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Spähsoftware, Zensur und Sperrdebatte | Lernen mit – und über – TikTok | bpb.de

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Spähsoftware, Zensur und Sperrdebatte

Marcus Bösch

/ 5 Minuten zu lesen

(© Adobe-Stock/Destrosvet)

Bei Wikipedia findet sich ein Artikel mit dem Namen „Zensur der Plattform TikTok“ (english „Censorship of TikTok“), darunter folgende Erklärung: Nicht zu verwechseln mit Zensur durch TikTok (englisch „Censorship by TikTok“). Der Artikel wird beständig länger. Afghanistan und Armenien befinden sich auf der Liste, aber auch Indien, das TikTok im Jahr 2020 wegen Datenschutz- und Sicherheitsbedenken zusammen mit dutzenden anderer chinesischer Apps sperrte, kurz nach einem Zusammenstoß zwischen indischen und chinesischen Truppen an einer umstrittenen Grenze im Himalaya, bei dem 20 indische Soldaten getötet und Dutzende verletzt wurden . In den letzten Monaten neu mit auf der Liste gekommen sind die Vereinigten Staaten, wo die Verwendung von TikTok mit einigen Ausnahmen auf Geräten der Regierung verboten ist. Gleiches gilt in derzeit (Stand Mai 2023) 34 von 50 Staaten für Mitarbeiter/-innen von Regierungsbehörden und an einigen Universitäten. Im Februar 2023 haben die Europäische Kommission und der Europäische Rat TikTok auf offiziellen Geräten verboten. Angeführt werden Sicherheitsbedrohungen, vermutet wird, dass die chinesische Regierung vollumfänglichen Zugriff auf die Nutzer/-innendaten habe und diese unter anderem für Propagandazwecke missbrauchen könne. Ob und in welchem Umfang der Konzern ByteDance der chinesischen Regierung Daten zur Verfügung stellt, darüber gibt es derzeit keine gesicherten Erkenntnisse.

Eine Recherche des Westdeutschen Rundfunks (WDR), Norddeutschen Rundfunks (NDR) und der Tagesschau legte im September 2022 offen, dass TikTok offenbar Gebrauch von speziellen Wortfiltern macht, wodurch bestimmte Inhalte nicht angezeigt werden. Die Plattform des chinesischen Konzerns bediente sich beim Management der Inhalte der Praxis des sogenannten „Shadowbanning“ – die Unterdrückung bestimmter Inhalte auf einer Plattform. User/-innen können die Inhalte beim Öffnen von TikTok und bei bestimmten Suchanfragen auf der Plattform nicht sehen, obwohl sie faktisch nicht gelöscht wurden. Betroffen von dieser Praxis waren beispielsweise Beiträge und Kommentare, die Begriffe der LGBTQ-Community oder die Wörter „schwul“ oder „Auschwitz“ enthielten. Auch die Unterdrückung und Ausblendung politischer Inhalte, besonders mit Bezug zur chinesischen Regierung, schien im Rahmen von TikToks Content-Moderation laut einer Recherche von netzpolitik.org möglich zu sein . Kritiker/-innen warfen der Plattform die Beschränkung der Meinungsfreiheit und Zensur vor. Das Unternehmen dementierte jegliche Form der Einflussnahme: „We are not influenced by any foreign government, including the Chinese government“ . Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sieht TikTok kritisch . Bereits im Juni 2021 empfahl der Datenschützer den Bundesministerien und -behörden, die Video-App des chinesischen Anbieters nicht auf dienstlichen Geräten einzusetzen. Das Ergebnis einer angekündigten umfangreichen Analyse steht allerdings noch aus. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) formuliert seine Bedenken eher vage, es sei grundsätzlich bekannt, dass zahlreiche Apps Daten an die jeweiligen Hersteller wie auch an Dritte übermittelt würden. Auch andere Sicherheitsforscher/-innen beschäftigen sich mit Vorwürfen, TikTok sei eine Späh-App. So wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass TikTok keine größere Gefahr für die IT-Sicherheit sei als andere große Social-Media-Apps. So sei TikTok keine Schadsoftware. Es handele sich um eine geopolitische Debatte und keine Debatte über IT-Sicherheit. TikTok betont immer wieder die Distanz zu China, dem Sitz der TikTok-Eigentümerin Bytedance. Das autoritäre Regime soll TikTok zufolge keinen politischen Einfluss auf die Inhalte der Videoplattform haben. Recherchen von Buzzfeed News zeigen aber, dass die Kontrolle des chinesischen Mutterkonzerns über TikTok offenbar enger als bislang bekannt ist. Laut Buzzfeed hatten in China ansässige Mitarbeiter/-innen von ByteDance wiederholt Zugriff auf nicht-öffentliche Daten von Nutzer/-innen aus den USA. Auf US-Servern landen auch die Daten deutscher TikTok-Nutzer/-innen. Dass TikTok viele Daten seiner Nutzer/-innen sammelt, ist unstrittig. Viele werden durch die Nutzung der App generiert, zum Beispiel die angeschauten Inhalte, vergebene Likes und Personen, denen Nutzer/-innen folgen. Diese Daten werden auf allen gängigen Plattformen gesammelt. Die Inhalte anderer Apps auf dem eigenen Telefon, zum Beispiel Emails, kann TikTok nicht mitlesen, wie manche US-amerikanischen Politiker/-innen behaupten. TikTok sammelt umfangreiche Datenmengen, viele davon stillschweigend, aber soweit Forscher/-innen das beurteilen können, ist das nicht invasiver oder illegaler als das, was andere US-amerikanische Technologieunternehmen tun, berichtet CNN. Der zentrale Unterschied: TikTok wird von ByteDance betrieben, einem Unternehmen mit Sitz in China. Angesichts der Diskussion um eine Sperre der Video-App TikTok in den USA hat Bundesinnenministerin Faeser für Deutschland ein Verbot derzeit ausgeschlossen. Dafür sehe sie keine Grundlage.

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Marcus Bösch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HAW Hamburg und forscht zu TikTok, politischer Kommunikation und Desinformation. Er veröffentlicht den wöchentlichen Newsletter Externer Link: Understanding TikTok.