Aktuell befindet sich der Schweizer Wahlkampf in seiner letzten Phase. In wenigen Wochen, genauer am 22. Oktober 2023, wird in der Schweiz ein neues Parlament gewählt. Während bei der letzten Wahl noch der Klimawandel mit all seinen Problemen und Chancen vereinendes Thema bei fast allen Parteien der Schweiz war, geht es bei dieser Wahl eher um parteispezifische Inhalte. Die sozialdemokratische Partei der Schweiz, die SP, engagiert sich für mehr Kaufkraft und Einkommensgerechtigkeit, während die nationalkonservative und rechtspopulistische Partei – die SVP – sich an ihrem Kernthema festhält: Migrationspolitik.
Und damit scheint die SVP bei der Wählerschaft zu punkten: Mit 27,7 Prozentpunkten war sie bei den letzten Umfragen stärkste Partei in der Schweiz. Sozialdemokraten, Grüne, Grünliberale und Liberale haben deutlichen Abstand und pendeln sich bei 17% bis 7% ein. Aktuelle grüne Themen und klassische sozialdemokratische, sowie liberale Inhalte lassen sich in der Schweiz nur schwer verkaufen – zumindest lässt sich dies aus den Wahlprognosen herauslesen.
Ist es nicht interessant, dass unser Nachbarland mit einer teilweise sehr ähnlichen Migrationspolitik wie Deutschland auch ähnliche politische Diskrepanzen zeigt? Einerseits die Sorge in Teilen der Bevölkerung vor der sogenannten „Überfremdung“ im eigenen Land, aufgegriffen durch die SVP, aber auch andererseits das Problem, welches die meisten westlichen, modernen Volkswirtschaften haben und welches auch zukünftig in der Schweiz ein Problem sein wird: Fachkräftemangel und eine überalternde Bevölkerung. Populistische Migrationspolitik wird dieses Problem nicht lösen.
Will man sich nun in der Schule dem Thema Schweiz im Allgemeinen, der Migrationspolitik im Speziellen oder der Parlamentswahl widmen, bietet die bpb Material, mit denen sich das Thema vertiefen lässt.
Konzeption des Materials
Als Unterpunkt zum Länder-Dossier Schweiz auf der bpb-Website findet sich der Aufsatz „
Es folgt eine kurze Einleitung zur Geschichte der Aus- und Einwanderung in der Schweiz. Parallelen lassen sich hier zu vielen westeuropäischen Ländern finden, die bis zu den 1870er/1880er Jahren mehr Auswanderungen vorzuweisen hatten. Auch in der Schweiz war es die beginnende Industrialisierung, die dann für eine Einwanderungswelle gesorgt hat.
Im Anschluss folgt der Kerntext des Materials, der im ersten Teil die Geschichte der Schweizer Migrationspolitik ab 1948 detailliert und gut verständlich erläutert. Da der Aufsatz aus dem Jahr 2021 stammt, ist auch die Politik der letzten schweizerischen Parlamentswahl berücksichtigt und somit verhältnismäßig aktuell. Der zweite Teil des Textes hat dann das Asylrecht und die damit verbundenen Diskurse und Reformen im Fokus. Leser:innen erfahren dort beispielsweise, dass die Asylpolitik der Schweiz ihren Ursprung im Jahr 1981 hatte und der Großteil der Reformen seitdem das Asylrecht der Eidgenossen verschärften, um geflüchteten Menschen den Zugang zur Schweiz mehr und mehr zu erschweren. Es finden sich zudem Analysen zur jüngeren, hitzig geführten Asylpolitik, in deren Zusammenhang erneut die SVP im Mittelpunkt steht.
Im gesamten Text finden sich Hyperlinks, die entweder Begriffe im Lexikon der bpb erklären, oder zu vertiefenden Artikeln weiterleiten, die sich mit der Schweiz und der Schweizer Politik auseinandersetzen.
Das Ende des Aufsatzes bildet ein Ausblick, wie es prognostisch mit der Migration in der Schweiz weitergehen könnte. Hervorzuheben ist dort, dass das Staatsbürgerschaftsrecht der Schweiz auf dem Prinzip des „Blutsrecht“ beruht, man also mindestens ein Schweizer Elternteil für den Erwerb des Bürgerrechts benötigt. Ohne dieses Recht kann man sich zwar legal in der Schweiz aufhalten und arbeiten, hat aber beispielweise nicht das Recht zur Wahl. Da die Zahl der Menschen in der Schweiz ohne dieses Bürgerrecht steigend ist, spricht dieser Abschnitt von einem wachsenden „Demokratiedefizit“ in der Zukunft.
Einsatzmöglichkeiten und Anregungen für den Unterricht
Der Aufsatz lässt sich sicherlich gut in den geisteswissenschaftlichen Fächern Politik, Geschichte oder Sozialwissenschaften nutzen. Auch für die interdisziplinäre Projektarbeit könnte der Text eine wertvolle Quelle darstellen. Im Fach Geschichte wäre ein Vergleich der Migrationspolitik der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz in den 1960/70er Jahren ein interessanter Anlass zum Perspektivwechsel. Beide Länder waren auf sogenannte „Gastarbeiter“ angewiesen, auch wenn dieser Begriff in der Schweizer Geschichte kaum genutzt wird. Aspekte einer solchen Analyse könnten politische Planung, Alltag der Migrant:innen in der Bundesrepublik und der Schweiz und der dadurch entstehende kulturelle Austausch sein, der zumindest die Bundesrepublik in vielen Bereichen deutlich geprägt hat. Der Aufsatz „Migration und Migrationspolitik in der Schweiz“ bietet für ein solches Projekt wertvolle Inhalte und für Schüler:innen verständliche, validierte Informationen.
Im Fach Politik und Sozialwissenschaften wäre vor allem das im Text erläuterte „Drei-Kreise-Modell“ (eingeführt 1991) der Schweiz ein diskussionswürdiges Thema, da dieses Modell Migrant:innen in kulturnahe und kulturfremde Zugewanderte differenziert. So sollte eingeschätzt werden, welche Migrant:innen sich der Schweizer Kultur anpassen und assimiliert werden konnten, und bei welchen diese Aussicht als gering eingestuft wurde. Für Schüler:innen wäre dies eine zielführende Basis für eine differenzierte Debatte.
Auch als Quelle für eine Facharbeit in der Oberstufe wäre dieser Text denkbar, da er einerseits wichtige Informationen zur schweizerischen Migrationspolitik zusammenfasst, und zudem in den Fußnoten weitere Artikel und Quellen verlinkt.
Fazit
Der Aufsatz „Migration und Migrationspolitik in der Schweiz“ bietet eine gute Möglichkeit, sich einen ersten, aber trotzdem schon umfangreichen Überblick über das Thema zu verschaffen. Entweder für Lehrkräfte, um sich in das Thema einzulesen, aber durchaus auch für Schüler:innen als Textgrundlage in den geisteswissenschaftlichen Fächern. Auf Grund der Informationsdichte und des Themas ist die Nutzung des Textes aber eher in der Oberstufe anzusiedeln.