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Folge 1 | Schule in der DDR | bpb.de

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Folge 1

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Nicht nur beim Fahnenappell zeigt sich, dass Schule in der DDR anders gedacht war als heute. Alle müssen dasselbe singen, auf dieselbe Weise grüßen und auch im Staatsbürgerkundeunterricht mit Frau Lehmann ist für persönliche Meinungen kein Raum. Die Schülerinnen und Schüler des Projektes merken schnell, dass Kritik im Unterricht nicht vorgesehen ist....

Fahnenappell

Beim Fahnenappell gelten bestimmte Regeln und Frau Lehmann achtet genau darauf, dass alles richtig umgesetzt wird. Alle müssen sich in Reih und Glied aufstellen und das Singen von "Republik, mein Vaterland" gelingt bereits ganz gut. Ohne FDJ-Hemd muss Ben-Luca in die hinterste Reihe, Piyawan und Pia übernehmen erste Aufgaben als Gruppenratsvorsitzende. Einige finden das gemeinsame Singen eigentlich ganz schön und das militärisch anmutende Exerzieren ziemlich cool. Aber auch erste kritische Gedanken sind von den Schülerinnen und Schülern zu hören.

Fahnenappelle wurden mehrmals im Jahr zu bestimmten Anlässen wie dem Schuljahresanfang, zur Zeugnisvergabe oder zum Gedenken an berühmte Kommunisten gemeinsam mit allen Klassen auf dem Schulhof abgehalten. Das Ritual sollte die Gemeinschaft zusammenbringen und auf das gemeinsame Ziel einschwören. Beim Fahnenappell wurden nicht nur gute Schülerinnen und Schüler gelobt, andere öffentlich für mangelnde Disziplin oder staatsfeindliche Äußerungen getadelt, umrahmt von Kommandos und Musik. Vor allen anderen verpflichteten sich die Jugendlichen beim Fahnenappell, aktiv den weiteren Aufbau des Sozialismus zu unterstützen, zum Beispiel durch bessere schulische Leistungen oder noch größere Anstrengungen beim freiwilligen Ernteeinsatz.

Die Schülerinnen und Schüler im Film müssen sich nicht zu bestimmten Leistungen verpflichten oder zur aktiven Unterstützung der sozialistischen Idee. Aber der weitere Alltag im Schullandheim ist für sie trotzdem nicht ohne Tücke.

Gleiches für alle

Am Abend geht es im Landschulheim bei Leipzig nicht nur um Spaß, sondern vor allem um politische Erziehung. In der "Aktuellen Kamera" sehen die Schülerinnen und Schüler, dass es in den Nachrichten in der DDR nicht um kritische Berichterstattung ging, sondern viel um Propaganda. Im Unterricht wird schnell klar, dass andere, gar kritische Meinungen nicht gewollt sind. Frau Lehmann wirft Ben-Luca vor der Klasse vor, dass er noch immer nicht in der FDJ ist.

Wenn Frau Lehmann den Klassenraum betritt, müssen alle aufstehen und "Freundschaft" rufen, den Gruß der FDJ. Danach müssen die Jugendlichen ein neues Zitat von Erich Honecker, dem Generalsekretär des Zentralkomitees (ZK) der SED, nachsagen und laut aus dem Schulbuch vorlesen. Nicht individuelle Förderung war das Ziel in der Schule in der DDR, sondern die Erziehung der Jugend zu staats- und parteitreuen Bürgern. Besonders der Staatsbürgerkundeunterricht war dazu gedacht, den Schülerinnen und Schülern die staatliche Ideologie näher zu bringen.

Erziehung in der Schule: Staatsbürgerkunde

Das Fach Staatsbürgerkunde wurde ab der 7. Klasse unterrichtet. Es sollte den Schülerinnen und Schülern ein festes Klassenbewusstsein vermitteln. Im Vordergrund stand das Bekenntnis zum Arbeiter-und-Bauernstaat, als den die DDR sich selbst sah, also die Überzeugung von der historischen Mission der Arbeiterklasse unter der Führung der marxistisch-leninistischen Partei.

Es sollte gelehrt werden, dass die Zukunft der Menschheit der Sozialismus ist, die DDR zu den Siegern der Geschichte gehört und der Sozialismus auch in Westdeutschland siegen wird. Im Staatsbürgerkundeunterricht sollten den Jugendlichen nicht nur der Staatsaufbau, die Ideologie des Marxismus-Leninismus und die Rechte und Pflichten des DDR-Bürgers vermittelt werden. Sondern es ging auch darum, das kommunistische System dem kapitalistischen System als überlegen gegenüberzustellen.

Demokratie, Freiheit und Menschlichkeit, so wurde propagiert, würden nur dort gesichert, wo das werktätige Volk unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer Partei die politische Macht ausübt. Der “Sieg” des Kommunismus über den Kapitalismus wurde dabei als ein den Menschen von Unterdrückung, Unrecht und Not befreiender Entwicklungsschritt in der Evolution des Menschen dargestellt.

Kritik und Diskussionen waren nicht vorgesehen

Im Unterricht sollte es demnach mehr darum gehen, die politische Propaganda möglichst fest zu verankern. Für Diskussionen, eigene Meinungen oder gar Kritik war so kein Platz. Eine Auseinandersetzung mit dem System war nicht erwünscht und auch alltägliche Unzulänglichkeiten sollten nicht thematisiert werden. Dass bestimmte Lebensmittel oder Gebrauchsgegenstände häufig nicht verfügbar waren, sollte genauso wenig angesprochen werden wie die staatliche Bevormundung in Bezug auf die Parteizugehörigkeit, die einschränkte Reisefreiheit oder die Präsenz staatlicher Ideologie in den Nachrichten.

In den Lehrbüchern stand anderes: Dort wurden die Mitgestaltungsmöglichkeiten der DDR-Bürgerinnen und Bürger in allen Bereichen des Lebens hervorgehoben und als allen anderen Staatsformen überlegen dargestellt. Da Staatsbürgerkunde zumeist vom FDJ- oder Pionierleiter der Schule unterrichtetet wurde, hätte Widerspruch schulische und damit gesellschaftliche und berufliche Nachteile haben können.

Anspruch und Realität

Es gab aber immer Ausnahmen. Viel hing von den Menschen ab, die die Kinder und Jugendlichen als Lehrerinnen und Lehrer, als Gruppenleiterin und -leiter betreuten. Als Reaktion auf die starke Ideologisierung zogen sich viele Bürgerinnen und Bürger ins Private zurück - ein Rückzug in die sogenannte Nischenkultur, mit dem Wunsch, der vorgeschriebenen Lebensweise zu entkommen, sich einer Infiltration zu entziehen und im Familien- und Freundeskreis das Leben selbst gestalten zu können.

Von der Staatsbürgerkunde zur demokratischen politischen Bildung

Mit dem Fall der Mauer wurde die Staatsbürgerkunde überflüssig. Im März 1990 wurde stattdessen das Fach Gesellschaftskunde in den Lehrplan aufgenommen und im Sommer und Herbst 1990 die Professuren für Staatsbürgerkunde und Marxismus-Leninismus von den Universitäten aufgelöst. Neue Fächer wie Gemeinschafts- oder Sozialkunde oder das Fach Politische Bildung wurden in den ostdeutschen Bundesländern eingeführt. Ab 1991 hatten Lehrer die Möglichkeit, sich in berufsbegleitenden Studienangeboten für das neue Fach der politischen Bildung fortzubilden und kurz darauf wurden Professuren für Politikdidaktik besetzt.

Für das Projekt "Schule in der DDR" jedoch wurden die Lehrbücher für den Staatsbürgerkundeunterricht wieder hervorgeholt und es zeigt sich schnell, welche Botschaften die Schülerinnen und Schüler aus dem Unterricht mitnehmen. Im Wehrkundeunterricht in Folge 3 nimmt politische Erziehung noch andere Formen an...

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Fussnoten