Die philosophische Fragestellung
An der Frage "Wer bin ich?" kann man erkennen, dass sie die Kriterien für eine philosophische Frage erfüllt:
Erstens kann man sich kaum einen Menschen vorstellen, der sich diese Frage nicht zumindest einmal in seinem Leben stellen würde. Die Frage beinhaltet eine persönliche Auseinandersetzung auf mehreren Ebenen: Verstand, Intuition, Wahrnehmung, Erfahrung etc. Ich kann mich schildern über mein Aussehen, wie und worüber ich nachdenke, was ich schon erlebt habe und was mir wichtig ist.
Zweitens verfolgt man dabei das Ziel, die Frage nach der eigenen Identität allgemeingültig zu beantworten. Schließlich möchte man nicht nur wissen, wer man im Moment ist, sondern wer man überhaupt ist, was einen auszeichnet und generell von anderen unterscheidet.
Ein drittes Kriterium für eine philosophische Frage lautet: Sie ist keine Wissensfrage. Wissensfragen ließen sich beispielsweise durch das Nachschlagen in einem Wörterbuch beantworten. Das geht bei einer philosophischen Frage, so wie sie hier verstanden wird, nicht. In keinem Buch wird sich die Antwort auf die Frage "Wer bin ich?" finden lassen. Über philosophische Fragen lässt sich noch in 1.000 Jahren nachdenken, genauso wie uns Texte von vor 2.000 Jahren heute noch in ihrer Aktualität überraschen und fesseln. So gesehen bleiben philosophische Fragen offen, sind unabschließbar.
Benötigtes Material
Arbeitsblatt (UE 3.1a AB 1): Gedankenkarte "Identität – Wer bin ich?"– leere Vorlage
- Interner Link: PDF UE 3.1a AB 1 Identität – Wer bin ich – leere Gedankenkarte
je ein Exemplar pro Schüler/in
- Interner Link: PDF UE 3.1a AB 1 Identität – Wer bin ich – leere Gedankenkarte
Arbeitsblatt (UE 3.1a AB 2): Gedankenkarte "Identität – Wer bin ich?" – ausgefüllte Vorlage für die Lehrkraft
Arbeitsblatt (UE 3.1a AB 3): Auszug aus dem Roman "Sofies Welt"
oder
Arbeitsblatt (UE 3.1a AB 4): Auszug aus dem Roman "Sofies Welt" (sprachlich vereinfacht)
je eine Kopie pro Schüler/in
Arbeitsblatt (UE 3.1a AB 5): Fragen zum Ausschnitt "Sofies Welt"
je eine Kopie pro Kleingruppe
Durchführung
Verteilen Sie die leere Gedankenkarte "Identität – Wer bin ich?" und geben Sie den Schüler/innen 5 bis 10 Minuten Zeit, um die Gedankenkarte auszufüllen. Die Ergebnisse der Gedankenkarte werden nicht öffentlich diskutiert. Wenn die Schüler/innen keine Worte finden, um sich selbst zu beschreiben, können Sie mit Interner Link: Impulsfragen unterstützend eingreifen, um den Gedankenfluss anzuregen.
Verteilen Sie den Auszug aus dem Roman "Sofies Welt". Die Schüler/innen können den Romanauszug selbstständig lesen. Alternativ können Sie als Lehrkraft den Text langsam vorlesen und dann die Schüler/innen den Text noch einmal für sich durchlesen lassen. [Interner Link: PDF UE 3.1a AB 3 Auszug Sofies Welt, Interner Link: PDF UE 3.1a AB 4 Auszug Sofies Welt_einfach]
Bilden Sie Kleingruppen von zwei bis vier Personen und verteilen Sie anschließend ein Arbeitsblatt pro Kleingruppe zum Text. Geben Sie den Schüler/innen angemessen viel Zeit, um gemeinsam das Arbeitsblatt auszufüllen. [Interner Link: PDF UE 3.1a AB 5 Fragen zu Sofies Welt]
Bilden Sie nun einen Stuhlkreis und diskutieren Sie die Ergebnisse in der Klassengemeinschaft. Sollte die Diskussion schleppend verlaufen, dann können Sie auf die Interner Link: Impulsfragen zurückgreifen.
Nach der Diskussion lösen Sie den Stuhlkreis auf und geben den Schüler/innen etwas Zeit: Sie sollen ihre Gedankenkarten noch einmal auf der Grundlage der Kleingruppenarbeit und der gemeinsamen Diskussion bearbeiten.
Bitten Sie die Schüler/innen nach der oben vorgeschlagenen Methode, die Unterrichtseinheit zu bewerten.
Impulsfragen für die Frage "Wer bin ich?"
Selbstbeobachtung (Introspektion):
Woher weiß ich, wer ich bin?
Bleibt das ICH gleich, wenn ich mich verändere oder verändert es sich mit?
Kann ich überhaupt irgendwann wissen, wer ich bin?
Was kann ich über mich wissen und was nicht?
Kenne ich mich selbst am besten?
Wann stellst du dir die Frage, wer du bist?
Ich und die anderen:
Wer kennt dich am besten? Und warum?
Wann kennt dich jemand gut? Wie lange muss man dich/einen Menschen kennen, damit man dich/ihn gut kennt?
Was hat meine Identität mit anderen Menschen zu tun?
Können mich andere Menschen verändern?
Wenn ich nicht mehr mit X, sondern mit Y zusammen bin, bin ich dann anders?
Und wenn ich andere Freunde und eine andere Familie in einem anderen Land hätte, wäre ich dann anders?
Wäre ich ein anderer Mensch geworden, wenn ich in Österreich, der Schweiz, Marokko, Brasilien oder Japan aufgewachsen wäre?
Was muss ich von einem Menschen wissen, damit ich ihn gut kenne?
Was ist der Kern des eigenen ICHs?
Was ist das ICH? Und wo ist das Ich: innen oder außen?
Wie beurteilst du, wie ein anderer Mensch ist? An dem, was er denkt, was er sagt oder was er tut?
Was gehört zum ICH? Körper? Geruch? Name? Gefühle? Haarfarbe? Augenfarbe? Politische Einstellung? Vorlieben? Hobbys? Selbstbild?
Was würdest du verändern, um mehr ICH zu sein?
Bist du manchmal ein Schauspieler? Z. B. wenn du etwas willst und zu einer Person freundlich bist, die du gar nicht magst. Bist du dann noch du selbst? Wo ist die Grenze? Wann bist du noch du selbst und wann bist du ein anderer Mensch geworden? Wo liegt hier für dich die Grenze?
Brauchst du etwas, um du zu sein? Arbeit? Wohnung? Was?
InfokastenHintergrundliteratur:
Rude, Christophe; Witt-Kruse, Evi; Zeitler, Katharina (2012): Fortbildungsskriptum F1. Wer bin ich? Identität und Menschliches, Akademie Kinder philosophieren. S. 6.