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Modelle der Einbindung von Webvideos

Josephine B. Schmitt

/ 17 Minuten zu lesen

(© picture-alliance, Nicolas Armer/dpa | Nicolas Armer)

Über Einbindungsmodelle von Webvideos

Im Kapitel Schulische und universitäre Lernsettings wurden Forschungsarbeiten vorgestellt, welche die Einbettung von Webvideos in unterschiedliche Lernkontexte erörtern. Der nun folgende Abschnitt erweitert diese Ausführung um Modelle aus der praktischen, v.a. außerschulischen Bildungsarbeit. Grundlegend lassen sich drei Formen der Einbindung von Webvideos im engeren und weiteren Sinn in die pädagogische Arbeit unterscheiden:

  1. (Web-)Videos als Ziel pädagogischer Arbeit: hier werden (Web-)Videos im Rahmen pädagogischer Projekte produziert.

  2. Webvideos als Ressource pädagogischer Arbeit: a) Webvideos werden explizit für den Einsatz in pädagogischen Settings produziert (u.U. auch in Verbindung mit 1.) bzw. b) Webvideos werden unabhängig von einem didaktischen und edukativen Anspruch produziert und werden in pädagogische Settings eingebunden.

  3. Bearbeitung von Kontext- und Strukturbedingungen von Webvideo-Plattformen: Es werden Kontext- und Strukturbedingungen von Webvideos (z.B. Algorithmen, Nutzer/-innenkommentare) und den Plattformen, auf denen sie zu finden sind, im Rahmen der pädagogischen Maßnahme zum Thema gemacht.

Der nachfolgende Abschnitt beschreibt die drei Modelle etwas ausführlicher und ergänzt die Ausführungen um Beispiele aus der Praxis.

Webvideos als Ziel pädagogischer Arbeit

Jugendliche einer Werksschulklasse im Bereich Ernährung und Gastronomie sollen eine frei wählbare Tätigkeit – idealerweise eine die mit ihrer Ausbildung im Zusammenhang steht – im Rahmen eines Videos erklären. Nach anfänglicher Ablehnung der Aufgabe und Zweifeln von Seiten der Schüler/-innen, ob sie dazu in der Lage seien, erarbeiten sie in Kleingruppen Themen, Storyboards und Drehpläne. Engagement und Begeisterung für die Aufgabe unterscheiden sich in den Arbeitsgruppen stark. Während die einen bereits bei der Konzeption der Videoinhalte aufgeben, zeigen andere nur Motivation für die performative Darstellung und Selbstinszenierung im Video, nicht aber für die Auf- und Nachbereitung des Filmmaterials. Wieder andere setzen sich und das Thema ihres Videos durch die Übernahme und Erprobung professioneller, berufsbezogener Rollenbilder in Szene. So wird die Zubereitung eines bestimmten Gerichtes im Stil einer Kochsendung dargestellt. Neben dem Hauptprotagonist/-innen vor der Kamera, sind auch die Rollen hinter der Kamera klar verteilt.

Dies ist eine Zusammenfassung des Beitrags "Videonutzung und -produktion von Jugendlichen aus benachteiligten Verhältnissen" von Lübcke und Welling (2015) und sollen hier exemplarisch für das erste Modell der Einbildung von (Web-)Videos in Bildungskontexten stehen: Die Videoerstellung als Ziel pädagogischer Arbeit. Vergleichbare Beispiele sind zahlreich bzw. Anleitungen dafür.

Zentrale Lernprozesse finden hier im Rahmen der Produktion von Videos statt (siehe auch Selbstdarstellung und Empowerment durch Videoproduktion). Im Zuge dessen entsteht ein Raum, berufs- und fachbezogene Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben und zu erproben. Es werden aber nicht nur fachliche Kompetenzen der Lernenden gefördert (Selbstlernunterstützung), die sich vertiefend mit den Inhalten befassen müssen, über die sie im Video berichten. Erlernt werden zudem die Grundlagen des Storytellings, Kamera, Ton, und ggf. der Interviewführung. Zudem wird die Entwicklung unterschiedlicher Sprach- und Medienkompetenzen (z.B. Medienwissen, Mediengestaltungskompetenz) begünstigt. "Digitale Technologien stellen hier sowohl Lerninhalte dar, mit denen man sich auseinandersetzen muss (Erkenntnisgegenstände), als auch neuartige Arbeitsmittel, die dabei helfen können, sich Lerninhalte zu erschließen" (Schäfer, 2017, S. 67).

Es werden Reflexionsprozesse (z.B. über biographische Entwicklungen) angestoßen. Das eigene Medienhandeln schließt nicht nur die Fähigkeit ein, die eigene Standpunkte und Bedürfnisse als solche wahrzunehmen, sondern diese auch (medial) wirksam zu kommunizieren. Die Lernenden müssen eine eigene Sprache für den Ausdruck einer eigenen Position in einem gesellschaftlichen Diskurs finden (siehe auch Braun et al., 2020). Das erworbene Expert/-innenwissen wird wiederum durch die Veröffentlichung des Videos einem Publikum zur Verfügung gestellt. Durch das gegenseitige Aufeinanderbezugnehmen und Kommentieren eines Videos etwa in den sozialen Medien wird eine kollektive Lernerfahrung ermöglicht (Peer-based Learning). Dies kann Selbstwirksamkeitserfahrungen und Gefühle der Selbstermächtigung der Lernenden begünstigen, erfordert aber auch im Vorfeld eine intensive Auseinandersetzung und Reflektion darüber, welche Gefahren und Herausforderungen die Veröffentlichung von Videos im Internet mit sich bringen bzw. welche rechtlichen Fragen insbesondere in der Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen relevant sind (z.B. algorithmische Verschränkung, Hate Speech, Schutz der eigenen Persönlichkeit, Jugendschutz).

Zahlreiche solche Projekte in der Jugendarbeit werden von einer "älteren" pädagogischen Leitung maßgeblich angeleitet. Das birgt die Gefahr, die mediale Lebenswelt der Jugendlichen bei der inhaltlichen und formalen Ausgestaltung von Angeboten nicht immer in all ihren Facetten angemessen zu berücksichtigen – für ihre Lebenswelt sind die Jugendlichen selbst die besten Expert/-innen. Gleichzeitig zieht sich Partizipation "als Bewusste Gestaltung von Entscheidungen, die das eigene Leben oder die Gemeinschaft betreffen" (Demmler et al., 2012, S. 8) als Querschnittsthema durch alle Lebensbereiche. Peer-to-Peer-Ansätze, also Projekte, in denen z.B. Jugendliche selbstbestimmt in geschützten sozialen Räumen Projekte mit Jugendlichen entwickeln, anleiten und durchführen, greifen diesen Expert/-innenstatus hingegen besser auf. Sie bergen weiterhin besonderes Potential im Hinblick auf Verantwortungsübernahme und (gesellschaftliche) Mitgestaltung (Demmler et al., 2012).

Die Tatsache, dass es sich um ein Webvideo handelt, steht bei den meisten dieser Projekte zunächst nicht im Vordergrund. Vielmehr stehen häufiger filmbildnerische Aspekte im Fokus. Weiterhin scheint die pädagogische Arbeit oft nach der Erstellung und irgendwie gearteten Veröffentlichung des Videos beendet. Einige partizipative Projekte, darunter auch die beiden Projekte "Jamal Al-Khatib x NISA" sowie "RISE – Jugendkulturelle Antworten auf islamistischen Extremismus" , entwickeln nicht nur gemeinsam in Peer-to-Peer-Ansätzen mediale Positionen und Perspektiven. Die später im Internet veröffentlichten audiovisuellen Produkte wiederum dienen als Bildungsressource für die pädagogische Arbeit. Beide Projekte stellen dafür rahmende pädagogische Materialien für Fachkräfte der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit zur Verfügung.

Webvideos als Ressource pädagogischer Arbeit

Art der Einbindung

Webvideos können nicht nur das Produkt (siehe Interner Link: Webvideos als Ziel pädagogischer Arbeit), sondern auch Folgendes sein:

  1. zentrale Quelle für die zu vermittelnden Inhalte,

  2. Gegenstand pädagogischer Arbeit,

  3. eine Ergänzung anderweitiger Inhalte und pädagogischer Materialien.

Zu a): Insbesondere im Rahmen des ersten COVID-19 bedingten Lockdowns waren Inhalte vermittelt über audiovisuelle Online-Formate in vielen Bereichen der schulischen und außerschulischen Aus- und Weiterbildung sehr verbreitet. In einigen Kontexten, so z.B. im Rahmen der universitären Lehre, sind sie es noch immer. Aber auch abseits von Corona-bedingten Einschränkungen sind Webvideo-Formate wichtige Lehr- und Lerntools für die Distanzlehre.

In diesen Kontexten tauchen Webvideos etwa in Form von Live-Formaten (z.B. Vorlesungen und Seminare über Zoom, YouTube o.ä.), als Workshops (z.B. über Zoom, Jitsi, Bigbluebutton etc.), Screencasts von Präsentationen oder längeren Erklärfilmen auf. Diese Angebote stehen entweder für sich oder sind eingebettet in Blended-Learning-Umgebungen. Außerdem können derartige Angebote auch im Rahmen eines sogenannten Flipped-Classroom zum Einsatz kommen. In diesem Fall werden zentrale Inhalte zunächst in einem Video vermittelt. Ein interaktives Format (online oder offline) im Anschluss dient der weiteren intensiveren Auseinandersetzung mit dem Stoff, der Beantwortung von Fragen etc. Charakteristisch für dieses Format ist die Dauer aber auch die Tatsache, dass die Videos mit dem konkreten Ziel der Vermittlung von spezifischen Inhalten entwickelt worden sind. Insofern spielen didaktische Erwägungen bei deren Erstellung ebenso eine wichtige Rolle. Während viele Webvideos vor allem auf eine zeiteffiziente Vermittlung angelegt sind, dauern derartige Formate oft mindestens 45 Minuten.

Sind (Web-)Videos bzw. ihre spezifische Charakteristiken b) zentraler Gegenstand pädagogischer Arbeit, stehen sie im Zentrum der darum konstruierten Lehr-Lerneinheit. Beispielsweise kann sich die Einheit mit den Inszenierungsstrategien des Videos befassen oder auch die vermittelten Inhalte zum Ausgangspunkt des Lernens machen. Hierfür ist weniger entscheidend, dass es sich um Videos handelt, die für den Lehr-Lern-Kontext entwickelt worden sind. Je nach Thema und Lernziel der Einheit können hier auch spezifische Genres von Webvideos mit ihren Charakteristischen Kommunikations- und Inszenierungsstrategien im Vordergrund stehen, so etwa sogenannte Unboxing-Videos oder Battles.

Weiterhin können Webvideos als unterstützendes Element hinzugezogen werden (c). Bei dieser Variante steht weniger das ausgewählte Video an sich im Fokus. Vielmehr dient es als Gesprächsanlass, Vertiefung des weiteren Stoffes bzw. als Ergänzung der übrigen eingesetzten pädagogischen Materialien – weggelassen würde die Lerneinheit dennoch Sinn ergeben.

Was alle Möglichkeiten der Einbindung vereint, ist eine sensible, den Lernzielen angemessene Auswahl des Videomaterials durch die Lehrenden im Vorfeld. Sandra Schön und Martin Ebner legen in ihrem Buch "Gute Lernvideos…" (2013) dar, welche Bedingungen Webvideos erfüllen sollten, um zum Lernen geeignet zu sein. Lehrende und andere Interessierte erfahren in dem Buch zudem, wie sie selbst Lernvideos für den Einsatz in Bildungssetting erstellen können: Externer Link: https://bimsev.de/n/userfiles/downloads/gute-lernvideos.pdf (Stand: 20. August 2020).

Anbieter von Webvideos

Webvideos, welche die unter a) genannten Bedingungen erfüllen, werden in der Regel von den Anbieter/-innen (z.B. Lehrende an Schulen, VHS, Universität, externe Bildungsanbieter jeglicher Art) der pädagogischen Maßnahme selbst erstellt. Oft sind die produzierten Angebote auch nur einem ausgewählten, geschlossenen Teilnehmendenkreis zugänglich. Eine Ausnahme bilden hier etwa Erklärvideos und Tutorials, welche frei verfügbar auf YouTube bzw. vergleichbaren Plattformen zu finden sind.

Offen (und meist kostenfrei) zugänglich sind dagegen Angebote für die unter b) und c) genannten Anwendungsbereiche. Hier lassen sich grob zwei Gruppen von Webvideo-Angeboten unterscheiden:

  1. Webvideos werden explizit für den Einsatz in pädagogischen Settings produziert,

  2. Webvideos entstehen vollkommen unabhängig von einem didaktischen und edukativen Anspruch.

Es gibt eine Vielzahl an privaten und öffentlichen Bildungsträgern, die explizit Webvideos für Bildungskontexte zur Verfügung stellen. Beispielhaft sind neben der Bundeszentrale für politische Bildung etwa Landeszentralen für politische Bildung, Museen, öffentlich-rechtliche Rundfunkangebote (z.B. funk), das FWU – Das Medieninstitut der Länder oder Angebote (politischer) Stiftungen (z.B. Heinrich-Böll-Stiftung, Stiftung WannseeForum) und andere private und zivilgesellschaftliche Bildungsanbieter (z.B. ufuq.de) zu nennen.

Weiterhin gibt es eine Reihe an Webvideo-Angeboten produziert und veröffentlicht im Auftrag von Sicherheitsbehörden. Beispielhaft lassen sich hier die YouTube-Videos der Webvideo-Reihen des NRW-Verfassungsschutz "Jihadi Fool" und "hinter.gründlich" oder auch die Angebote des Projektes "Videostar" der Polizei Niedersachsen nennen.

Unter dem Eindruck der COVID-19-Pandemie und ihrer Erfordernisse an selbstorganisiertes (Distanz-)Lernen stellte die Plattform YouTube in dem Kanal "Lehrinhalte" Videos kategorisiert nach schulrelevanten Themen zusammen. Das Magazin Business Punk erstellte im Frühjahr 2020 ebenfalls eine Übersicht über YouTube-Kanäle mit Wissensinhalten: Externer Link: https://www.business-punk.com/2020/04/durch-mit-netflix-elf-youtube-kanaele-mit-denen-du-etwas-fuer-deine-bildung-tun-kannst/ (Stand: 04. November 2020). Der Landesschülerrat des Landes Mecklenburg-Vorpommern und das Bildungsministerium haben eine Liste an hilfreichen Lernressourcen für verschiedene Schulfächer zum "eigenständigen Lernen" veröffentlicht: Externer Link: https://www.bildung-mv.de/online-lernen-materialpool/youtube-kanaele/ (Stand: 04. November 2020). Eine vergleichbare Auflistung von unterschiedlichen Angeboten für die (selbstorganisierte) Online-Lehre bietet auch das Thüringer Schulportal: Externer Link: https://www.schulportal-thueringen.de/thueringer_schulcloud/online_lernen (Stand: 04. November 2020). Eine Liste mit einer user-generierten, nicht kuratierten Sammlung an "Bildungsvideos" zeigt die folgende Seite Externer Link: https://youtube.fandom.com/de/wiki/Kategorie:Bildung (Stand: 04. November 2020). Angebote speziell mit dem Fokus auf politische Bildung bündelt die Bundesarbeitsgemeinschaft politische Bildung Online: https://www.politische-bildung.de/youtube-politische-bildung (Stand: 04. November 2020). Diese Seite fasst im Wesentlichen Angebote der Landeszentralen für politische Bildung aber auch der bpb zusammen.

Mit Blick auf Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit von (Web-)Videos in Bildungs- und Lernkontexten (siehe Forschungsansätze) ist jedoch kritisch zu bemerken, dass eine Vielzahl der Webvideo-Angebote der genannten Akteure für sich allein stehen. D.h. die pädagogisch-didaktische Einbindung und Nutzung werden den Lernenden und Lehrenden selbst überlassen. Vereinzelt finden sich pädagogische Materialien, die mögliche Herangehensweisen für den Umgang mit bzw. die Einbindung von Webvideos in pädagogische Settings skizzieren. In der Regel steht die Einbindung der Videos in formalisierte bzw. schulische Settings im Fokus. Systematische Informationen über deren Effekte gibt es leider nur in Ausnahmefällen. Nachfolgend werden beispielhaft unterschiedliche Projekte und Materialien genannt. Thematisch bewegen sich viele im Bereich der primären Prävention bzw. der Aufklärung über Themen wie Hate Speech, Diskriminierung o.Ä. Das mag insbesondere daran liegen, dass aufgrund gesellschaftlicher und politischer Ereignisse in den vergangenen Jahren viele (öffentliche) Fördergelder in diesen Bereich flossen:

  • ufuq.de stellt auf seiner Seite Lernmaterialien für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit mit Jugendlichen zusammen, die sich mit den Themen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus auseinandersetzen: Externer Link: https://www.ufuq.de/lernmaterialien/ (Stand: 27. Oktober 2020)
    Dazu gehören etwa die Materialien "Mit Memes gegen Islamismus? Materialien für die politische Medienbildung mit Jugendlichen" (2019): Externer Link: https://www.ufuq.de/wp-content/uploads/2019/11/bildmachen_Mit-Memes-gegen-Islamismus_WEB.pdf (Stand: 26. Oktober 2020). Diese basieren auf dem Projekt "bildmachen" und geben konkrete Hinweise für die Planung und Durchführung von Workshops und Übungen. Sie dokumentieren außerdem, in welchen Settings (Schule oder offene Settings) diese Workshops und Übungen idealerweise durchgeführt sollten.
    Um mit Jugendlichen über schwierige Themen im Hinblick auf Vorurteile, Diskriminierung und den sog. Islamischen Staat zu sprechen, bieten die Videos des Filmprojektes "Alternativen Aufzeigen" und die dazugehörigen pädagogischen Begleitmaterialien mit Übungen für die Arbeit in der Gruppe (vorzugsweise im Schulkontext) eine Grundlage bzw. einen Einstieg: Externer Link: https://www.ufuq.de/verein/filmprojekt/ (Stand: 31. August 2020)

  • Die Plattform Extreme Dialogue, herausgegeben vom Institute for Strategic Dialogue, stellt unterschiedliche pädagogische Materialien für die Auseinandersetzung mit Extremismus, Hass und (In-)Toleranz zur Verfügung. Für den Einsatz in schulischen und außerschulischen Lernsettings finden sich auf der Seite Videos sowie begleitende Materialien für deren pädagogische Rahmung – allerdings in englischer Sprache: Externer Link: https://extremedialogue.org/educational-resources (Stand: 20. August 2020).

  • Das Projekt "Zivile Helden" geht aus der Arbeit eines interdisziplinären Forschungsverbundes aus Informationstechnologie, Kriminologie und Kriminalprävention, Ökonomie, Medien- und Kommunikationswissenschaft, Kommunikationsgestaltung und Medienethik, Semiotik und Erzähltheorie hervor. Auf der Internetseite finden sich nicht nur interaktive Videos zu Radikalisierung, Hass und Gewalt im Netz, deren Ausgang die Rezipient/-innen mitbestimmen können, sondern auch dazugehörige Hintergrundinformationen. Konkrete Hinweise auf den präferierten Anwendungskontext der Materialien (Schule vs. offene Settings) bietet die Webseite keine: Externer Link: https://www.zivile-helden.de/ (Stand: 20. August 2020).

  • Das Ergebnis des von der bpb geförderten Projekts "Salam Online" (2017), herausgegeben vom Zentrum für Islamische Theologie Münster, bietet Unterrichtsmaterialein zu Online-Hate Speech und Islam. Eines der in der Handreichung beschriebenen Module befasst sich etwa mit der Thematisierung und Integration von islamistischen Propaganda-Videos im Unterricht: Externer Link: https://www.uni-muenster.de/ZIT/Veroeffentlichungen/publikation_salam-online.html (Stand: 20. August 2020). Eine Weiterführung erfuhr das genannte Projekt im Projekt "Digital Salam" (2017). Dieses Projekt stellt Materialien und Konzepte zu Online-Videos für den Einsatz im Schulunterricht zur Verfügung, die einen vielfältigen Blick auf Islam in Deutschland werfen: Externer Link: https://digital-salam.de/ (Stand: 20. August 2020).

  • Die Handreichung "Extremismus im Internet – Drei Lernarrangements zur Förderung von Medienkritikfähigkeit im Umgang mit Internetpropaganda in der Schule" ist das Ergebnis eines interdisziplinar angelegten EU-Projektes (2016-2018). Sie bietet die detaillierte Darstellung dreier Lernarrangements für den Einsatz im Schulunterricht, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit Inhalten und Strukturbedingungen (Kommentaren, Algorithmen) von YouTube befassen. Lernarrangement 1 bietet eine Anleitung, wie ausgehend von einem Propagandavideo gemeinsam mit Schüler/-innen eine Definition von Propaganda abgeleitet werden kann. Lernarrangement 2 ermöglicht ein angeleitetes Erfahren und Reflektieren des YouTube-Empfehlungsalgorithmus. Lernarrangement 3 beinhaltet die gemeinsame Entwicklung eines Konzeptes für ein Video gegen extremistische Narrative: Externer Link: https://www.project-contra.org/ (Stand: 20. August 2020)

  • Das von der EU geförderte interdisziplinäre Projekt (2020 – 2024) "PRECOBIAS – Prevention of Youth Radicalisation Through Self-Awareness on Cognitive Biases” wird langfristig sowohl Videomaterialien als auch weiterführende pädagogische Ressourcen für die Radikalisierungsprävention bereitstellen. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Expertise sind auf der Seite noch keine Materialien verfügbar. Ein Teil der Kampagne wird zudem wissenschaftliche evaluiert: Externer Link: https://www.precobias.eu/de/ (Stand: 20. August 2020).

  • Auf der Internetseite des JFF– Institut für Medienpädagogik sind ebenfalls vielfältige Materialen für die medienpädagogische Arbeit zu unterschiedlichen Themen zusammengefasst: https://www.jff.de/veroeffentlichungen/material/ (Stand 01. November 2020). Mit konkretem Bezug auf die pädagogische Einbindung von Webvideos sind das Toolkit und die Materialien für die Sprachförderung mit Medien mit Fokus auf Workshops im außerschulischen Bereich zu nennen: Externer Link: https://www.migrantliteracies.eu/wp-content/uploads/2019/01/ML-Toolkit-JFF-Germany.pdf (Stand: 01. November 2020).

  • Die Materialien zur verschiedenen Modulen zum Thema "Meinung im Netz gestalten" geben Lehrenden Überlegungen an die Hand, wie sie Themen wie Meinungsbildung in sozialen Medien, Fake News und Verschwörungserzählungen im Unterricht thematisieren können. Hier liegt der Fokus zwar nicht auf YouTube im Speziellen, allerdings wird das Medium als Beispiel eine sozialen Mediums zum Gegenstand gemacht. Weiterhin kommen Erklärvideos zum Themenkomplex zum Einsatz: Externer Link: http://www.medien-in-die-schule.de/wp-content/uploads/Medien_in_die_Schule_Unterrichtseinheit_Meinung_im_Netz_gestalten.pdf (Stand: 01. November 2020)
    Vergleichbar dazu sind die Materialien zu Modulen zu "Hass in der Demokratie begegnen": Externer Link: https://www.medien-in-die-schule.de/unterrichtseinheiten/hass-in-der-demokratie-begegnen/ (Stand: 03. November 2020).

Sofern pädagogische Begleitmaterialien zur Verfügung stehen, fokussieren sie häufig die Einbindung von Videos in schulische bzw. zumindest formalisierte außerschulische Lernkontexte. Für diesen Schwerpunkt kann es mehrere Erklärungen geben. Zum einen ist Schule ein Lernort, an dem in Deutschland grundsätzliche alle Schüler/-innen regelmäßig erreichbar sein sollten, während weniger Jugendliche institutionalisierte Angebote der außerschulischen Bildungsarbeit in Anspruch nehmen. Weiterhin mag es für die Entwickler/-innen der Materialien einfacher erscheinen, Inhalte und Pläne für mindestens altershomogene Lerngruppen zu entwerfen, wie sie in Schulklassen zu finden sind. Hier bietet die außerschulische Jugendarbeit eine große Heterogenität, die nicht leicht in komprimierten Materialien zu berücksichtigen ist.

Ausdrücklich an außerschulische Kontexte richtet sich das bereits o.g. Projekt "Jamal Al-Khatib x NISA". Neben einem partizipativen Webvideo-Projekt und pädagogischen Begleitmaterialien ist ein Online-Streetwork wesentlicher Bestandteil des Projektes.

Inhalt und Strukturbedingungen zum Thema machen

Ein Aspekt, der von pädagogischen Materialien und Konzepten weitgehend stiefmütterlich behandelt wird, ist die pädagogische Auseinandersetzung mit charakteristischen Inhalten (z.B. Videos von Influencer/-innen) und Strukturbedingungen von Webvideo-Plattformen (z.B. Likes, Kommentare, Algorithmen). Stalder (2016) formuliert drei zentrale Aspekte von Digitalisierung: Referentialität, Algorithmizität und Gemeinschaftlichkeit. Diese Aspekte stellen ihrerseits erhebliche Anforderungen an die Medienkompetenz der Nutzenden.

So kann die Referentialität – also die Verknüpfung und Vernetzung von Angeboten (bei YouTube z.B. über Videoinhalte, Empfehlungsleiste, Infobox) – zur Überforderung der Nutzenden bzw. ihres Orientierungswissens, im schlimmsten Fall zu einer Ablehnung des Mediums führen (siehe z.B. Lee, Son & Kim, 2016; Schmitt, Debbelt & Schneider, 2017). Referentialität in einem besonderen Maß findet sich bei YouTube in Beiträgen von sog. Influencer/-innen. Insbesondere die wirtschaftlich erfolgreichen Creator/-innen verweisen in ihren Videos entweder explizit oder implizit durch Produktplatzierungen auf Produkte, Dienstleistungen etc. Darüber hinaus wird Referentialität deutlich durch gegenseitiges "Zitieren", Aufeinanderbezugnehmen, Cross-Promotion oder auch durch das Auftreten von Creator/-innen in Videos fremder Kanäle. Die Algorithmizität bedingt bei YouTube etwa die Nennung und Positionierung von Videos in der Suchleiste oder in der Empfehlungsspalte auf der Grundlage automatisierter Algorithmen (basierend z.B. auf demographischen Eigenschaften der Nutzenden, ähnlicher Nutzenden, Ort, Stichworte etc.). Gemeinschaftlichkeit wird durch die Community erzeugt, auf die das Video jeweils Bezug nimmt, durch die (parasozialen) Beziehungsangebote der Creator/-innen von Videos sowie durch die unterschiedlichen Beteiligungsmöglichkeiten (z.B. Likes, Kommentare).

Die Notwendigkeit nicht nur die inhaltlichen, sondern auch die formalen Aspekte digitaler Medien zum Gegenstand (medien-)pädagogischer Arbeit zu machen, beschreiben auch die drei Handlungsfelder des Frankfurter Dreiecks für Bildung in einer digital vernetzten Welt (Weich, 2019, siehe auch Abbildung 4). Die technologisch-mediale Perspektive bezieht sich darauf, konzeptionelle Fragen an digitale Medien zu stellen, d.h. informatische und mediale Funktionsprinzipien zu bearbeiten. Wichtig sei die Reflexion, Gestaltung und Analyse der Funktionsprinzipien wie Automatisierung, Vernetzung, Big Data, KI, Verschlüsselung, Datenschutz. Die gesellschaftlich-kulturelle Perspektive nimmt die Wechselwirkungen von Individuum, Gesellschaft und digitalen Systemen in den Fokus, befasst sich mit den veränderten Kommunikationsformen, ihre Bedingungen, Dynamiken und Wirkungen bzw. mit den sich daraus ergebene Chancen und Probleme. Im Zentrum steht hier etwa der potentielle Einfluss von Beteiligungsmöglichkeiten des Web 2.0 oder selbstlernender digitaler Systeme. Denkbar ist hier aber auch die Betrachtung von Influencer/-innen, ihrer Inszenierungs- und Persuasionsstrategien. Die Interaktionsperspektive stellt die Nutzenden ins Zentrum und betrachtet deren Art und Umfang der Anwendung digitaler Systeme z.B. zur Identitätsbildung, Selbstthematisierung und Subjektivierung.

Abbildung 4: Frankfurter Dreieck (Quelle: Weich, 2019). (© Republik Österreich, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung)

Vereinzelt werden Algorithmen im Rahmen von Informationsmaterialien zum Thema gemacht. Einfache Programmierschulungen versuchen sich aus einer technischen Perspektive dem Verständnis von algorithmischen Praktiken zu nähern. Die Materialien zu "Machine Learning" verfügbar auf der Seite "Medien in der Schule" will in vier Modulen für den Einsatz im Schulunterricht Konzepte wie Maschinelles Lernen oder Künstliche Intelligenz nachvollziehbar und verständlich machen: Externer Link: https://www.medien-in-die-schule.de/unterrichtseinheiten/machine-learning-intelligente-maschinen/ (Stand: 03. November 2020). Nur wenige Materialen nehmen aber konkret YouTube und seine Funktionsweise in den Fokus. Beispielhaft zu nennen sind hier etwa Folgende:

  • Die Materialien "Mobile Medien, neue Herausforderungen – Kosmos YouTube" herausgegeben von Klicksafe geben einerseits einen Überblick über die Plattform, ihre Inhalte und Nutzer/-innen. Andererseits werden darin Überlegungen für eine Thematisierung im Schulunterricht formuliert: Externer Link: https://www.klicksafe.de/fileadmin/media/documents/pdf/klicksafe_Materialien/Lehrer_Kosmos_Youtube/klicksafe_Kosmos_Youtube.pdf (Stand: 26. August 2020).

  • Das zweite Lernarrangement der Handreichung "Extremismus im Internet – Drei Lernarrangements zur Förderung von Medienkritikfähigkeit im Umgang mit Internetpropaganda in der Schule" behandelt die Funktionsweise und mögliche Effekte des YouTube-Empfehlungsalgorithmus.

Am ehesten lassen sich Materialien zu Darstellung, Rolle und Effekten von Influencer/-innen und Online-Werbung in sozialen Medien finden. Auch diese Materialien fokussieren aber zu einem Großteil eine Auseinandersetzung in schulischen Settings. Beispielhaft sollen folgende genannt werden:

Vereinzelt finden sich aber auch Materialien, die auf einer abstrakteren Ebene ansetzen und sich mit Fragen der Privatheit, des Datenschutzes und der Kommunikation im Allgemeinen im Internet befassen:

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Erläuterungen zu Forschungsansätzen

Sowohl Wissenschaftler/-innen als auch Praktiker/-innen diskutieren das Potential von YouTube in institutionellen formalen, informellen und selbstorganisierten Lernsettings.

YouTube – ein Lernmedium?

Forschungsansätze

In den hier vorgestellten unterschiedlichen Forschungsansätzen wird das Potential von YouTube als Lernmedium diskutiert. Einen Hinweis liefert die Vielfalt an Bildungsangeboten.

Dr. Josephine B. Schmitt arbeitet als wissenschaftliche Koordinatorin am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum. Zuvor war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikations-wissenschaft und Medienforschung der LMU München tätig. Am CAIS befasst sie sich einerseits mit der Erforschung und Entwicklung von innovativen Konzepten für die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Digitalisierungsforschung sowie der Identifikation relevanter Forschungsthemen. Andererseits forscht sie zu Inhalt, Verbreitung und Wirkung von Hate Speech, extremistischer Propaganda und (politischen) Informations- und Bildungsangeboten (insb. Bewegtbildung) im Internet.

Zudem entwickelt sie didaktische Konzepte für die Radikalisierungsprävention u.a. im Auftrag des Innenministeriums NRW. Darüber hinaus berät sie verschiedene Behörden und zivilgesellschaftliche Akteure bezüglich der genannten Themenfelder. Entstanden im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung sind Unterrichts- sowie pädagogische Begleitmaterialien zum Einsatz von Webvideo-Reihen im Unterricht. Sie gibt zudem Workshops und Vorträge zu verschiedenen Themen der politischen Bildung und Medienkompetenz (z. B. "Fake News", extremistische Propaganda, Populismus).