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Das Unternehmen und die Funktionsweise der Plattform

Josephine B. Schmitt

/ 7 Minuten zu lesen

(© Christian Wiediger/unsplash)

Hinweis: Bei den nachfolgend genannten Studien, welche Daten zu YouTube-Nutzer/-innen enthalten unterscheiden sich zuweilen die Altersgruppen, auf die sich die Angaben beziehen. Auch finden sich gelegentlich Unterschiede bei den Frageformaten und -formulierungen (z. B. im Hinblick auf den Referenzzeitraum).

Das Unternehmen

Die Videoplattform YouTube wurde 2005 von den drei Unternehmern Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim gegründet. Seitdem können Nutzer/-innen Inhalte auf die Plattformen hochladen, ansehen, kommentieren und teilen. Im Jahr 2006 wurde YouTube für 1,65 Milliarden Dollar von Google, LLC, gekauft (Dummer, 2015) und gehört damit zum Mutterkonzern Alphabet Inc.

Im Februar 2020 gab Alphabet erstmals bekannt, welchen Anteil YouTube an den Umsätzen des Gesamtunternehmens hat. Gemäß den Quartalszahlen für das Jahr 2019 werden bei YouTube ca. 15 Mrd. US-Dollar Umsatz generiert, ein Anstieg von ca. 36% im Vergleich zum Vorjahr (Alphabet Inc., 2020). Das entspricht im Jahr 2019 10% am Gesamtumsatz des Mutterkonzerns. Der Marktanteil von YouTube unter den Social-Media-Seiten gemessen an den Page Views lag im Juni 2020 bei 4,99% (Statista, 2020a).

Inzwischen ist YouTube laut Unternehmensangaben in über 100 Ländern und 80 verschiedenen Sprachen abrufbar (YouTube About, o.D.b). Circa zwei Milliarden eingeloggte Nutzer/-innen besuchen die Plattform jeden Monat, etwa 27% der Internetnutzer/-innen weltweit nutzten YouTube im vierten Quartal 2018 mindestens einmal täglich (Statista, 2020a).

Im Mai 2013 wurden rund 100 Stunden Videomaterial pro Stunde auf die Plattform hochgeladen (Koch & Liebholz, 2014). Im Jahr 2018 waren es schon 621 Stunden pro Minute (Turek, 2019). Täglich werden auf YouTube von ca. 30 Millionen aktiven User/-innen über eine Milliarde Stunden Videos konsumiert (Statista, 2020a). Neben hochgeladenen Videos bietet YouTube seit einigen Jahren zusätzlich die Funktion der Live-Übertragung. Von den 100 populärsten YouTube-Livestreams wurden 60 zwischen 2017 und 2019 gesendet (ebd.). Erfolgreichster Livestream bisher ist der Stratosphärensprung von Felix Baumgartner aus dem Jahr 2012 mit über 2,5 Millionen gleichzeitigen Aufrufen (Pettie, 2019). Seit Herbst 2020 gibt es bei YouTube das Format YouTube Shorts in der Betaphase. Mit diesem Format möchte YouTube in Konkurrenz zu Tiktok treten. Es können vertikale bis zu 60 Sekunden lange Kurzvideos erstellt und in der dafür vorgesehen Kategorie "Shorts" hochgeladen und beworben werden, wobei der Schwerpunkt auf 15-sekündigen Videos liegen soll (YouTube-Hilfe, o.D.).

Weltweit werden mehr als 70% der Inhalte über mobile Endgeräte abgerufen (Statista, 2020a). In Deutschland nutzten 2019 63% der Nutzer/-innen YouTube über ihr Smartphone oder Tablet (Statista, 2020a).

Erlösmodelle und Werbung

Das Unternehmen verdient im Wesentlichen über Werbung, die im Zusammenhang mit Videos geschaltet wird, einen kleineren Anteil nimmt YouTube über monatliche Abodienste wie YouTube-Premium ein (YouTube, o.D.b). Für Werbung sind jedoch nicht alle Inhalte berechtigt. Kreator/-innen müssen am YouTube-Partnerprogramm teilnehmen, damit Werbung geschaltet wird (YouTube help, o.D.). Voraussetzung dafür ist eine Mindestanzahl von 1000 Abonnent/-innen und 4000 Stunden Wiedergabezeit in den letzten 12 Monaten. Erst dann besteht die Möglichkeit, Videoinhalte zu monetarisieren. Darüber hinaus teilt sich YouTube mit Creator/-innen Einnahmen, die über Tools wie Super Chat, Kanalmitgliedschaften und Merchandise-Artikel generiert werden (YouTube, o.D.b).

Insbesondere viel geklickte, erfolgreiche Videoangebote auf YouTube werden von Werbeblöcken begleitet. Laut einer im Jahr 2013 durchgeführten Studie der GfK erreicht YouTube-Werbung monatlich 29% der deutschen Online-Bevölkerung (Google, 2013). Eine im Jahr 2017 von Google in Auftrag gegebene Studie des weltweit agierenden Marktforschungsunternehmens Ipsos fand, dass Nutzer/-innen ihre Aufmerksamkeit auf 83% der Dauer von YouTube-Werbung richten, im Vergleich dazu nur auf 45% der Zeit bei TV-Werbung (Ipsos, 2017). Ein Grund dafür ist, dass Personen bei TV-Werbung eher umschalten oder anderen Beschäftigungen nachgegen, was bei YouTube-Werbung eher nicht der Fall ist. YouTube-Werbung nimmt damit auch den ersten Platz (22%) bei den wichtigsten Erlösquellen von Onlinevideo-Anbietern ein (Bayerische Landeszentrale für neue Medien, 2019). Allerdings, so eine multimethodale Studie (Messung der Hautleitfähigkeit, Eyetracking, Befragung) Schweizer Psycholog/-innen (Weibel et al., 2019), errege TV-Werbung mehr Aufmerksamkeit und führe zu mehr positiven Emotionen als YouTube-Werbung.

Aus einer Google-eigenen Analyse demographischer Daten von 75.000 YouTube-Werbekampagnen geht hervor, dass eine detaillierte und enge Beschreibung von Zielgruppen über die YouTube-Funktion "Erweiterte Zielgruppen" die Effizienz von Marketingkampagnen gemessen an Markenbekanntheit, Anzeigenerinnerung und Kaufbereitschaft steigern kann (Diddams & Behmke, 2020). Definiert werden darüber nicht nur Alter und Geschlecht der Zielgruppe. Zielgruppen können darüber auch anhand ihrer Interessen und potentiellen Kaufbereitschaft beschrieben werden.

YouTube hat in den vergangenen Jahren eine ganz eigene Prominenz hervorgebracht: "Influencer/-innen", "Creator/-innen", "YouTuber/-innen". Eine im Jahr 2015 durchgeführte Online-Befragung unter deutschen Teenager/-innen im Alter von 13 bis 19 Jahren im Auftrag von Google zeigt, dass mit zunehmender Nutzung der Plattform auch die Bedeutung der Creator/-innen zunimmt – einige von ihnen sind sogar ähnlich beliebt wie "klassische" Stars. Gemäß einer im Jahr 2017 von Bitkom veröffentlichen Befragung von Kindern und Jugendlichen rangieren YouTube-Stars hinsichtlich ihrer Beliebtheit nur knapp hinter Musiker/-innen und Bands, jedoch deutlich vor Sportler/-innen und Schauspieler/-innen (Berg, 2017). Eine Befragung der AGF Fernsehforschung von 14- bis 17-Jährigen aus dem Jahr 2019 sieht Influencer/-innen bei Jungen knapp hinter Sportler/-innen und Figuren aus Sendungen, Serien und Comics und vor Sänger/-innen und Personen des öffentlichen Lebens, bei Mädchen hinter Figuren aus Sendungen, Serien und Comics sowie Sänger/-innen.

YouTuber/-innen wirken im Vergleich zu anderen Stars auf die jungen Nutzer/-innen glaubwürdiger, authentischer und nahbarer (Google, 2015). Teilweise werden die Beziehungen der Rezipierenden zu den YouTuber/-innen so intensiv, dass parasoziale Beziehungen aufgebaut werden. Selbst für Kinder im Alter von 11 bis 13 Jahren – unabhängig von ihrem Geschlecht – sind Influencer/-innen nach Figuren aus Sendungen, Serien und Comics bereits wichtige Vorbilder (AGF Fernsehforschung, 2019).

Dass YouTube-Stars für viele Kinder und Jugendliche besonders lebensweltnah wirken, zu diesem Ergebnis kommt auch eine österreichische Studie (Österreichisches Institut für angewandte Telekommunikation, 2018). Ein interessanter Gegensatz dazu ist eine Analyse "klassischer" Medienberichterstattung über Influencer/-innen von Deller und Murphy (2019). Gemäß dieser Studie erscheinen Influencer/-innen im Medientenor eher als unauthentische, opportunistische Nichtsnutze – Ein Befund, der möglicherweise die Perspektive der "Erwachsenen" verkörpert, die nur selten zur Zielgruppe dieser YouTube-Creator/-innen zählen.

Um von der Wirkung besonders prominenter YouTuber/-innen zu profitieren, entwickelten sich in den vergangenen Jahren sogenannten Multi-Channel-Netzwerke. Bei diesen unterstützen größere Unternehmen mehrere YouTube-Kanäle finanziell sowie bei der Vermarktung (z.B. Cross-Promotion) und Produktentwicklung (Klicksafe, o.D.b). Durch die potentielle Steigerung der Werbeeinnahmen profitieren die Unternehmen, die YouTuber/-innen sowie YouTube selbst. In Deutschland bauen sich vor allem Unternehmen, die bisher mit TV-Angeboten Geld verdienten, solche Netzwerke auf (z.B. RTL, ProSiebenSat1, Endemol) (ebd.). Alternativ zu kommerziell orientierten Multi-Channel-Netzwerken, an denen von Seiten einiger YouTuber/-innen harte Kritik geübt wurde – bis hin zu Rechtsstreitigkeiten und Beendigungen von Verträgen (z.B. Renz, 2014; Steinlechner, 2014) – bildeten sich in den vergangenen Jahren Zusammenschlüsse von gleichgesinnten YouTuber/-innen in vereinsartigen Strukturen heraus (klicksafe, o.D.b). Gleichzeitig machten sich einige YouTuber/-innen selbstständig und gründeten Produktionsfirmen bzw. (Künstler/-innen-)Agenturen, die nicht nur die eigenen, sondern auch Inhalte von assoziierten Creator/-innen produzieren und distribuieren.

Wenngleich viel über die sinkenden Fähigkeiten von Nutzenden zur Konzentration auf längere Inhalte im Netz debattiert wird, scheint die Länge bzw. Kürze eines YouTube-Videos nicht zwingend ausschlaggebend für dessen Popularität zu sein. Das zeigt sich u.a. in der durchschnittlichen Länge von YouTube-Videos im Verlauf der vergangenen Jahre. Die durchschnittliche Dauer eines Videos stieg von knapp fünf Minuten im Jahr (2008) auf ca. 15 Minuten im Jahr 2018 (Turek, 2019). Wichtiger für den Erfolg von Angeboten sei es, Interesse zu wecken, idealerweise mit bekannten YouTuber/-innen zusammenzuarbeiten, auf Menschen und ihre individuellen Bedürfnisse einzugehen und sie über persönliche Bezüge zur Interaktion zu animieren (Gardner, 2019).

Der Empfehlungsalgorithmus

Damit Nutzer/-innen möglichst lange auf der Plattform verweilen und Einnahmen generieren, "empfiehlt" der YouTube-Algorithmus u.a. auf der Grundlage individueller Plattformeinstellungen, vorhergehender Nutzung, dem Verhalten "ähnlicher" Nutzer/-innen oder vergleichbarer Stichworte weiterführende Videos, dabei passt sich der Algorithmus ständig dem Verhalten der Nutzenden an – "lernt" dazu (Covington, Adams & Sargin, 2016). In einem 2010 veröffentlichten Paper beschreiben Google-Mitarbeiter/-innen das Ziel des Empfehlungsalgorithmus folgendermaßen:

"We want recommendations to be reasonably recent and fresh, as well as diverse and relevant to the user’s recent actions. In addition, it’s important that users understand why a video was recommended to them.” (Davidson et al., 2010, S. 294)

Laut einer US-amerikanischen Befragung geben 81% der Menschen an, dass sie mindestens gelegentlich den Empfehlungen der Plattform folgen, 15% sogar regelmäßig (Smith, Toor & van Kessel, 2018). Unter den 18- bis 29-Jährigen folgen 22% regelmäßig den Empfehlungen. Die Ergebnisse der aktuellen ARD/ZDF-Online-Studie verdeutlichen, dass sich 46% der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren mindestens gelegentlich von den Vorschlägen und Empfehlungen der Plattform leiten lassen (Koch & Beisch, 2020). Bei einer Befragung des Rats für kulturelle Bildung (2019) gaben 36% der jungen Befragten an, dass sie gewöhnlich den Empfehlungen von YouTube folgen wurden. Eine Google-eigene Analyse aus dem Jahr 2010 zeigt, dass bereits damals 60% der Klicks von der YouTube-Startseite auf Empfehlungen des Algorithmus zurückzuführen sind (Davidson et al., 2010).

Nach Aussagen von YouTube Chief Product Officer Neal Morhan im Jahr 2018 ist der Empfehlungsalgorithmus verantwortlich für 70% der Nutzer/-innenstunden auf der Plattform (Solsman, 2018). Der Algorithmus sorgt dafür, dass Nutzer/-innen mit zunehmend längeren und populäreren Videos hinsichtlich der Aufrufe konfrontiert werden (Smith et al., 2018).

Fussnoten

Fußnoten

  1. Unter Page Views (dt. Seitenaufrufe) ist die Anzahl der Aufrufe einer Webseite mit einem Webbrowser zu verstehen. Im Unterschied zu Unique Page Views berücksichtigen Page Views auch mehrfache Aufrufe einer Website durch eine/-n Nutzer/-in.

  2. Mehr zum YouTube-Partnerprogramm: Externer Link: https://support.google.com/youtube/answer/72851?hl=de (Stand: 11. November 2020).

  3. Weitere Informationen zur "Funktionsweise" von YouTube (z. B. Umgang mit schädlichen Inhalten, Benachteiligung verhindern, Wahlen unterstützen) finden sich auf dieser Seite: Externer Link: https://www.youtube.com/intl/ALL_de/howyoutubeworks/ (Stand: 15. Juli 2020).

  4. (Stand: 15. Juli 2020)

  5. Auch wenn nicht alle Creator/-innen und YouTuber/-innen zu Influencer/-innen werden, werden diese drei Begrifflichkeiten im Folgenden weitgehend synonym verwendet.

  6. Die Videos dürfen Produktplatzierungen und Empfehlungen enthalten, sofern sie den Google Ads-Richtlinien entsprechen und als solche gekennzeichnet sind: Externer Link: https://support.google.com/youtube/answer/154235?hl=de (Stand: 17. Juli 2020).

  7. Neben der Beliebtheit ist ein weiterer Grund für den Anstieg der Länge von Videos wahrscheinlich auch die Veränderung technischer Möglichkeiten bei der Aufnahme, Bearbeitung und Bereitstellung von Inhalten.

  8. Weiterführende Informationen von YouTube zu der Funktionsweise der "Empfehlung" und den Möglichkeiten der Bearbeitung finden sich hier: Externer Link: https://www.youtube.com/intl/ALL_de/howyoutubeworks/product-features/recommendations/#overview (Stand 22. Juli 2020).

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Dr. Josephine B. Schmitt arbeitet als wissenschaftliche Koordinatorin am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum. Zuvor war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikations-wissenschaft und Medienforschung der LMU München tätig. Am CAIS befasst sie sich einerseits mit der Erforschung und Entwicklung von innovativen Konzepten für die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Digitalisierungsforschung sowie der Identifikation relevanter Forschungsthemen. Andererseits forscht sie zu Inhalt, Verbreitung und Wirkung von Hate Speech, extremistischer Propaganda und (politischen) Informations- und Bildungsangeboten (insb. Bewegtbildung) im Internet.

Zudem entwickelt sie didaktische Konzepte für die Radikalisierungsprävention u.a. im Auftrag des Innenministeriums NRW. Darüber hinaus berät sie verschiedene Behörden und zivilgesellschaftliche Akteure bezüglich der genannten Themenfelder. Entstanden im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung sind Unterrichts- sowie pädagogische Begleitmaterialien zum Einsatz von Webvideo-Reihen im Unterricht. Sie gibt zudem Workshops und Vorträge zu verschiedenen Themen der politischen Bildung und Medienkompetenz (z. B. "Fake News", extremistische Propaganda, Populismus).