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Im Praxistest: "Grundgesetz für Einsteiger" mit Fokus Föderalismus | bpb.de

Im Praxistest: "Grundgesetz für Einsteiger" mit Fokus Föderalismus

Ilja Ay

/ 6 Minuten zu lesen

Der Föderalismus – spätestens mit der Corona-Pandemie ist er wieder ins Rampenlicht der öffentlichen Meinung gerückt und er findet jüngst massive Kritik. Aber was bedeutet Föderalismus eigentlich, was hat er mit unserem Grundgesetz zu tun, welche Befugnisse haben die Bundesländer und wie sinnvoll ist das eigentlich? Das Arbeitsblatt 26 aus der Themenmappe Grundgesetz für Einsteiger regt an, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Die Arbeitsblätter der Themenmappe wollen eine niedrigschwellige Auseinandersetzung mit dem Grundgesetz ermöglichen. Sie regen auf differenzierten Niveaustufen zur Auseinandersetzung mit den Grundrechten, den Verfassungsprinzipien sowie den Verfassungsorgangen und ihren Aufgaben an.

Das Material ist aufgrund seiner didaktischen Aufbereitung prinzipiell in allen Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I anwendbar. Die Themenmappe ist darum bemüht, Gesetzestexte in verständlicher Sprache zu formulieren, was ihr in weiten Teilen gut gelingt. Die teilweise sehr kompakte Fachsprache lässt jedoch eher den Einsatz in der Mittelstufe anraten. Hinzukommt die curriculare Anknüpfung. Abhängig vom Bundesland lässt sich das Material beispielsweise in den Jahrgangsstufen 7 bis 10 anwenden, denn die Schülerinnen und Schüler widmen sich der "Sicherung und Weiterentwicklung der Demokratie" und im speziellen der föderativen Ordnung der Bundesrepublik und der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern.

Kern der Themenmappe sind Arbeitsblätter. Große Stärke der Themenmappe sind das integrierte Grundgesetz am Ende des Heftes, die – in vielen Teilen – sprachsensiblen Texte, der Aufforderungscharakter von Aufgaben, das differenzierte Material und die Kompetenzorientierung. Die Arbeitsblätter 26/ 27 thematisieren den deutschen Föderalismus.

Einsatzmöglichkeiten im Unterricht und Anregungen

Für den ersten Arbeitsauftrag schlagen die Schülerinnen und Schüler Artikel im Grundgesetz nach und tragen sie in einen entsprechenden Lückentext ein. Der Arbeitsauftrag hat durch sein geschlossenes Antwortformat einen hohen Aufforderungscharakter und ermöglicht die direkte Auseinandersetzung mit Artikeln des Grundgesetzes. Gleichzeitig ist der Text sprachlich anspruchsvoll, sodass das Ausfüllen der Lücken nicht zu einem Verständnis über den föderalen Bundesstaat führen muss. Zum einen scheint es unabdingbar, die aufgeführten Begriffe zu thematisieren (z. B. Bundesstaat, Grundgesetz, etc.) und die einzelnen Sätze des Lückentextes vertieft zu besprechen. Zum anderen erscheint ein niedrigschwelligerer Einstieg in die Thematik angemessen. Das Angebot "HanisauLand" der Bundeszentrale für politische Bildung wendet sich an Kinder bis ca. 14 Jahren und liefert eine kurze Einführung in das Thema Föderalismus. Der Beitrag bietet eine Grundlage für die sinnstiftende Auseinandersetzung mit den sprachlich anspruchsvollen Gesetzestexten. Zusätzlich können die Verlinkungen auf HanisauLand genutzt werden, wenn den Schülerinnen und Schüler Begriffe wie Bundesstaat oder Außenpolitik Schwierigkeiten bereiten. Soll auch Art. 31 GG näher thematisiert werden, eignet sich das folgende, greifbare Beispiel: Bis 2018 beinhaltete die hessische Verfassung die Todesstrafe. In Artikel 21 heißt es dort: "Bei besonders schweren Verbrechen kann er [der Straftäter] zum Tode verurteilt werden." Auf verschiedene Weisen kann dies mit den Schülerinnen und Schülern aufgegriffen werden. Es kann die Frage behandelt werden, warum Hessen die Todesstrafe nicht schon früher abgeschafft hat oder es kann danach gefragt, ob eine Person in Hessen bei entsprechenden Straftaten wirklich zum Tode verurteilt werden konnte. Zur Beantwortung dieser Fragen werden die Artikel 31 GG ("Bundesrecht bricht Landesrecht.") und Artikel 102 GG ("Die Todesstrafe ist abgeschafft.") benötigt. So werden die Schülerinnen und Schüler anhand eines konkreten Fallbeispiels dazu angeregt, Gesetzestexte als Argumentationsgrundlage zu verwenden. Einer ähnlichen Argumentation Bedarf die dritte Frage im Föderalismusquiz (Arbeitsblatt 27).

Im zweiten Block sollen die Schülerinnen und Schüler ein Rollenspiel durchführen zur Bedeutung des Bildungsföderalismus für eine Familie, die von einem in ein anderes Bundesland zieht. Der Arbeitsauftrag zielt auf die politische Urteilsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler. Dabei erscheinen ein paar Aspekte unklar. Das Durchführen eines Rollenspiels erfordert ein hohes Maß an methodischer Kompetenz und klare Rahmenvorgaben seitens der Lehrperson. Das gegebene offene Setting kann also höchstens als Anregung verstanden werden und weniger als direkt umsetzbarer Arbeitsauftrag. Die Motivation und Charaktere der Teilhabenden im Setting werden nicht ersichtlich und die Kriterien, nach denen diskutiert werden sollen, sind in weiten Teilen verborgen. Hinzukommt ein hoher Anspruch beim eigenständigen Recherchieren von Informationen mithilfe des angegebenen Links und den Arbeitsaufträgen. Soll an dem Rollenspiel festgehalten werden – und davon wird hier ausdrücklich nicht abgeraten, da ein authentisches Setting mit Problemgehalt aus der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler gegeben ist – muss die Lehrperson einen Rahmen für Einsatz im Unterricht schaffen. Eine Alternative, ohne die Anwendung eines Rollenspiels, wird im Folgenden kurz vorgestellt. Hierbei wird die politische Urteilsbildung (siehe Aufgabe 2c) in den Vordergrund gerückt. Eine konkrete Frage dazu könnte lauten "Sollte Schule Ländersache bleiben?". Dazu fällen die Schülerinnen und Schüler zunächst ein spontanes Urteil. Anschließend erarbeiten sie kriterienorientierte Pro- und Contra Argumente mithilfe geeigneten Materials. Die Befähigung zu einer selbständigen, begründeten, kriterienorientierten Beurteilung politischer Gegebenheiten stellt dabei einen zentralen Aspekt politischer Urteilsbildung in Schule dar. Die Recherche kann den Schülerinnen und Schülern durch vorgegebenes Material abgenommen werden. Eine Vielzahl an adäquaten Artikeln finden sich bei der Suche nach der Notwendigkeit des Bildungsföderalismus. Zwei davon seien hier vorgestellt.

Die von den Schülerinnen und Schülern festgehaltenen Pro- und Contra Argumente können dann Kriterien wie Vergleichbarkeit, historische Gründe, (Grund-)Gesetz etc. zugeordnet werden. Hinweise zur Durchführung einer Pro-Contra-Debatte finden sich u. a. auf der Seite der bpb. Die begründeten Urteile können schließlich mit den spontanen Urteilen zu Beginn abgeglichen werden.

Fazit

"Spielerisch, niedrigschwellig, kompetenzorientiert" – Damit wirbt das hier vorgestellte Material. Und diesem Anspruch wird es in vollem Maße gerecht. Das Material ist visuell ansprechend, es knüpft durch konkrete Anwendungen an die Artikel des Grundgesetzes an und es legt einen besonderen Fokus auf die Vermittlung von Sach-, Methoden- und Urteilskompetenz. Das ansprechende Material darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es durchdachter Anleitungen durch die Lehrperson bedarf. Es ist damit – und das wurde am Beispiel von Arbeitsblatt 26 herausgestellt – nicht für den unreflektierten Einsatz beispielsweise in einer Vertretungsstunde zu verwenden. Mit bedachtem Einsatz kann das Material als sehr gelungen bezeichnet werden, denn es regt zum Denken an!

Zugriff

Interner Link: Grundgesetz für Einsteiger

Ilja Ay ist Politiklehrer in Münster