetzen musste.
Wer zahlen kann, kommt voran
Je nach Kaufkraft des "Gated Kiez" könnte man dann auch gleich noch die Qualität der öffentlichen Infrastruktur "anpassen": In Wohngebieten, in denen es sich die Bewohner leisten können, würden zum Beispiel die S-Bahnen mit höherer Taktung fahren oder die Ampeln auf den Straßen mehr grüne Wellen haben – natürlich mit dem Ergebnis, dass die S-Bahn in anderen, weniger finanzstarken Kiezen weniger oder gar nicht hält und die Straßen von Staus verstopft sind. Der ÖPNV und die Straßen dieses "Neu-Berlins" würden dann dem Internet ähneln, wie es nach einer Externer Link: Abschaffung der Netzneutralität aussehen könnte.
Um endgültig die Prinzipien des Internets auf die Stadt zu übertragen, würde man schließlich noch einer kleinen Zahl von Quasi-Monopolisten das Management aller Nutzerdaten und die Kontrolle über Zugänge zu Dienstleistungen übertragen. Denn tatsächlich ist es im Netz schon heute so, dass
Dass in so einer Stadt kaum jemand leben mag, liegt auf der Hand. Warum aber, fragen die Space Frogs, surfen wir dann in einem Internet, das genau so funktioniert?