Faktencheck: Alle Leute reden über die Flüchtlinge, die nach Deutschland und Europa kommen. Die Medien berichten viel über das Thema. Dabei sind viele Gerüchte und Ansichten im Umlauf, die nicht unbedingt stimmen. Schau Dir die Aussagen an – hast Du einige davon selbst schon einmal gehört? Wie stehst Du dazu?
Alle Flüchtlinge kommen nach Europa.
Das stimmt nicht.
Weltweit sind derzeit (Winter 2015/2016) etwa 60 Millionen Menschen auf der Flucht oder leben in einer "flüchtlingsähnlichen" Situation. 80-85 Prozent dieser Menschen bleiben aber in ihrem Heimatland oder in einem Nachbarland. Das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) sagt: "Neun von zehn Flüchtlingen leben in Entwicklungsländern, da die meisten Flüchtlinge in ein angrenzendes Nachbarland fliehen". So leben aktuell zum Beispiel hunderttausende syrische Flüchtlinge in großen Flüchtlingslagern im Libanon oder in der Türkei. Die Türkei war im Jahr 2014 der Staat, der weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat, gefolgt von Pakistan, dem Libanon, Iran und Eritrea.
In Deutschland gibt es viel mehr Asylbewerber als in anderen europäischen Ländern.
Das kommt darauf an…
Wie man rechnet: Deutschland hat im Zeitraum Januar-Juni 2015 etwa 154.000 Erstanträge auf Asyl erhalten. Das ist mehr als irgendein anderer europäischer Staat. Deutschland hat aber auch die meisten Einwohner. Wenn man ausrechnet, wie viele Asylbewerber pro 10.000 Einwohner in ein Land kommen, sieht es so aus:
Asyl-Anträge (pro 10.000 Einwohner im Januar-Oktober 2015): Deutschland: 32 Österreich: 64 Schweden: 70 Ungarn: 176
Man kann durchaus sagen, dass Deutschland innerhalb Europas die meisten Flüchtlinge aufnimmt. Aber Deutschland ist auch ein Land mit vielen Einwohnern und einer starken Wirtschaft. Deshalb sagen Experten, dass Deutschland mehr leisten kann als andere Länder.
Alle Menschen in Deutschland freuen sich über die ankommenden Flüchtlinge.
Das stimmt nicht.
Zwar heißen viele Deutsche die Flüchtlinge sehr herzlichen willkommen und helfen als Ehrenamtliche gerne mit, damit sie sich hier wohlfühlen. Doch viele Leute haben auch Ängste und meinen, dass Deutschland die große Zahl an Flüchtlingen nicht verkraften könne. Im Oktober 2015 war dies ungefähr die Hälfte der Befragten bei einer Umfrage. 74 Prozent aller Befragten meinten, dass wegen der Ausgaben für die Flüchtlinge in anderen Bereichen gespart werden müsse. Etwa ein Drittel glaubte außerdem, dass durch die Flüchtlinge unsere gesellschaftlichen und kulturellen Werte bedroht würden. Viele Leute diskutieren darüber, was "deutsche" kulturelle Werte überhaupt sind. Mit der steigenden Zahl der Flüchtlinge steigt auch die Anzahl der fremdenfeindlichen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte. Es gibt Menschen, die gegen die Aufnahm von Flüchtlingen demonstrieren und ausländerfeindliche Parolen verbreiten. Das macht vielen Flüchtlingen und auch vielen anderen Bürgern Angst.
Flüchtlinge nutzen das deutsche Asylrecht aus und wollen nur Sozialleistungen abkassieren.
Das stimmt nicht.
Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl beantragen, müssen belegen, dass sie politisch verfolgt werden oder eine begründete Furcht vor Verfolgung (z.B. wegen ihrer Hautfarbe, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung) in ihrer Heimat haben. Mit Abstand die größte Gruppe unter den Asylbewerbern in Deutschland sind Flüchtlinge aus Syrien, wo Bürgerkrieg herrscht. Sie wollen vor allem in Sicherheit leben.
Einige Menschen fliehen aus ihrer Heimat, weil sie dort keine Arbeit finden oder sehr arm sind. Sie haben kein Recht auf Asyl und müssen Deutschland wieder verlassen. Manche Leute nennen diese Menschen Wirtschaftsflüchtlinge. Der Begriff wird häufig wie ein Schimpfwort benutzt. Dabei fliehen auch diese Menschen, weil sie in Not sind. Asylbewerber aus Staaten, die als sicher eingestuft werden, haben so gut wie keine Chance, in Deutschland bleiben zu dürfen. Dazu gehören zum Beispiel Albanien, Kosovo und Serbien. Allerdings sagen manche Menschen auch, dass in diesen Staaten zum Teil starke politische Spannungen herrschen und dass bestimmte Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel die Roma massiven Bedrohungen ausgesetzt sind. Sie meinen, dass diese Staaten keineswegs für alle sicher sind.
Den Flüchtlingen geht es doch gar nicht schlecht – die haben sogar Smartphones.
Das eine hat mit dem anderen nicht unbedingt etwas zu tun.
Es stimmt, dass viele Flüchtlinge ein Smartphone besitzen. Für viele von ihnen ist es während der Flucht ihr wichtigster Besitz. Mit dem Smartphone können sie die Flucht organisieren, den Weg finden und Kontakt zu ihrer Familie und ihrer Freunden halten. Viele Flüchtlinge haben ein ganz normales Leben geführt, bevor sie ihr Land wegen Krieg oder Verfolgung verlassen mussten – und dazu gehört eben auch ein Handy. In Afrika und im Nahen Osten sind Smartphones keine Luxusgüter mehr – sie werden oft günstig verkauft. Dort ersetzen solche Geräte häufig die Bank, den Computer, das Radio und das Wörterbuch. Viele Flüchtlinge haben ihren gesamten Besitz verloren oder in der Heimat zurückgelassen. Sie kommen in Deutschland an und haben nur dabei, was in ihre Taschen gepasst hat.
Wir brauchen keine Zuwanderung in Deutschland, wir sind schon genug Leute.
Ganz so einfach ist das nicht.
Die Bevölkerung von Deutschland schrumpft. Jede Frau in Deutschland bekommt durchschnittlich 1,4 Kinder. Es müssten mehr sein, damit die Bevölkerung gleich bleibt. Oder es müssten Menschen aus anderen Ländern zu uns kommen und bleiben. Außerdem werden die Menschen immer älter – und somit altert auch die Gesellschaft insgesamt.
Deutschland als Sozialstaat braucht mehr junge Menschen, die arbeiten, Steuern zahlen und in die Sozialkassen einzahlen. Damit finanzieren sie unter anderem die Renten der Älteren. Zuwanderung von Menschen aus anderen Ländern kann also dazu beitragen, dass unser Sozialstaat auch in Zukunft funktioniert.
Unsere Gesellschaft kann so viele Flüchtlinge nicht verkraften.
Das ist schnell gesagt, aber was bedeutet das eigentlich?
Die Aufnahme der viele Flüchtlinge ist eine sehr große Herausforderung. Einige Politiker fordern deswegen eine Einführung von Obergrenzen für Flüchtlinge. Sie wollen also nur eine bestimmte Anzahl an Flüchtlingen aufnehmen. Es ist aber umstritten, ob das rechtliche überhaupt möglich ist. Das Asylrecht ist nämlich ein individuelles Recht, also ein Recht, auf das sich jeder einzelne Mensch berufen kann, der in seiner Heimat verfolgt wird. Dabei spielt es keine Rolle, wie viele Menschen das Recht vorher schon in Anspruch genommen haben. Für Obergrenzen müsste man also das Grundgesetz ändern.
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