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Strafrecht und Regulierung von Deepfake-Pornografie
/ 13 Minuten zu lesen
Immer wieder sehen sich Betroffene nach der Veröffentlichung von Nacktaufnahmen mit diesem oder vergleichbaren Vorwürfen konfrontiert. Die deutsche Wissenschaftlerin und Menschenrechtlerin Nivedita Prasad spricht von einer „erstaunlichen Renaissance“ des Victim Blaming
Deepfake-Pornografie ist keinesfalls im luftleeren Raum, sondern viel mehr in ihrem übergeordneten Kontext der bildbasierten sexualisierten Gewalt zu sehen. Geprägt durch die britischen Wissenschaftlerinnen Clare McGlynn und Erika Rackley
Deepfakes betreffen uns alle – aber nicht alle gleich
Das wachsende niedrigschwellige und große Angebot von Deepfake Apps ermöglicht es jeder Person ohne Vorkenntnisse einfach Deepfakes zu erstellen.
Intersektionale Betrachtung: Geschlechtsspezifische Komponente der Deepfake-Pornografie
Eine intersektionale Perspektive auf das Phänomen zeigt eine besondere Betroffenheit von Frauen und weiteren marginalisierten Gruppen.
Verbreitung auf pornografischen und nicht pornografischen Plattformen – Misogyne Gruppen als Katalysator
Zur Verbreitung von Deepfake-Pornographie werden neben der Verwendung von etwa WhatsApp, Emails, SMS über das private Umfeld
Harmlose vs. schädliche (pornografische) Deepfakes
Im Rahmen der rechtlichen Einordnung sind grundsätzlich harmlose von gezielt schädlichen Deepfakes abzugrenzen.
Rechtliche Grenzen grundsätzlich harmloser und unschädlicher Deepfake-Pornografie
Grundsätzlich harmlose, im Einverständnis der dargestellten Personen erstellte, überwiegend nicht-pornografische Deepfakes finden ihren Einsatz etwa zu Unterhaltungszwecken, bspw. im Bereich der Werbung oder Filmindustrie.
Strafrechtliche Einordnung schädlicher Deepfake-Pornografie: nicht-einvernehmliche sexualisierte Deepfakes
Ganz maßgeblich kennzeichnet diese schädlichen sexualisierten Deepfakes, dass ihre Inhalte ohne Einverständnis der dargestellten Personen erstellt, verbreitet oder anderweitig verwendet werden. Dabei können nicht-einvernehmliche sexualisierte Deepfakes – häufig, aber nicht ausschließlich – geschützte Rechtsgüter wie das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG
Wie sieht die rechtliche Lage in Deutschland aus?
Der strafrechtliche Schutzrahmen vor nicht-einvernehmlicher sexualisierten Deepfakes ergibt sich zunächst aus den nationalen Gesetzen, insbesondere dem StGB
Nicht-einvernehmliche sexualisierte Deepfakes betreffend Gewaltdarstellungen: Beinhaltet die Deepfake-Pornografie Gewaltdarstellungen, so könnte diese das Herstellen und Verbreiten von Gewaltdarstellungen nach § 131 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB erfasst werden. Darüber hinaus wird das Verbreiten gewaltpornografischer Inhalte nach § 184a 1. Alt. StGB erfasst. Es ist jedoch nicht abschließend entschieden, ob der Schutzrahmen auch „fiktive“, sprich mittels KI manipulierte, oder nur reale Darstellungen erfasst.
Weitere, typische Formen nicht-einvernehmlicher sexualisierter Deepfakes: Das Verbreiten sexualisierter Deepfakes, nicht jedoch das Herstellen
kann als Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen gem. § 201a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4, Abs. 2 StGB erfasst werden. Weiterhin kann die Verbreitung von nicht-einvernehmlichen sexualisierten Deepfakes unter dem Straftatbestand des Verbreitens pornografischer Inhalte gem. § 184 StGB gefasst werden. Denkbar ist, dass sowohl das Herstellen als auch das Verbreiten von sexualisierten Deepfakes sowie weitere Begleittaten, z. B. beleidigende Kommentare, die Tatbestände der Beleidigungsdelikte nach §§ 185 ff. StGB betreffen können. Unklar bleibt bisher, inwiefern die Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen nach § 184k StGB auf Taten der Deepfake-Pornografie anwendbar ist.
Begleittaten nicht-einvernehmlicher sexualisierter Deepfakes: Begleitet wird Deepfake-Pornografie, häufig von weiteren strafrechtlich relevanten Taten. Neben beleidigenden Kommentaren (s. o.) können z. B. Hacking
zur Beschaffung der Inhalte (Ausspähen von Daten strafbar gem. § 202a Abs. 1 StGB), der Sextortion (sexuelle Nötigung strafbar nach § 177 StGB; Erpressung nach § 253 StGB) und Doxing , das gefährdende Verbreiten personenbezogener Daten nach. § 126a StGB strafbar sein.
Geschlechtsspezifische Beweggründe als Strafschärfungsgrund: Mit einer geschlechtsspezifischen Perspektive auf das Phänomen kann zudem ein geschlechtsspezifischer Beweggrund als Strafschärfungsgrund nach § 46 Abs. 2 StGB gelten.
Demnach können Taten gerichtet gegen Frauen aufgrund ihres Geschlechts, innerhalb des Strafrahmens, verschärft geahndet werden.
Ausblick: Ein zentraler Straftatbestand zur Ahndung von Deepfakes Zuletzt beschloss der Bundesrat im Juli 2024 mit Blick auf die gravierenden Schutzlücken vor und der wachsenden Gefahren durch genereller Deepfakes einen Gesetzentwurf zum strafrechtlichen Schutz von Persönlichkeitsrechten. Dieser sieht die Schaffung eines neuen Tatbestandes „Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch digitale Fälschung“ gem. § 201b StGB vor.
Darüber hinaus soll ein neues Gesetz gegen digitale Gewalt Betroffene dabei unterstützen, ihre Rechte auch vor Gericht durchsetzen zu können.
Wie sieht es auf internationaler Ebene aus?
Neben dem nationalen steht das internationale Recht. Das EU-Recht genießt bspw. bei Mitgliedsstaaten Anwendungsvorrang vor nationalem Recht:
Haftung der Plattformbetreibenden sowie Verantwortliche in der Entwicklung und im Betreiben von KI-Systemen: Im Kampf gegen sexualisierte Deepfakes ist es bedeutend, die Plattformbetreibenden und Entwickelnden sowie Betreibenden der KI-Systeme in die Verantwortung nehmen zu können.
Schließlich stellt die überwiegende Anonymität der Nutzenden, die solche Inhalte verbreiten, eine große Hürde bei der Entfernung der Inhalte sowie der möglichen Strafverfolgung dar. Ansatzpunkte hierfür bietet die jüngste EU-Regulierung. Der im November 2022 in Kraft getretene DSA , umgesetzt durch das nationale DDG , legt großen Online-Plattformen und Suchmaschinen diverse Verpflichtungen auf, um unter anderem das Entfernen illegaler Inhalte durch ein vorgesehenes Meldeverfahren zu erleichtern und somit die Rechte der Nutzenden zu schützen. Der im August 2024 in Kraft getretene AI Act, stuft KI-Systeme mittels eines risikobasierten Ansatzes ein. Deepfake-Software wurde hierbei jedoch lediglich als KI-System mit begrenztem Risiko eingestuft, weswegen hier geringere Transparenzpflichten gelten.
Schutz von Frauen und weiteren marginalisierten Gruppen Zuletzt erfasst Art. 7 der Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, in Kraft getreten im Juni 2024,
die nicht-einvernehmliche Herstellung und Weitergabe von intimem oder manipuliertem Material. Und ist damit Ausdruck der besonderen Betroffenheit von Frauen und weiteren marginalisierten Gruppen von digitaler Gewalt
Ein (ernüchterndes) Fazit und hoffnungsvoller Ausblick
Gerade der unvollständige Schutz vor der Erstellung von nicht-einvernehmlichen sexualisierten Deepfakes sowie weiteren Erscheinungsformen bildbasierter sexualisierter Gewalt gegen Erwachsene sorgt für Schutzlücken zulasten Betroffener.
Im Kampf gegen Deepfake-Pornografie
Wer sich nun fragt, ob er*sie selbst derzeit in (Deepfake-) Pornografie zu finden ist, kann sich KI-Detektoren zu eigen machen, um dies herauszufinden.
Weitere Inhalte
Jacqueline Sittig, Diplom-Juristin (Univ.), ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin einer Kanzlei für IT- und Wirtschaftsrecht in Würzburg und Doktorandin an der Universität Würzburg mit dem Forschungsschwerpunkt der bildbasierten sexualisierten Gewalt als Ausdruck geschlechtsspezifischer Gewalt.