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Im Praxistest: Themenblätter im Unterricht (Nr. 126): "Was denken Rechtsextreme?“ | bpb.de

Im Praxistest: Themenblätter im Unterricht (Nr. 126): "Was denken Rechtsextreme?“

Ilja Ay

/ 4 Minuten zu lesen

Das Themenblatt Nr. 126 „Was denken Rechtsextreme?“ setzt sich mit einem äußerst aktuellen und relevanten Phänomen auseinander, bei dem rechtsextreme Botschaften beiläufig und beschönigend verwendet werden, um sie an eine breite Gesellschaft herantragen zu können. Im Vorwort des Themenblattes heißt es dazu von Johannes Winter „Gerade deshalb ist es notwendig, mit Jugendlichen darüber zu sprechen, was ein rechtsextremes Welt- und Menschenbild ausmacht und an welchen Aussagen (und Taten) ein solches erkannt werden kann.“ Denn ansonsten blieben sie „unbemerkt und unwidersprochen“.

Das Material befähigt Lernende dazu rechtsextreme Einstellungen zu erkennen, zu beschreiben und sie definitorisch einzuordnen, die hierzu gegensätzlichen Menschenbilder des Grundgesetzes zu erörtern und, selbst rechtsextreme Aussagen zu erkennen und Stellung nehmen zu können.

Das Material eignet sich für die Sekundarstufen I und II, da die weiterführenden Erörterungen und Diskussionen auf unterschiedlichen Anspruchsniveaus geführt werden können.

Konzeption des Materials

Kern des Themenblatts sind zwei Arbeitsblätter. Die Arbeitsblätter können als abgeschlossene Unterrichtseinheit von ca. zwei Unterrichtsstunden eingesetzt sowie in schulische Projekte oder in diverse Inhaltsfelder der Sekundarstufe I und II integriert werden.

Das Material enthält eine Einführung in das Thema, die sich insbesondere mit sechs Dimensionen eines rechtsextremen Weltbildes auseinandersetzt: Antisemitismus, Autoritarismus, Nationalismus, Rassismus, (Geschichts-)Revisionismus und Sozialdarwinismus. Im Kern verbindet rechtsextreme Einstellungen eine Ungleichwertigkeitsvorstellung verschiedener Menschengruppen und eine Verharmlosung des Nationalsozialismus (Brähler et al., 2015).

Nach Hinweisen zur Bearbeitung folgen die eigentlichen Arbeitsblätter. Sie enthalten geschlossene ebenso wie offene Aufgabentypen und regen in vielerlei Hinsicht zur Auseinandersetzung mit der Thematik an.

Einsatzmöglichkeiten und Anregungen für den Unterricht

In Aufgabe 1a des ersten Arbeitsblattes sollen die Lernenden die Dimensionen auf der Internetseite der bpb recherchieren und jeweils eine eigene, kurze Definition entwickeln. Vor dem Hintergrund der im Material vorliegenden guten Übersicht über die Begriffe, erscheint eine Recherche jedoch zu umfangreich. Es kann sich bei Aufgabe 1a – anstatt einer kurzen Definition – anbieten, eine Erklärung in eigenen Worten mithilfe des beigefügten Übersichtsblattes einzufordern. In Aufgabe 1b sollen Fotos den passenden Dimensionen von Rechtsextremismus zugeordnet werden. Diese Aufgabe ermöglicht eine anregende Auseinandersetzung mit rechtsextremen Ideologien und kann zum Begriffsverständnis beitragen. Je nach Lerngruppe kann sich vorhergehend eine Beschreibung und Deutung der Fotos im Unterrichtsgespräch anbieten. Sie enthalten viele Informationen und erfordern mitunter ein tiefergehendes Geschichtsverständnis.

In Aufgabe 2 wird deutlich, dass sich solche Welt- und Menschenbilder nicht mit den Überzeugungen aus dem Grundgesetz decken. Mithilfe des Grundgesetzes können Lernende solche Ideologien zurückweisen. Eine Anknüpfung an das Grundgesetz findet sich ebenso auf Arbeitsblatt 2 in den Aufgaben 3 und 4b. Das Themenblatt scheint daher besonders gut an unterrichtliche Themenfelder zum Grundgesetz anknüpfen zu können. Die unterrichtliche Eignung des Materials zeichnet sich auch dadurch aus, dass an diverse Inhaltsfelder wie Demokratie & Partizipation, Menschenbilder & Weltauffassungen oder Nationalsozialismus angeknüpft werden kann (am Beispiel etwa des Kernlehrplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Verbundsfach Gesellschaftslehre in der Sekundarstufe I).

In Aufgabe 3 kann das erfahrene Wissen anhand eines Lückentextes gefestigt und angewendet werden. Das scheint vor dem Hintergrund der Komplexität der Thematik sehr sinnvoll.

Aufgabe 1 des zweiten Arbeitsblattes hat laut Autor zum Ziel vermeintlich harmlose Aussagen zu entschlüsseln und die dahinter liegenden politischen Haltungen zu erkennen. Die Aufgabe scheint dazu sehr gut in der Lage, gerade durch Anwendung des Wissens aus dem vorherigen Arbeitsblatt. Die Lernenden lernen auch die Zustimmung der Bevölkerung zu solchen Aussagen einzuordnen. Die Aussagen aus dem Material beziehen sich auf die Leipziger Autoritarismus-Studie von 2020. Für die Mittelwerte liegen aktuellere Daten vor (Aussage 1 - 14,5 %, Aussage 2 - 19,4%, Aussage 3 - 8,8%, Aussage 4 - 5,2%; Decker et al. 2022).

In Aufgabe 2 beurteilen die Lernenden, welche Aussagen als rechtsextrem zu bezeichnen sind und diskutieren Möglichkeiten sich diesen entgegenzusetzen. Diese Aufgabe stellt damit ein zentrales Lernziel des Themenblattes dar und sollte in jedem Fall im Sinne der Handlungskompetenz ausführlich behandelt werden. Es bietet sich an – wie auch vom Autor empfohlen – sich tiefergehend mit rechtsextremen, aber wohlmöglich harmlos klingenden Begriffen auseinanderzusetzen. Auf http://www.bpb.de/37986 finden sich gängige Schlagworte rechtsextremer Propaganda (zum Beispiel Ausländerkriminalität), auf die Lernende arbeitsteilig eingehen und diese entkräften könnten.

Das Themenblatt ist so konzipiert, dass es gedruckt oder digital von den Lernenden ausgefüllt werden kann. Zudem gibt es die Möglichkeit für die Lehrperson, die Arbeitsblätter im Dokument direkt zu überarbeiten und an die jeweilige Lerngruppe anzupassen. Gerade für jüngere Lernende erscheinen sprachliche und inhaltlich-didaktische Reduktionen sinnvoll, was mit der entsprechenden Word-Datei erleichtert wird.

Fazit

Die Arbeitsblätter sind anschaulich strukturiert, klar kompetenzorientiert und geben Lernenden einen wichtigen Einblick in rechtsextreme Rhetorik. Das Material ist hingegen kaum sprachsensibel gestaltet, auch für ältere Lernende. Es enthält in hoher Dichte komplexe Sprache, auf die jedoch im Detail nicht mehr eingegangen wird und die mitunter ein tiefes historisches und politisches Vorwissen erfordert. Die Arbeitsblätter könnten daher sprachlich deutlich angepasst werden. Darüber hinaus führen die Arbeitsblätter die Thematik nicht niedrigschwellig ein. Stattdessen wird mit recht komplexen Definitionen gestartet. Eine vorgeschaltete Anknüpfung an die Vorerfahrungen der Lernenden kann diese Komplexität zumindest teilweise entlasten.

In einem Fazit der Leipziger Autoritarismus-Studie von 2022 heißt es „Während klassische rechtsextreme Akteure wie die NPD kaum noch Zuspruch finden, haben neu-rechte Strategien nicht nur mehr Erfolg bei der Mobilisierung des Ressentiments, sondern verändern auch die Akzentuierung innerhalb des antidemokratischen Weltbildes.“ (Decker et al., 2023, S. 16) Die Arbeitsblätter ermöglichen insgesamt eine Auseinandersetzung mit rechtsextremer Rhetorik innerhalb eines relativ kurzen Rahmens und regen dabei gleichzeitig zum weiteren Nachdenken an und eröffnen Möglichkeiten weiterer, unterrichtlicher Auseinandersetzung.

Zugriff

Das Interner Link: Themenblatt Nr. 126 "Was denken Rechtsextreme?" kann im Shop kostenlos bestellt oder als PDF heruntergeladen werden.

Weitere Inhalte

Ilja Ay ist Politiklehrer in Münster